Aus 27 mach 1: Was bereits für das Christentum und den 27 Büchern, zusammengefasst zum Neuen Testament, gilt, hält nun auch Einzug in die Pflege. Zwar hat es keine biblischen Ausmaße aber aus 27 verschiedenen Ländergesetzen für eine Assistenztätigkeit soll nun ein Bundesgesetz werden.
Das ist prinzipiell sehr zu begrüßen, lässt aber an der ein oder anderen Stelle aufhorchen, denn es ist geplant, im größeren Umfang behandlungspflegerische Maßnahmen an Assistenzkräfte zu übertragen. Das Dilemma: Was genau als Behandlungspflege definiert ist, müsste dringend überarbeiten werden.
Warum? Weil an dieser Grenze der Ausübung auch eine Grenze gezogen wird, wo die Pflegefachperson (sprich dreijährig und höher qualifiziert) benötigt wird und wo nicht. Pflegefachlich gesehen, müsste der Ansatz sogar noch früher sein, denn Behandlungspflege ist nur auf ärztliche Anordnung möglich. Das liegt unter anderem daran, dass der Begriff "Behandlungspflege" ganz stark geprägt ist durch Tätigkeiten in der häuslichen Krankenpflege – und die verordnet nun mal die Berufsgruppe Arzt. Daraus folgt, dass der Gatekeeper Arzt Behandlungspflege verordnet. Danach ist es aber, so der aktuelle Stand des Referentenentwurfs, nahezu egal, ob die Pflegeassistenzkraft oder die Pflegefachperson die Tätigkeit durchführt.
Kosteneinsparungen durch Pflegeassistenzkräfte
Konkret heißt es mehrfach im Entwurf, dass es sogar zu Kosteneinsparungen kommt, da das Vergütungsniveau von Pflegeassistenzkräften unter dem von dreijährig ausgebildeten Pflegefachpersonen liegt. Insbesondere die Pflegemanager werden den Satz kennen, dass Pflegehilfskräfte wie examinierte Pflegekräfte arbeiten, sie verdienen nur weniger Geld – ein deutlicher Ausdruck dafür, dass die Kompetenzen von Pflegefachkräften gegenüber Hilfskräften nicht klar genug abgegrenzt sind und in der Praxis seit Jahren nicht angekommen sind.
Gründe gibt es dafür einige, ein aktuelles Beispiel sind die vagen Formulierungen der Vorbehaltsaufgaben im Pflegeberufegesetz. Es steht außer Frage, dass gut qualifizierte Pflegeassistenten für eine Entlastung sorgen, allerdings muss auch bei der Maßnahmenerbringung die Debatte um Sicherstellung eines Qualitätsniveaus in der Versorgung erfolgen, zum Beispiel durch die Pflegeprozessverantwortung von Pflegefachpersonen. Eine pauschalisierte Übertragung führt zu einer Abwertung des Pflegefachberufs, überspitzt formuliert arbeiten wir also an unserem eigenen Ersatz.
Zwar gibt es ebenfalls die Abgrenzung, dass die Festlegung von Dauer und Häufigkeit bei manchen Maßnahmen nur Pflegefachpersonen obliegt, in der Durchführung gibt es aber keine Unterscheidung mehr. Ein ganz einprägsames Beispiel ist hier die Beatmung, da darf die Pflege aktuell sowieso nur auf ärztliche Anordnung die Parameter einstellen und die Funktionsfähigkeit überprüfen.
Hand in Hand: Assistenzgesetz und Kompetenzgesetz
Und jetzt schlägt sich der Bogen zum Pflegekompetenzgesetz, das auf den Herbst verschoben wurde: Assistenzgesetz und Kompetenzgesetz müssen Hand in Hand gehen!
Am Beispiel der Beatmung zeigt sich eine mögliche Kaskade, die der Pflege auch im Sinne der Selbstständigkeit zuzutrauen ist: Anordnung der "Behandlungspflege Beatmung" durch (akademisierte oder fachweitergebildete) Pflegefachpersonen, Ausübung durch (fachweitergebildete) Pflegefachperson, Delegation und Unterstützung bei Maßnahmen der Beatmung an Assistenzkräfte (zum Beispiel Hilfe bei Lagerung).
Es müsste eigentlich auch die Aufgabe der pflegerischen politischen Vertretungen sein, hier die Qualitätsstandards in der Durchführung nach oben (akademisiert) sowie nach unten (Assistenz) zu definieren.
Das alles sind Anzeichen, dass die Kompetenzen von Pflegefachpersonen in allen Sektoren nicht ausreichend genutzt und gewürdigt werden. Dabei wäre gerade hier eine Aufwertung des Pflegefachberufs durch Handlungsautonomie und Qualitätsdefinierung durch die Berufsgruppe möglich.
Umso wichtiger ist es daher, dass beide Kompetenzgesetze für fachweitergebildete wie auch akademische Pflegefachpersonen kommen müssen – und daran das Assistenzgesetz abgestimmt werden muss.
Die Kompetenzgesetze mit der Bibel gleichzusetzen, wie eingangs geschehen, wäre natürlich vermessen. Die Kompetenzgesetze aber als Stern am Himmel dafür zu nehmen, an dem entlang sich orientiert, was unter "guter und selbstständiger Pflege" verstanden werden kann: Dieser Vergleich bietet sich dann doch an.