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Balance und Flexibilität: Was zufriedene Pflegekräfte brauchen

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Balance und Flexibilität: Was zufriedene Pflegekräfte brauchen
© GettyImages/michaeljung

Im Wettbewerb um Fachpersonal in der Pflege müssen Krankenhäuser attraktiver werden. Kreativität ist gefragt. Eine Grundvoraussetzung ist eine konzeptionell durchdachte Personalpolitik. Darüber hinaus braucht es flexible Arbeitszeitmodelle und Ideen, um nicht auf Leiharbeit angewiesen zu sein.

In Deutschland würden mehr Vollzeitpflegekräfte zur Verfügung stehen, wenn die Arbeitsbedingungen in Kliniken anders wären. Gemeint seien vorrangig flexible Arbeitszeitmodelle, Möglichkeiten der Weiterentwicklung und der Identifikation, sagte die Moderatorin der Session „Akquise“ des diesjährigen DRG | FORUM 2024, Lena Reseck, verantwortliche Redakteurin von f&w. Krankenhäuser hätten es also durchaus in der Hand, attraktiver zu werden. Drei Experten stellten die Konzepte ihrer Häuser vor.

Für die Berufsgruppe der Pflege sei Arbeitszufriedenheit und Arbeitsplatzattraktivität eng geknüpft an die Arbeitsbedingungen, erklärte der Direktor für Patienten- und Pflegemanagement und Mitglied im Vorstand des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), Joachim Prölß. Dazu gehörten unter anderem die Personalausstattung und die Versorgungsqualität. Auch die Themen Werte und Anerkennung, Vergütung, Führung und Entwicklungsmöglichkeiten hätten einen hohen Stellenwert. Immer wichtiger aber werde die Work-Life-Integration, Stichwort Arbeitszeitmodelle. „Wir müssen dabei heute viel individueller sein als noch vor 20 Jahren.“

Voraussetzung für all das sei die Entwicklung einer Unternehmens- und Führungskultur, in der echte Bindung entstehen könne. Diese Entwicklung sei ein stetiger, nie endender Prozess. Das UKE orientiere sich seit Jahren an einem Konzernleitbild, das als eine Säule das Statement „attraktivster Arbeitgeber“ enthält. „Exzellente Versorgung geht nur mit bestmöglicher Zufriedenheit der Beschäftigten“, so Prölß. Krankenhäuser benötigten daher eine beschäftigtenorientierte und zielgerichtete Personalpolitik. Diese müsse in der Unternehmenskultur und -politik fest verankert und im Top-Management verortet sein​, auf einer konkreten Personalstrategie​ basieren und brauche Ressourcen.

Prölß: „Sie müssen innen anfangen“

Für diese Politik habe der Konzern ein Label erstellt: UKE Inside – für nach innen gerichtete Konzepte. Das Inside-Konzept sehe vor, dass sich drei Expertenarbeitsgruppen – AG Führung und Qualifizierung, die AG Gesundheit sowie die AG Balance, Beruf, Familie, Freizeit – mit allen Aspekten einer hohen Mitarbeiterbindung beschäftigen. Für die Mitarbeit in diesen Arbeitsgruppen können sich laut Prölß Beschäftigte aus allen Berufsgruppen, Hierarchieebenen und Aufgabenbereichen bewerben. Vertreten sind darin zudem Personalräte, Integrationsbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte und der Personalchef. Die Arbeitsgruppen agierten völlig unbürokratisch und erhielten Budgets, um „Dinge“ sofort umsetzen zu können. „Dadurch, dass ich als Vorstand sehr nah dran bin, kann ich auch sehr schnell Entscheidungen herbeiführen“, erklärte Prölß.

Entscheidend sei die Erreichbarkeit und Durchdringung aller Mitarbeitergruppen: Die richtige Kommunikation aller 15.000 Mitarbeitenden nach innen und die Verantwortung der Führungskräfte seien erforderlich. „Sie müssen innen anfangen – Leitbild, Führungsverständnis, Tarifvertrag, gute Patientenversorgung. Und wenn Sie das alles haben, können Sie ins Marketing gehen. Das ist wichtig angesichts der Mitbewerber.“

Die gesamte konzeptionelle Strategie folge einem Regelkreis, erklärte Prölß. Alles bedürfe der maximalen Unterstützung seitens des Vorstands und müsse Teil der gesamten Unternehmenskultur sein. Die Aktivitäten seien systematisch zu bündeln: „Sie müssen schauen, was ist wirksam und was nicht“. Sämtliche Prozesse seien kontinuierlich weiterzuentwickeln. Zudem gelte es, Erfolg und Wirksamkeit zu messen. Und schließlich seien alle Beschäftigten zu beteiligen. Denn nur sie könnten Rückmeldung geben, was für sie wichtig sei, was sie binde und zufrieden mache.

