Ein Vorfall im Frankfurter Krankenhaus der DGD Stiftung hat alles ins Rollen gebracht: Der Verbund hat sich nicht nur zum Gewaltschutz verpflichtet, sondern setzt sogar mehr um, als die gesetzlichen Bestimmungen vorgeben. Ein Best Practice rund um die Sicherheit.
Das gesetzliche Ziel ist klar vorgegeben: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in einer geänderten Richtlinie für das Qualitätsmanagement (QM) festgelegt, dass unter anderem Kliniken oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ), ebenso wie Psychotherapeuten, niedergelassene Ärzte oder auch Zahnärzte, zum Gewaltschutz verpflichtet sind. Konkret heißt das: Sie müssen im QM Konzepte entwickeln, um möglichem Missbrauch oder potenzieller Gewalt vorzubeugen, alle Formen davon zu erkennen, darauf zu reagieren und jeweils zu verhindern. Das Ziel: vulnerable Patientengruppen wie Kinder, Hilfsbedürftige oder ältere Personen besser schützen.
Entsprechend der Strategie hat der Verbund ein Schutzkonzept, das über die gesetzlichen Vorgaben hinausreicht, umgesetzt. Ziel ist es, nicht nur die vulnerablen Patientengruppen vor jeglicher Form von Gewalt zu schützen, sondern alle Menschen. Also alle Patientinnen und Patienten, alle Besucherinnen und Besucher und alle Mitarbeitenden – denn Gewalt kann überall lauern. Auch alle Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Einrichtungen der DGD Stiftung stehen hinter dem erweiterten Konzept und sind davon überzeugt.
Beispiel Sachsenhausen
Zunächst ging es darum, die unterschiedlichen Formen von Gewalt zu definieren. Außerdem wurde analysiert, welche Schutzkonzepte es in den einzelnen Einrichtungen des Verbunds bereits gibt. Und das nicht nur konzeptionell, sondern auch technisch, baulich oder personell. In der Konsequenz erfolgte eine Risikoanalyse, wo Verbesserungen möglich sind. Kein leichtes Unterfangen, denn der Verbund ist mit seinen Einrichtungen sehr heterogen aufgestellt: Somatische Häuser und Fachkliniken der Psychiatrie und Psychosomatik gibt es ebenso wie eine Lungenfachklinik, Reha-Einrichtungen, Seniorenheime oder Häuser mit besonderen Wohnformen. Deutlich wird das Vorgehen beim Blick in das DGD Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt am Main – ein diakonisches Akutkrankenhaus, das jährlich rund 40.000 stationäre und ambulante Fälle versorgt. Risikobereiche, in denen es zu Gewalt von Patienten gegenüber Mitarbeitenden ebenso kommen kann als auch umgekehrt, sind beispielsweise die Intensivstation und die Rezeption – und allen voran die Notaufnahme.
Bei der Leitung des DGD Krankenhauses Sachsenhausen genießt das Thema Sicherheit eine hohe Priorität. Geschäftsführerin Abir Giacaman gründete eine multiprofessionelle Taskforce nach einem gravierenden Gewaltvorfall (Kasten). Im ersten Schritt wurde ein Sicherheitsdienst engagiert. Der war zunächst nur an den Wochenenden freitags bis sonntags von 22 bis 6 Uhr im Einsatz – mittlerweile wurden die Zeiten auf die weiteren Tage ausgeweitet, dann ist die Security von 22 bis 2 Uhr vor Ort. Ergänzt wird der Sicherheitsdienst durch einen Springerdienst zu den anderen Zeiten, wodurch bei einem Zwischenfall schnell der permanente Sicherheitsdienst eines benachbarten Hauses gerufen werden kann, der binnen weniger Minuten vor Ort ist.
Ein Vorfall mitten auf der Frankfurter Partymeile
Das DGD Krankenhaus Sachsenhausen liegt direkt am „Party-Kiez“ Frankfurts im Stadtteil Sachsenhausen nur einen Steinwurf vom Main entfernt. Zudem verfügt Frankfurt über eine „offene Drückerszene“ – daher haben die Mitarbeitenden in der Notaufnahme es sehr häufig mit multiintoxikierten Patienten zu tun: Alkohol, Drogen in vielen Ausprägungen – und häufig alles zusammen. Dieser Mix fördert die Aggressionen und lässt die Hemmschwelle sinken. Dort hat ein Vorfall ganz viel ins Rollen gebracht, der sich vor gut drei Jahren ereignete. Ein Patient mit einer drogeninduzierten Schizophrenie wurde behandelt. Zunächst war er ganz ruhig – doch dann eskalierte er regelrecht, wurde massiv aggressiv und hat innerhalb kürzester Zeit vier Mitarbeitende handlungsunfähig gemacht. Er ist aufgesprungen, hat eine Internistin durch eine Tür geschlagen. Ein Pfleger rannte gemeinsam mit einem Arzt zur Hilfe, eine weitere Kollegin hat andere Patienten in Sicherheit gebracht. Der Arzt musste mehrere Faustschläge ins Gesicht einstecken, der Patient war nicht zu bändigen. Er riss einen an einer Kette befestigten Stempel aus der Wand und verwendete diesen wie einen Morgenstern, schlug damit um sich und traf jeden, der ihm zu nahe kam. Das Team löste einen Notruf zur Polizei aus, die setzte einen Funkspruch ab – und zum Glück waren Spezialkräfte ganz in der Nähe des Krankenhauses. Die Polizisten stürmten innerhalb kurzer Zeit mit sechs Kräften die Notaufnahme und trieben den Angreifer unter dem Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray in die Ecke. Der war offenbar durch Amphetamine jedoch so stark aufgeputscht, dass er weiter um sich schlug. Die Polizisten konnten ihn letztlich nur mittels eines Tasers außer Gefecht setzen.
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