Award Patientendialog

Kommunizieren leicht gemacht

  • Strategie
  • Management
  • 28.11.2023

f&w

Ausgabe 12/2023

Seite 1108

Die Klinik für Strahlentherapie und spezielle Onkologie an der Medizinischen Hochschule Hannover hat einen Flyer in leichter Sprache entwickelt. Dieser beschreibt für Patienten verständlich den kompletten Verlauf der Therapie. Das Ziel: Patienten besser in Entscheidungen einbeziehen. Das Projekt wurde jüngst mit dem Award Patientendialog ausgezeichnet.

In der Fachabteilung Klinik für Strahlentherapie und spezielle Onkologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) werden pro Jahr etwa 700 Pa­tien­tinnen und Patienten stationär und circa 1.500 ambulant versorgt. Viele der Patienten haben schon mehrere Vor­therapien durchgemacht, deren Erlebnisse – unter anderem vorangegangene Behandlungen, Abläufe, Ergebnisse von Therapien – sie gemeinsam mit den Strahlentherapeutinnen und -therapeuten aufarbeiten. Die Anforderungen an die Behandlerinnen und Behandler sind mannigfaltig, da neben der Tumor- auch die Supportivtherapie zur Behandlung der Nebenwirkungen erfolgt. Zudem unterliegen sie im direkten Patientenkontakt immer wieder einer hohen psychischen Belastung.

Im Rahmen einer multimodalen Tumortherapie durchlaufen die Patienten viele zunehmend komplexe Behandlungsschritte und somit verschiedene Fachabteilungen. Zur diagnosebedingten psychischen Belastung kommen insbesondere in großen medizinischen Einrichtungen eine Vielzahl an Ansprechpartnerinnen und -partnern, Telefonnummern und Wegbeschreibungen dazu. Die Fülle an Informationen, die Komplexität der Abläufe und zusätzlich die Fachsprache können zu großer Unsicherheit und damit auch zu einer schlechten Therapieadhärenz führen. Unsere Aufgabe als Behandlerinnen und Behandler ist es, die Patienten abzuholen und sie durch die komplette Behandlung zu führen, sodass sie am Ende ihre Therapien mit einem sicheren Gefühl absolvieren können.

Medizinische Hochschule Hannover (MHH)

Die MHH, mit 10.000 Beschäftigten größter Landesbetrieb des Landes Niedersachsen, ist eine universitäre Einrichtung für Forschung und Lehre in der Human- und Zahnmedizin und ein Universitätsklinikum der Maximalversorgung. Forschung, Lehre, Krankenversorgung und Administra­tion arbeiten im Integrations­modell auf dem MHH-­Campus Hand in Hand.

Verständlicher Flyer

Menschen sind hochindividuell, und jeder bringt seine eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Erfahrungen mit in die Behandlung. Ein Flyer in leichter Sprache soll helfen, einen Überblick über die Abläufe zu geben. Zielgruppe sind insbesondere Patienten mit Sprachbehinderungen, kognitiven Einschränkungen oder Behinderungen, ältere Menschen oder Menschen, die sich von der Vielzahl an Informationen und Terminen einfach überfordert fühlen.

Im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit kann es vorkommen, dass Ärztinnen und Ärzte den Kontakt auf Augenhöhe zu den anvertrauten Patienten verlieren. Fachsprache, schneller und gebündelter Informationsaustausch sowie zunehmende Komplexität überfordern die Patienten oftmals. So vergessen sie sehr schnell viel vom Inhalt eines „Aufklärungsgesprächs“, haben keine Übersicht über die nächsten Behandlungsschritte und Hemmungen, im Gespräch direkt nachzufragen.

Dr. Anne Caroline Knöchelmann ist seit Dezember 2014 in der Klinik für Strahlentherapie und spezielle Onkologie tätig. Noch als Medizinstudentin übersetzte die heutige Oberärztin für die Website washabich.de Arztbefunde ehrenamtlich ins „Laiendeutsch“. Dank dieser Tätigkeit ist sie heute sensibilisiert für die Kommunikationslücken zwischen Arzt und Patient. Im Rahmen ihrer fachärztlichen Tätigkeit war es ihr ein großes Anliegen, ihr Fachwissen den Patienten in verständlicher und einfacher Form zu vermitteln, damit diese jeden Schritt ihrer Behandlung gut nachvollziehen können und sich stets informiert fühlen.

