Kommentar

Warten auf den Primärarzt

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  • 18.06.2025

f&w

Ausgabe 6/2025

Seite 505

Jens Mau

Die Bundesregierung will mit einem Primärarztsystem die Gesundheitskosten senken und die Patientensteuerung verbessern. Doch das Vorhaben ist umstritten: Während Hausärzte applaudieren, warnen Fachärzte vor Nachteilen – und auch die Bevölkerung ist gespalten. 

Die Bundesregierung möchte ein Primärarztsystem einführen. Überraschend kommt das nicht, schließlich hat Deutschland im europäischen Durchschnitt pro Bürger die meisten Arztbesuche. Das Vorhaben der Regierung dürfte vor allem der Versuch sein, die explodierenden Kosten im Gesundheitswesen in den Griff zu kriegen.

Hinter dem Begriff „Primärarztsystem“ verbirgt sich jedoch eine tiefgreifende Reform, deren Details die Regierung nur grob umrissen hat. Ähnlich wie bei der Reform der ambulanten Notfallversorgung geht es beim Primärarzt um Patientensteuerung – und damit um eine Teilabkehr vom Konzept des „mündigen Patienten“.

Vorbilder für ein deutsches Primärarztsystem sind Dänemark und Frankreich. In Dänemark sind es nur zwei, in Frankreich zehn Prozent der Patienten, die direkt zu einem Facharzt gehen. In diesen Ländern zahlen die Patienten mehr, wenn sie ohne Hausarztkonsultation einen Facharzt aufsuchen.

Patientensteuerung muss von Patienten und Leistungserbringern akzeptiert werden – das ist die große Herausforderung. Die vagen Andeutungen im Koalitionsvertrag zeigen, dass sich die Koalitionäre über die Instrumente nicht einig sind. Es stellt sich die Frage, mit welchen Anreizen ein Primärarztmodell flankiert wird. Zuzahlungen bleiben seit der Praxisgebühr, die es zwischen 2004 und 2012 gab, ein heißes Eisen. Finanzielle Anreize, also Boni für diejenigen, die erst zum Hausarzt gehen, sind wahrscheinlicher.

Auch dass Patienten, die direkt zum Facharzt gehen, extra zahlen müssen, ist in der Diskussion. Die Bundesärztekammer fordert das, viele Sozialdemokraten lehnen es als Zwei-Klassen-Medizin ab. Das Stimmungsbild in der Bevölkerung ist gespalten. Laut einer Umfrage des Mitteldeutschen Rundfunks lehnt die Hälfte der Bevölkerung ein Primärarztsystem nicht grundsätzlich ab – wobei die Ablehnung bei Jüngeren größer ist.

Bei den Leistungserbringern deutet sich derweil großer Knatsch an: Die Hausärzte loben den Vorstoß, die Fachärzte geißeln ihn. Sie weisen naturgemäß auf Härtefälle hin, etwa weite Wege und Hausärztemangel auf dem Land. Gerade weil mit der Neuordnung auch eine Neuverteilung des Geldes einhergeht, bringen sich Ärztegruppen deshalb seit Wochen gegeneinander in Stellung.

Das Primärmodell würde das Patientenaufkommen bei Hausärzten zweifellos steigern. Gleichzeitig käme dem Hausarzt als Gatekeeper eine große medizinische Verantwortung zu. Aber es werden auch Stimmen laut, die ein „Primärversorgungsmodell“ fordern, in dem neben Ärzten auch andere Berufsgruppen die Ersteinschätzung vornehmen können.

Die Regierung hat dieses Thema zu Recht auf die Agenda gehoben – aber ein einfacher Job wird das nicht. Laut Regierungsplan soll das Primärsystem nicht für Gynäkologie und Augenheilkunde gelten. Gut möglich, dass sich der Gesetzgeber auf weitere Ausnahmen einlässt – etwa, dass ein Patient den Hausarzt nur beim Erstkontakt und nicht bei jedem Facharzttermin aufsuchen muss – oder dass weiter Fachabteilungen ausgespart werden.

Bis 2028 will die Koalition mit dem Primärarztsystem zwei Milliarden Euro einsparen, zudem sollen Termine schneller vergeben werden. Ohne Telemedizin und den Einsatz von künstlicher Intelligenz dürfte das nicht zu bewältigen sein. Bisher ist jedoch beides in der Versorgung nicht angekommen.

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