Ausländische Pflegekräfte in Deutschland

Sprache als Schlüssel

  • Personal
  • Titel: Krankenhaus
  • 24.01.2017

Gesundheits Wirtschaft

Ausgabe 1/2016

Seite 19

In der Pflege werden händeringend Fachkräfte gesucht, gern auch aus dem Ausland. Hürden wie die spezielle Struktur der deutschen Berufs­ausbildung, der komplizierte Zugang zum Arbeitsmarkt für Nicht-EU-Bürger und Verständigungsprobleme erschweren jedoch den Weg in die hiesige Pflegebranche.

Jedes Jahr werden an den beiden Krankenhäusern der Stiftung Hospital zum heiligen Geist in Frankfurt 80 Stellen in der Krankenpflege frei. „Etwa die Hälfte der freien Stellen besetzen wir mit Ausländern“, sagt Pflegedirektorin Dagmar Lavi. Mit dem eigenen Nachwuchs lässt sich der Bedarf nicht decken. „Das Defizit beim Pflegepersonal ist hausgemacht“, sagt Lavi. „Die Ausbildung zum Pfleger ist neben der zur Hebamme die einzige, die von der Krankenkasse bezahlt wird.“ Das heißt: Krankenhäuser, die ausbilden wollen, müssen immer wieder aufs Neue mit den Kassen verhandeln, wie viele Ausbildungsstellen finanziert werden. Derzeit sind das in den zwei Krankenhäusern der Stiftung – Nordwest und Hospital zum heiligen Geist – für den aktuellen Jahrgang gerade einmal 26 Plätze.

Bei den Pflegeberufen in Deutschland besteht ein eklatanter Fachkräftemangel. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit dauert es rund 111 Tage, eine offene Stelle für einen Krankenpfleger zu besetzen, etwa 39 Prozent länger als im Durchschnitt aller Berufe. Auf 100 offene Stellen kommen zudem nur 82 Arbeitslose. In der Altenpflege sind es sogar nur 42 Arbeitslose auf 100 offene Stellen. Zwar werden inzwischen deutlich mehr Menschen in Pflegeberufen ausgebildet. Aber es reicht nicht, um die Lücke zu schließen. Allein in der Altenpflege sollen laut Arbeitgeberverband Pflege derzeit rund 30.000 Fachkräfte fehlen. Und mit der Alterung der Gesellschaft wächst der Bedarf weiter. Die Hoffnungen ruhen nun auf Fachkräften aus dem Ausland.

Die Stiftung Hospital zum heiligen Geist setzt auf einen Mix der Nationalitäten. Im Augenblick liegt der Schwerpunkt auf Polen, Bulgarien und Thailand. Dafür arbeitet die Stiftung mit verschiedenen Vermittlungsagenturen zusammen, etwa mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Das ist nicht ganz billig. Der Preis für eine Vermittlung liegt bei der GIZ bei etwa 3.500 Euro.

Der Einsatz von ausländischen Kräften sei keineswegs eine neue Entwicklung, sagt Lavi. In den 1960er-Jahren seien viele Mitarbeiter aus Südkorea gekommen, in den 1990er-Jahren viele Kollegen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Vor Kurzem waren es noch Kollegen aus Spanien. Doch seitdem dort die Konjunktur wieder anzieht, gehen viele von ihnen zurück in die Heimat. Zudem haben sich die Unterschiede in der Berufsausbildung bemerkbar gemacht. In Spanien werden Pflegekräfte akademisch ausgebildet, in Einrichtungen übernehmen sie dann Führungsaufgaben. Die eigentliche körpernahe Arbeit an der Person erledigen im Wesentlichen ungelernte Kräfte. In Deutschland hingegen müssen die Fachkräfte überall mit anpacken. „Für manche ist das dann schon ein Schock“, sagt Lavi.

Der Schlüssel für eine gute Zusammenarbeit liegt für Lavi in der Sprache und der Bereitschaft, sich auf die Kultur einzulassen. „Fachlich sind alle, die zu uns kommen, sehr gut.“ Im Haus arbeiten inzwischen so viele ausländische Kräfte, dass es sich lohnt, für den Unterricht eine eigene Lehrerin zu beschäftigen, die sowohl Deutsch für Ausländer unterrichtet als auch eine ausgebildete Pflegekraft ist. Die Stiftung organisiert Stammtische und auch Wohnungen. Da passiert es schon mal, dass sich Lavi auch um die Einrichtung kümmert. „Manche kommen ja nur mit einem Koffer an“, sagt die Pflegedirektorin.