Wie Arbeitszeitmodelle ausgestaltet sein können und wie sie in der Praxis funktionieren, beschrieb der Pflegedirektor des Klinikums Westfalen in Dortmund aus dem Verbund der Knappschaft Kliniken, Klaus Böckmann. Um zu verstehen, was die Mitarbeitenden tatsächlich wünschten, sei ein Perspektivwechsel nötig: „Sie müssen sich in die Mitarbeiter hineinversetzen und überlegen: Was wären denn Modelle, sodass Beruf und Familie wirklich gelebt werden?“

Sein Ziel sei es, Ideen zu entwickeln, um Mitarbeitenden das Arbeiten so zu ermöglichen, wie sie es sich zeitlich vorstellen können. Denn viele Bewerberinnen und Bewerber hätten mit den herkömmlichen Modellen aufgrund ihrer familiären Situation kaum Chancen, in der Pflege zu arbeiten. Drei Arbeitszeitmodelle seien daher ins Leben gerufen worden: Ferienfreizeit, flexible Arbeitszeiten, halbes und viertel ganzes Jahr.

Die „Ferienfreizeit“ gebe Mitarbeitenden innerhalb eines Kalenderjahres die feste Zusage, sämtliche Ferien in Nordrhein-Westfalen komplett frei zu haben. Dafür verzichteten diese auf 13 Prozent ihres Gehalts. Die positive Resonanz der Beschäftigten und der Öffentlichkeit sei enorm gewesen. 30 Mitarbeitende nähmen aktuell an diesem Modell teil. Entscheidend sei gewesen, dass die jeweiligen Stationsleitungen und die Pflegedienstleitungen selbst entscheiden, wie viele Mitarbeiter aus ihren Bereichen teilnehmen können.

Mit dem halben ganzen Jahr arbeitenden Beschäftigte sechs Monate lang und hätten anschließend sechs Monate komplett frei. Über die zwölf Monate hinweg bekämen sie im 50 Prozent ihres Gehalts. Sie blieben unbefristet eingestellt, alle Sozialversicherungen liefen weiter und nach der freien Zeit erhielten sie ihre alten Posten zurück. Auch dieses Angebot habe viel Aufmerksamkeit erzeugt, sodass viele Bewerbungen eingegangen seien. Zusätzlich sei anschließend noch das viertel ganze Jahr eingeführt worden, um eine weitere Option zu bieten und analogen Konditionen: Neun Monate arbeiten, drei Monate frei und über zwölf Monate 75 Prozent des Gehalts bekommen. Zu den „flexiblen Arbeitszeiten“ sagte Böckmann:

„Ich möchte, dass Mitarbeiter, die zwei Stunden in der Woche arbeiten wollen, auch zwei Stunden arbeiten können und zwar zu den Zeiten, die sie vorgeben – und das verbindlich.“

Grundgedanke aller Bemühungen sei es, Vertrauen zu schaffen. Neben den Arbeitszeitmodellen habe der Pflegedirektor mit seinem Team weitere Veränderungen eingeführt, die wiederum für Zustrom an Pflegenden in das Klinikum sorgten. Dazu habe gehört, den Prozess der Bewerbungen deutlich zu vereinfachen und ganz niederschwellig zu halten. Mitarbeitende statt teure Vermittlungsfirmen wärben Pflegende und erhielten dafür Prämien – in den vergangenen beiden Jahren allein 150.

Eine Neuerung sei die Idee der mobile Stationsleitung und mobilen Pflegedienstleitung, die in den Sommerferien oder aus anderen Gründen wie Krankheit dann vertretungsweise die eigentlichen Leitungen vorübergehend ersetzten. Der „Deal“ so Böckmann: „Wir versprechen denen, die sich für diese Stelle bewerben, dass wir deren Lebenslauf innerhalb von drei Jahren komplett vollmachen, weil sie in allen Bereichen eingesetzt werden.“ Mittlerweile gebe es fünf mobile Leitungen, vier davon arbeiteten in Teilzeit.

