Impuls Universitätskliniken

Strukturreform als Grundbaustein für Qualität

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  • 27.02.2024

f&w

Ausgabe 3/2024

Seite 220

Demografie, Fachkräftemangel und künftig steigende Patientenzahlen erfordern jetzt Veränderungen. Die Krankenhausreform darf nicht scheitern, appellieren Heyo K. Kroemer und Jens Scholz.

In Deutschland gibt es in weiten Teilen – noch – ein qualitativ hochwertiges und funktionierendes Gesundheitssystem, das im internationalen Vergleich einen hohen Durchdringungsgrad hat, also für alle Bürger verfügbar ist. Dieses System muss für die Zukunft gesichert werden. Dabei geht es um Wirtschaftlichkeit, um Versorgungsqualität sowie Bedarfsplanung. Des Weiteren geht es um Forschung, die innovative Entwicklungen fördert und ins System integriert. Alle sind sich darüber einig, dass es Reformen im Gesundheitssystem braucht. Die Forderung nach finanziellen Polstern, um überkommene Strukturen zu erhalten, wird jedoch nicht mehr tragen. Deshalb erleben wir jetzt das Ende einer außergewöhnlichen Epoche, die durch Krisen wie der Covid-19-Pandemie beschleunigt, aber nicht allein dadurch ausgelöst wurde.

Zu wenig für viel Geld

Unserem Gesundheitssystem fehlt der Outcome: Deutschland hat nach den USA den höchsten Ausgabenanteil für Gesundheit am Bruttoinlandsprodukt (2020 waren es 12,8 Prozent) und liegt deutlich über OECD-Schnitt (9,7 Prozent). 2019 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland 81,3 Jahre, die der Schweizer 84. Dabei sind wir im OECD-Vergleich unter den Spitzenreitern mit 4,5 Ärzten pro 1.000 Einwohner und die durchschnittliche Anzahl an Arztbesuchen liegt bei 9,5. Dänen besuchen den Arzt nur 3,8-mal pro Jahr. Diese Liste der Spitzenplätze könnte man für die Anzahl der Pflegekräfte, Krankenhausbetten oder Fallzahlen fortführen. Unser Ärztemangel ist in erster Linie ein Verteilungsproblem auf zu viele Einrichtungen und doppelte Strukturen. Wir stecken viel Personal und Geld in ein System – mit vergleichbar geringerer Ergebnisqualität. Deshalb ist der Reformbedarf enorm.

Von den knapp 2.000 Krankenhäusern in Deutschland nehmen nur circa 160 an der umfassenden stationären Notfallstufe 3 nach G-BA teil. Gleichzeitig sind die Prognosen für die Entwicklung der Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung sehr schwierig. Welche strukturellen Veränderungen müssen wir also angehen, wenn wir mit weniger Personal mehr Kranke versorgen müssen und der finanzielle Spielraum deutlich geringer sein wird.

Den Wandel gestalten

Einer strukturellen Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung kommt eine grundlegende Bedeutung zu. Die bisher strikte Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung steht der bestmöglichen Patientenversorgung im Wege. Vor allem in dünn besiedelten Regionen müssen Krankenhäuser verstärkt in die ambulante Versorgung eingebunden werden, weil die Versorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nicht mehr umfassend garantiert werden kann. Patientinnen und Patienten profitieren dann von einem integrierten Versorgungsangebot. Dank moderner Medizin sind dabei stationäre Aufenthalte seltener nötig. Entscheidend ist, über welche Pfade Menschen über Sektorengrenzen hinweg dorthin kommen, wo sie gut aufgehoben sind. Sinnvoll ist eine klare, effiziente Koordination – wie in der Pandemie –, die je nach Krankheitsschwere und Versorgungsbedarf in das passende Krankenhaus und danach in eine ambulante Betreuung vermittelt. Universitätsklinika können dabei im Verbund mit anderen ihr Know-how anbieten – zum Beispiel in ländlichen Regionen und über Telemedizin. Diese systemische Rolle, optimal ausgebaut, kann einen großen Mehrwert für das gesamte System bekommen.