Ein Hindernis auf dem Weg in den Pflegejob in Deutschland ist die spezielle Struktur der deutschen Berufsausbildung. Deutschland kennt drei verschiedene Pflegeberufe: die Kinder-, Kranken- und Altenpflege. In den allermeisten Ländern hingegen gibt es eine Pflegeausbildung mit unterschiedlicher Spezialisierung.

Unterschiedlich ist je nach Ausbildung auch der Zugang zum deutschen Berufsmarkt geregelt. In der Krankenpflege können EU-Bürger in der Regel nach dem Nachweis der entsprechenden Zeugnisse und des notwendigen Sprachniveaus gleich mit der Arbeit beginnen. Bei Nicht-EU-Bürgern wird immer im Einzelfall geprüft: Weist der ausländische Abschluss gegenüber dem deutschen wesentliche Unterschiede auf? Falls ja, muss noch eine Fachkenntnisprüfung oder ein Anpassungslehrgang absolviert werden? Wollen Ausländer hingegen als Altenpfleger arbeiten, findet immer eine individuelle Prüfung des Falls statt. Selbst wenn die Fachkräfte aus der EU kommen.

Extralehrgang für Chinesen

Die Sprache zu beherrschen, ist für den Beruf essenziell. An der Zentralen Akademie für Berufe im Gesundheitswesen GmbH (ZAB) sollen ausländische Pflegekräfte innerhalb von vier Monaten von Niveau A2, also grundlegenden Kenntnissen, auf das Niveau B2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens gebracht werden – das heißt, die Absolventen sollen sich spontan und fließend verständigen können, ein Gespräch mit Muttersprachlern soll gut möglich sein. „Das ist schon sehr schnell und bedeutet jeden Tag mindestens sechs Stunden Unterricht“, sagt Ulrike Steinecke, Managerin der Abteilung für Internationales und Kooperationen der ZAB. „Dabei geht es nicht nur um Sprache und Fachsprache, sondern auch um Kultur und Kommunikation im Allgemeinen. Wie präsentiere ich mich richtig? Wie funktioniert ein Bewerbungsgespräch?“

Für das nächste Jahr plant die Akademie einen Anpassungslehrgang für asiatische – insbesondere chinesische – Pflegekräfte. Die Ausbildung wird in Deutschland absolviert werden. Die Absolventen bekommen nach dem Lehrgang die Anerkennung als deutsche Gesundheits- und Krankenpflegekraft. In China gelte die deutsche Berufsausbildung sehr viel und habe ein hohes Ansehen, sagt Steinecke. „Von Arbeitgebern haben wir die Rückmeldung bekommen, dass sie an einem guten Mix verschiedener Nationalitäten interessiert sind.“

Doch auch das Potenzial der schon hier in Deutschland befindlichen Migranten könnte das Problem des Fachkräftemangels lösen. Für Menschen mit Migrationshintergrund bietet die ZAB GmbH Anfang nächsten Jahres eine neue Qualifizierung zur Gesundheits- und Krankenpflegeassistenz mit integriertem Sprachkurs (Inhalt: berufsbezogenes Deutsch) an. Dies wird über Bildungsgutscheine von Jobcentern und der Agentur für Arbeit gefördert. „Inzwischen denken wir darüber nach, ob das Konzept nicht auch auf Flüchtlinge übertragen werden kann“, sagt Steinecke. „Aber dafür müssen wir erst einmal wissen: Welche Qualifikationen bringen sie mit? Welche Nachweise führen sie bei sich? Auf welche Nachweise kann man eventuell verzichten?“ Schließlich könne es sein, dass eigentlich erfor­derliche Zeugnisse nicht mehr vorhanden sind, etwa weil sie im Heimatland zurückgelassen werden mussten.

Auch für den Arbeitgeberverband Pflege könnte Potenzial im derzeitigen Zuzug von Flüchtlingen liegen – soweit unter ihnen Fachkräfte mit medizinischem Hintergrund seien, sagt Sprecher Steffen Ritter. Doch auch sie müssen die notwendigen Zeugnisse vorweisen, einen Sprachtest bestehen und die Anerkennung ihres Berufsabschlusses erreichen. Doch ehe überhaupt eine Arbeitserlaubnis besteht, gehen aufgrund des aufwendigen Asylverfahrens schnell zwölf Monate ins Land. Könnten die Flüchtlinge dann nicht zumindest als Hilfskräfte eingesetzt werden? „Wir haben keinen Mangel an Hilfskräften. Diese Stellen bekommen wir unproblematisch besetzt. Was wir brauchen, sind ausgebildete Fachkräfte“, sagt Ritter.

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