Ein spezifisches Pool-Modell, um Personalengpässen kurzfristig begegnen zu können, stellte der Pflegedirektor im Verbund der Knappschaft Kliniken, Christian Fehr, vor. Das Konzept basiere auf der Idee einer verbundeigenen „Leiharbeitsfirma“.

Im Ruhrgebiet herrsche aufgrund der großen Krankenhausdichte eine hohe Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere um Personal für die Intensivpflege und die OP-Bereiche. Dadurch ergäben sich extrem hohe Leiharbeitskosten. Problematisch sei auch das Thema der Mitarbeiterorientierung. „Wir wissen von Pflegekräften, dass die Dienstplansicherheit einer der höchsten Motivationsfaktoren ist und für die Mitarbeiterbindung eine hohe Wichtigkeit besitzt.“

Um Kapazitätseinschränkungen zu vermeiden und stattdessen die Betriebssicherheit der Intensivstationen und OPs im Verbund sicherstellen zu können, sei für die Verbund-Kliniken im Ruhrgebiet der PflegeFlex-Pool entwickelt worden: Er soll sich überwiegend aus extern angeworbenen Pflegekräften mit Intensiv- und OP-Erfahrung speisen. Im Rahmen der Wirtschaftsplanung sollten zunächst 30 dieser Pflegekräfte gewonnen werden, angestellt über eine Tochtergesellschaft, die für Serviceleistungen in unserem Verbund verantwortlich sei. Der Pool sollte zugleich wechselwilligen Mitarbeitenden eine Bleibeperspektive bieten.

Die Arbeitgeberattraktivität steigern

Das Klinikum habe eine erfahrene Poolleitung installieren können. Das Personal des Pools sollte die Bereitschaft für eine räumliche Flexibilität mitbringen und als Dankeschön dafür ein attraktives Angebot erhalten: 100-prozentige Dienstplansicherheit, Vergütung eine Entgeltstufe über dem Tarifvertrag, Dienstwagen, iPhone und iPad sowie optional die Anstellung in einem Vier-Tage-Wochen-Konzept.

„Uns war wichtig, Fremdpersonalkosten zu reduzieren und Arbeitgeberattraktivität zu steigern“, erklärte Fehr. Die bei der Tochtergesellschaft angestellten Mitarbeitenden hätten gegenüber dem Personal in den Krankenhäusern den Status von Leiharbeitenden. Sie sollten dem Bestandpersonal nicht zu Last fallen. Voraussetzung für die externen Mitarbeitenden sei daher eine abgeschlossene Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie -pfleger oder als Operationstechnische Assistentinnen und Assistenten (OTA) mit einjähriger Berufserfahrung.

Seit dem Start im April 2023 lägen 26 unterschriebene Verträge vor. Kontinuierlich gingen Anfragen und Bewerbungen ein, durchschnittlich würden derzeit zwei bis drei Vorstellungsgespräche pro Woche laufen. Auffällig sei, dass insbesondere in der Leiharbeit tätige Pflegende ein Interesse an dem Konzept zeigten.

Für im Pflege-Flex Beschäftigte zahle das Klinikum rund 1.500 bis 2.000 Euro weniger als für Beschäftigte aus der Arbeitnehmerüberlassung. Die höhere Entgeltgruppe solle mit dazu beitragen, vom Gesamtkonzept zu überzeugen. „Die Menschen, die zu uns kommen, sollen sich mit der Knappschaft auch identifizieren können“, so Fehr.

Die bisherige Evaluation habe eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit unter den Pflege-Flex-Beschäftigten ergeben. Auch die anfängliche Skepsis und die zu befürchtenden Konkurrenz seien einem guten Miteinander gewichen. Die Wertschätzung und die Dankbarkeit für die Unterstützung sei in Abteilungen sehr hoch und die Aufnahme in den Teams funktioniere zunehmend besser.

Ein weiterer Ausbau des PflegeFlex-Pools sei von den Kliniken gewünscht und mache die Häuser auch unabhängiger vom Markt der Arbeitnehmerüberlassung.

Autor

 Mark Sleziona

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