Es steht 1:16. Wenn ein Bundesminister es schafft, über alle Parteigrenzen hinweg mit allen Länderkollegen in Dissens zu geraten, dann war die Kommunikation nicht gut. Aber bei Karl Lauterbach und seiner Krankenhausreform lief nicht nur der Entstehungsprozess suboptimal. Auch inhaltlich sind seine Entwürfe nicht geeignet, die drängenden Probleme in der Krankenhausversorgung zu lösen. Zwar werden im Referentenentwurf des KHVVG einige wichtige Punkte benannt, zum Beispiel die nachhaltig unzureichende Investitionsfinanzierung durch die Länder oder der Fachkräftemangel. Auch die notwendige Ambulantisierung vieler medizinischer Leistungen und die damit verbundene Überwindung der Sektorengrenze sind richtige Ansätze. Es ist jedoch absehbar, dass die geplanten Änderungen keine Lösung darstellen, sondern einiges verschlimmbessern: Die Vorhaltefinanzierung soll fallzahlabhängig gemacht werden. Damit dreht sich das Hamsterrad munter weiter, mancherorts vielleicht sogar schneller. Als nächste Idee sollten dann auch Feuerwachen nach Anzahl ihrer Einsätze finanziert werden.
Da die Gesamtausgaben nicht steigen sollen und die Mehrzahl der Kliniken derzeit rote Zahlen schreibt, wird offensichtlich mit einer Marktbereinigung gerechnet, ohne diese offen zu benennen. Ehrlichkeit wäre hilfreich. Bei der Qualität soll es nicht um das Ergebnis, sondern um die Struktur gehen. Das gleicht einem Restauranttester, der in der Küche Töpfe, Herde und Köche zählen lässt und meint, daraus auf die Qualität des Essens schließen zu können. Für die Patienten wäre es viel sinnvoller, die Ergebnisqualität zu erfassen – das wäre sogar mit Routinedaten möglich. Da die Kliniken schon jetzt alles detailliert dokumentieren müssen, wird die Bürokratie sicher nicht ab-, sondern eher zunehmen: Wir sind auf dem besten Weg in den Bürokratieinfarkt. Dabei ist die Bürokratie für das Krankenhauspersonal bekanntermaßen seit Jahren das größte Ärgernis und ein Stressfaktor, der Menschen, die gern mit Menschen und nicht als Dokumentare arbeiten wollen, aus dem Beruf treibt.
Damit wird ein weiteres Ziel verfehlt: Der Fachkräftemangel wird so nicht behoben, sondern verschärft. Zumal der doppelte Tsunami mit der Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge und der demografischen Entwicklung mit steigendem Pflegebedarf gerade erst beginnt. Die Vorstellung, man könne einen Teil des Klinikpersonals einfach als Verfügungsmasse in ein anderes Haus schicken, wo man die Behandlung zentralisieren will, ist bestenfalls naiv. Für einige Ärzte mag das noch funktionieren; für das Pflegepersonal gibt es genügend alternative Tätigkeiten. Die DKG fordert immer wieder eine Auswirkungsanalyse der geplanten Reform. Aus Sicht des Gesundheitsministers genügt es, wenn diese in fünf Jahren vorliegt. Für Korrekturen dürfte es dann zu spät sein.
Wie problematisch die Umsetzung von Lauterbachs Plänen sein kann, zeigt der Klinikatlas: Als großer Schritt zu mehr Transparenz angekündigt, bietet er Patienten aktuell nicht mehr Informationen als das bewährte Deutsche Krankenhausverzeichnis der DKG. Hinzu kommen eine für Laien verwirrende Auflistung von Vorschlägen zur Verfeinerung der Suche, Angaben mit zweifelhafter Aussagekraft und eine Vielzahl von Datenfehlern. Beim Atlas musste deutlich nachgebessert werden, das sollte bei dem Gesetz auch gemacht werden, bevor es in Kraft tritt. Sonst wird der Weg in eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung zur harten Stolperstrecke.
Der Autor ist CEO bei Asklepios.