Deutschland mangelt es an Vielem – an vielen Ideen zu Gesundheitsreformen mangelt es nicht. Mit wem aus dem Gesundheitssystem ich auch diskutiere – unisono heißt es: Tiefgreifende Reformen sind unausweichlich. Welche Maßnahmen als dringend notwendig erachtet werden, ist unter anderem in rund 20 trägerunabhängigen Positionspapieren festgehalten. Die Inhalte wurden von erfahrenen Praktikern aller Arten erstellt. Sie reichen über die Reformierung des DRG-Systems, der Pflegefinanzierung, des Abbaus von Parallelstrukturen sowie Bürokratie bis hin zur Aufhebung der Sektorengrenzen. Es gibt im Detail sicherlich (gravierende) Unterschiede, aber ich erkenne eine Allianz der Reformwilligen, die sich in einem einig ist: Es gibt kein Erkenntnisproblem. Wir haben ein Umsetzungsproblem!
Sicherlich ist es richtig, Grundsatzfragen anzugehen, die bis hin zu verfassungsrechtlichen Fragen reichen. Dies wird uns bei der Komplexität der Materie die nächsten Jahre noch beschäftigen. Dafür Expertenkommissionen zu berufen ist notwendig. Es kommt mir allerdings so vor, als würden wir über die richtige Organisationsform der Feuerwehr reden, während die Hütte brennt. Für dieses Jahr erwarten aktuell 60 Prozent der Kliniken negative Ergebnisse – mit einer Tendenz zum Schlechteren in den kommenden Jahren. Gleichzeitig steigen die Belastungen aufgrund massiv anziehender Kosten für Energie, Lebensmittel und IT – von Personalkosten will ich noch gar nicht mal reden und auch nicht von den Herausforderungen der Pandemie durch unterbrochene Lieferketten bis hin zu Investitionen in mehr Nachhaltigkeit. Bislang konnten Defizite oftmals noch von den Trägern – insbesondere den kommunalen – kompensiert werden. Diese Möglichkeit wird allerdings in den kommenden Jahren angesichts schwieriger Haushaltslagen deutlich abnehmen. Von der fehlenden Möglichkeit eines immerwährenden Defizitausgleichs frei gemeinnütziger oder in privater Trägerschaft befindlicher Kliniken will ich erst gar nicht sprechen. Ein temporärer Rettungsschirm für Krankenhäuser ist auch aus diesem Grund unabdingbar. In der Folge werden wir als Branche Kapazitäten neu ausrichten müssen: Ambulante und hybride Formen werden zunehmen, stationäre Versorgung sich ändern und tendenziell abnehmen, insgesamt muss es patientenorientierter zugehen. Das Verhältnis von Ballungszentren zur „Fläche“ muss sich ändern und das Krankenhaus ein zentraler Leistungserbringer bleiben, aber sein Gesicht ändern. Über eine Konvergenzphase müssen sich die Häuser anpassen können. Es kann nicht über harte Schnitte funktionieren, es braucht einen moderierten Übergang. Für diesen Übergang braucht es konkrete und pragmatische Ansätze – jenseits der Grundsatzfragen oder laborähnlicher wissenschaftsorientierter Vorschläge. Diese liegen vor.
Doch wie kommen wir zur Umsetzung? Die Basis dafür bildet wie immer der Dialog. Zum Dialog gehören (mindestens) zwei: Auf der einen Seite haben wir eine Koalition der Reformwilligen, auf der anderen Seite wünschen wir uns mehr Dialog statt Videobotschaften, die wir in den Kongressen und Tagungen der vergangenen Monate ein ums andere Mal seitens der politisch Verantwortlichen erleben durften. Dialog fördert Vertrauen in die handelnden Akteure im Gesundheitswesen und untereinander! Und Vertrauen ist in diesen Zeiten eine harte „Währung“ – insbesondere wenn die Politik von den Krankenhäusern Verlässlichkeit in der Versorgung von Patienten im nahenden Coronawinterhalbjahr einfordert.