So kam der Kontakt mit dem Büro „Leichte Sprache – Leichte Texte“ der Lebenshilfe Seelze e. V. zustande. Im ersten Schritt besuchte ein Prüferteam der Lebenshilfe Seelze, bestehend aus Menschen mit Behinderung, unsere Abteilung und verschaffte sich einen Überblick über die Abläufe.

Dr. Knöchelmann entwickelte den Flyer – Sprache, inhaltlicher Aufbau und Layout – daraufhin gemeinsam mit der Lebenshilfe Seelze. Texte und Orthografie gab anschließend das Prüferteam für die finale Version frei. Dabei achtete das Team insbesondere auf eine gut lesbare Schriftgröße und farbliche Kontraste.

Satzbau und Schreibweise der Texte sind bewusst einfach und knapp gehalten. Fotos und Abbildungen ergänzen den Text. Zudem bietet der Flyer Platz für eigene Notizen. Ziel ist es, die In­halte des Flyers allen Patienten niederschwellig zugänglich zu machen. Inhaltlich ist der Flyer abzugrenzen vom Aufklärungsbogen, den die Patienten im Rahmen des ersten Kontakts erhalten. In diesem werden detailliert die Zielsetzung und insbesondere die möglichen Nebenwirkungen erläutert.

Der Flyer „Zu Ihrem 1. Gespräch“ (Abb.) ist bereits aufgelegt und in Umlauf gebracht. Ein entsprechender Link ist auf der Klinik-Website hinterlegt.

Alle Mitarbeitenden in der Klinik, insbesondere das Personal in der Anmeldung und die aufklärenden Ärzte, sind über den neuen Flyer informiert. Diesen erhalten die Patienten bereits während der Anmeldung. Im Rahmen des anschließenden ärztlichen Aufklärungsgesprächs dient der Flyer als Leitfaden, um mit den darin abgebildeten Grafiken und kurzen Texten die Abläufe in der Behandlung zu erläutern.

Folgeprojekte geplant

Zur Evaluation des Flyers befragen die Mitarbeitenden die Patienten im Rahmen der strahlentherapeutischen Nachschau (in der Regel drei Monate nach Abschluss der Strahlenbehandlung), ob der Flyer hilfreich war. Die so gewonnenen Antworten und Erkenntnisse helfen, den Flyer zu überarbeiten.

Wir wünschen uns von dem neuen Format des Flyers, dass sich alle Patienten besser informiert fühlen und wir mehr Transparenz in unseren Abläufen schaffen können. Die einfache Sprache soll das Verständnis der Patienten für unser Terminwesen unterstützen, Missverständnisse reduzieren und Unsicherheiten bezüglich der Abläufe reduzieren. Zugleich soll der Flyer helfen, Ängste zu reduzieren und Sicherheit zu vermitteln, weil die Patienten stets deutlich vor Augen haben, was als Nächstes auf sie zukommt.

Weitere Flyer sind geplant. Erste Vordrucke – Strahlen-Behandlung, CT- Untersuchung – liegen vor. Sollte der Flyer „Zu Ihrem 1. Gespräch“ unter den Patienten Anklang finden, sind entsprechende Folgeprojekte geplant.

Award Patientendialog

Der Award Patientendialog zeichnet seit 2018 gesundheitlich-medizinische Einrichtungen aus, die einen vorbildlichen Dialog mit Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen pflegen. Auch ein funktionierendes Beschwerdemanagement und eine gelebte, aktive Patientenfürsprache fließen in die Bewertung der Jury ein. Der Jury gehören zahlreiche namhafte Persönlichkeiten des deutschen Gesundheitswesens an, etwa der Medizinethiker der Universität Freiburg, Prof. Giovanni Maio, der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gerald Gaß, oder die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Maria Klein-Schmeink. Das Pfalzklinikum, die Medizinische Hochschule Hannover und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf haben die Awards Patientendialog 2023 gewonnen. Die Verleihung fand auf dem Big Bang Health-Festival am 7. September in Essen statt. f&w porträtiert die drei Preisträger in der Dezember-Ausgabe 2023 sowie in der Januar- und Februar-Ausgabe 2024.

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