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Im Stillstand

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  • 02.07.2025

f&w

Ausgabe 6/2025

Seite 549

Göran Lehmann

Vorbeugen ist besser als heilen – ein Prinzip, das oft im Gesundheitswesen übersehen wird. In den vergangenen Jahren haben es die Vorgängerregierungen versäumt, Prioritäten zu setzen und nachhaltig sowie dauerhaft zu investieren. Ausdruck dessen sind marode und einstürzende Brücken. Dieser Unwille zu radikalen Reformen hat Spuren hinterlassen. Dringend notwendige Veränderungsprozesse wurden über Jahrzehnte verschlafen, explodierende Ausgaben, Versorgungsdefizit und Personalmangel sind die traurige Folge. Ein Lichtblick in dem trüben Bild ist die von Karl Lauterbach, dem ehemaligen Gesundheitsminister, initiierte Krankenhausreform. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hat er überfällige Strukturreformen im stationären Bereich angepackt. Über Inhalte und Umsetzung kann man streiten, aber der Mut, dieses wichtige Thema auf die Tagesordnung zu setzen, verdient Respekt. Zu hoffen bleibt, dass die Nachfolgerin den Weg konsequent fortsetzt.

Allerdings hat dieses Vorhaben einen entscheidenden Mangel: Die Reform konzentriert sich ausschließlich auf den somatischen Bereich. Die Hoffnung, dass die Bundesregierung hier Abhilfe schaffen könnte, hat sich mit dem Koalitionsvertrag leider nicht erfüllt. Es bleibt unklar, wie die bestehenden strukturellen Probleme in der psychiatrischen Versorgung angegangen werden sollen. Es ist schlichtweg unverständlich, dass eine solch grundlegende Reform das drittgrößte medizinische Fachgebiet ausklammert, obwohl die Probleme nahezu identisch sind.

Es bestehen eklatante Versorgungsdefizite und Fehlanreize in einem bettenorientierten System mit unzähligen Schnittstellen. Fachkräftemangel sowie fehlende Transparenz und Evidenz über wirksame Behandlungskonzepte führen zu einem Wildwuchs von Fehl-, Über- und Unterversorgung der Patienten. Die ungleiche Verteilung der Behandlungsressourcen steht im Widerspruch zum tatsächlichen Behandlungsbedarf der Bevölkerung. Die Ausgaben für die Versorgung psychisch kranker Menschen allein im Krankenhaus liegen mittlerweile bei über elf Milliarden Euro (Stand 2023). Zusätzliches Geld ist dafür nicht erforderlich, aber die vorhandenen Mittel müssen effizienter, bedarfsgerechter und damit zielgenauer eingesetzt werden.

Expertenkommissionen, Leistungserbringer, Krankenkassen, Fachgesellschaften, Patienten und auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sind sich in der Diagnose der aktuellen Situation, aber auch in der Vision einer zukunftsfähigen psychiatrischen Versorgung einig. Doch bislang fehlen der Koalition der Wille und der Mut, die bisherigen Vorschläge in konkrete Gesetzesvorlagen zu gießen und die Transformation in Gang zu setzen.

Derweil bröckelt das psychiatrische Versorgungssystem weiter. Die Frage bleibt: Was muss noch geschehen, um dieses Momentum zu nutzen und endlich wegweisende Entscheidungen zu treffen? Muss das System so marode sein wie viele Brücken, damit sich etwas ändert? Der Unterschied: Kaputte Brücken kann man sperren oder umfahren, kaputte Seelen kennen keinen Umweg – höchste Zeit zu handeln.

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