Neben veränderten Versorgungsstrukturen und Innovationen muss sich auch die Aufgabenzuordnung in den medizinischen Professionen entwickeln. Dem Fachkräftemangel muss mit einem Mix an Maßnahmen begegnet werden. Pflege- und Gesundheitsfachberufe müssen vor allem eine Aufwertung erfahren, indem sie Kompetenzen erhalten, wie sie in anderen europäischen Ländern üblich sind. Ein erster Ansatz sind die aktuellen Vorschläge für ein Pflegekompetenzgesetz.

Digital verfügbare medizinische Daten haben einen unschätzbaren Wert für Forschung und Versorgung. Mit dem Digitalgesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) wird in Deutschland ein enormes Entwicklungspotenzial freigesetzt. Behandlungsrelevante Informationen sind jederzeit mit der elektronischen Patientenakte (ePA) abrufbar. Im Krankenhaus, aber auch beim Facharztwechsel stehen alle Informationen sofort zur Verfügung. Mit dem GDNG können jetzt die Daten zusammengeführt und in einem datengeschützten Raum für Studien ausgewertet werden. Forschung hat damit die Chance, sich rasant zu entwickeln. Es lässt sich erahnen, welches Potenzial und gesellschaftliche Relevanz all diese Entwicklungen im Konzert mit Künstlicher Intelligenz und Robotik haben.

Von besonderem Interesse für die Hochleistungsmedizin sind Daten der Hochschulmedizin. Der Austausch dieser Informationen über Forschung wird innerhalb der Hochschulmedizin durch das „Netzwerk Universitätsmedizin“ (NUM) immer weiter verbessert. Das NUM bündelt deren interdisziplinäre Exzellenz in der translationalen Forschung sowie der Zusammenarbeit mit außeruniversitären Partnern und macht diese für das Gesundheitswesen zugänglich.

Strukturierte Versorgung

Die strukturellen Defizite und der dringende Reformbedarf im deutschen Gesundheitssystem zeigen sich exemplarisch im Krankenhausbereich. Rund ein Drittel der GKV-Ausgaben ist hier gebunden. Es gab in der letzten Dekade den Versuch, bei ausreichend vorhandenem Personal durch ständige Fallzahlensteigerung eine auskömmliche Betriebskostenfinanzierung zu erreichen und die völlig unzureichende Investitionskostenfinanzierung zu kompensieren. Durch Fachkräftemangel in der Post-Covid-Ära ist diese Option definitiv nicht mehr vorhanden. Die Krankenhauslandschaft steht somit vor der Mammutaufgabe der grundsätzlichen Neuausrichtung der Versorgungsplanung. Netzwerkstrukturen, wie in der Pandemie erproben müssen verankert werden, sodass den Akteuren eindeutige Rollen zugeordnet werden. So muss sich ein System entwickeln, dass angesichts der Demografie eine effiziente Patientenversorgung und eine bestmögliche Verteilung der finanziellen und personellen Ressourcen ermöglicht. Koordination, klare Kompetenzen, Digitalisierung sind dabei der notwendige Dreiklang der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems, in dem die Hochschulmedizin in verschiedener Hinsicht ein Schlüssel sein kann, weil sie versorgend, koordinierend, beratend, forschend und ausbildend tätig ist.

Gerade bei komplexen Behandlungsbildern und aufgrund zunehmender interdisziplinärer Versorgungsnotwendigkeit brauchen wir eine Leistungskonzentration – zugunsten der Qualität. Jede Blockade ohne alternative Konzepte verzögert die unabdingbare Weiterentwicklung des Systems. Ohne tiefgreifende strukturelle Veränderungen ist die Gesundheitslandschaft im stationären Bereich in wenigen Jahren nicht mehr auf dem derzeitigen Niveau zu halten. Das ist der Antrieb, auch in den aktuellen gesundheitspolitischen Debatten konstruktiv Position zu beziehen.

Autoren

f&w führen und wirtschaften im Krankenhaus

Die Fachzeitschrift für das Management im Krankenhaus

Erscheinungsweise: monatlich

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