Das von Union und SPD ins Spiel gebrachte Sondervermögen weckt Begehrlichkeiten im Gesundheitswesen.
Union und SPD, die voraussichtlich demnächst eine Regierung bilden, wollen ein Sondervermögen für Militär- und Infrastrukturausgaben schaffen. Es kursiert die gigantische Summe von bis zu 900 Milliarden Euro. Für die Instandsetzung der Infrastruktur soll ein Sondervermögen mit 500 Milliarden Euro entstehen, wie die Parteien gestern mitteilten. Auch für die Länder soll die Schuldenbremse gelockert werden. In dem Papier ist von "Krankenhausinvestitionen" die Rede, eine genauere Zuordnung oder Verwendung der Gelder gibt es bisher nicht.
Lauterbach fordert Geld für den Transformationsprozess
Ein Statement von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lässt vermuten, dass vor allem in den geplanten Transformationsfonds Geld fließen soll. „Das Sondervermögen für Infrastruktur ist ein Durchbruch für unser Land. Auch im Krankenhaussektor wurde seit mehr als zehn Jahren an den Investitionen gespart. Die Krankenhäuser brauchen unsere Unterstützung, um den jetzt notwendigen Transformationsprozess zu bewältigen. Die Weichen dafür sind durch die Krankenhausreform so gestellt, dass die Milliardenhilfen auch zielgerichtet eingesetzt werden. Statt teure und ineffiziente Strukturen künstlich am Leben zu halten, investieren wir in ein modernes Krankenhausnetz. Dafür auch die Mittel aus dem Sondervermögen einzusetzen, würde Patienten eine bessere Versorgung garantieren und die Krankenversicherten entlasten“, erklärte der Gesundheitsminister.
Kassen pochen auf Steuermittel
Der SPD-Gesundheitsexperte Christos Pantazis sagte im AOK-Medium G+G: „Ein Sondervermögen Infrastruktur kann gezielt für Entlastung sorgen und die dringend notwendigen Investitionen ermöglichen.“ Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, hatte bereits gestern in den „Stuttgarter Nachrichten“ Mittel aus dem Sondervermögen für den Gesundheitssektor gefordert.
Deutlich konkreter in ihren Forderungen ist die Krankenkassenszene. "Wir erwarten nun, dass die 25 Milliarden Euro schwere verfassungswidrige Teilfinanzierung des Krankenhaus-Transformationsfonds aus Beitragsgelder gestrichen wird und es stattdessen zu einer sachgerechten Finanzierung aus Steuermitteln kommt", erklärte Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Auch DAK-Chef Andreas Storm betonte, das Geld für dem Transformationsfonds müsse vom Staat kommen, nicht aus den Beiträgen der Versicherten. Der Vizechef des AOK-Bundesverbandes, Jens Martin Hoyer, betonte, die geplanten Investitionen in die Krankenhausstrukturen seien eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und sollten aus Steuermitteln bezahlt werden. „Insofern wäre die Berücksichtigung dieser Kosten im steuerfinanzierten Sondervermögen nur folgerichtig.“ Im vergangenen Jahr fuhr die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein Rekorddefizit von mehr als sechs Milliarden Euro ein. Zum Jahreswechsel waren die Beitragssätze massiv gestiegen. Experten fürchten, dass es ohne ein Eingreifen der Politik spätestens Anfang 2026 eine erneute Erhöhungswelle geben wird.
Gaß: Spielraum für Inflationsausgleich da
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßt das geplante Sondervermögen. "Es eröffnet sich jetzt die Möglichkeit, die Gelder des Transformationsfonds für die Krankenhausreform vollständig über Steuern zu finanzieren und nicht wie von Minister Lauterbach geplant, einseitig gesetzlich Versicherte zu belasten", sagte Vorstandschef Gerald Gaß. Er betonte zudem, dass scih damit in den Kassenfinanzen der erforderliche Spielraum ergebe, "den dringend notwendigen Inflationsausgleich für die Krankenhäuser zu finanzieren und die sich seit 2022 immer weiter öffnende Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben der Kliniken wieder zu schließen".
Kommunale und Unikliniken wollen bevorzugt werden
Der Verband der Universitätsklinika (VUD) die BG Kliniken und die Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser (AKG) fordern unterdessen bereits eine Konzentration auf ihre Einrichtungen. Sie berufen sich auf die Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Verordnung), die einen Schwellenwert von 30.000 Behandlungsfällen pro Jahr festlegt, wonach Krankenhäuser als kritische Infrastruktur eingestuft werden. "Gerade kommunale Großkrankenhäuser, Universitätsklinika und die BG Kliniken halten kritische Infrastrukturen vor. Sie befinden sich in Trägerschaft von Kommunen, Bundesländern und der Sozialversicherung. Das Sondervermögen für Bund, Länder und Kommunen muss daher auch diesen – in erster Linie öffentlich getragenen Einrichtungen zugutekommen", erklären die drei Verbände in einer Pressemitteilung. "Eine gleichmäßige Verteilung auf die Krankenhäuser wäre auch vor dem Hintergrund des durch die Krankenhausreform angestoßenen Konzentrationsprozess der Krankenhauslandschaft kontraproduktiv“, sagte Thomas Menzel, Vorstandsvorsitzender der AKG.
Janosch Dahmen lehnt Sondervermögen ab
Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, erklärte auf G+G-Anfrage, seine Partei lehne ein weiteres Sondervermögen ab, da es sich um eine „kurzfristige, unsystematische Symptombekämpfung“ handele, die keine nachhaltige Lösung für die strukturellen Herausforderungen biete. Wie Pantazis forderte er eine Reform der Schuldenbremse. Linken-Vorsitzender Jan van Aken stimmte zu, dass mehr Mittel für die Gesundheitsversorgung bereitgestellt werden müssten. Die Einführung von Schattenhaushalten über Sondervermögen seien jedoch der falsche Weg, sagte er dem AOK-Magazin.