Die Ambulantisierung stationärer Leistungen ist eines der aktuellen Megathemen – vor, während und vor allem nach der Pandemie. Dies zeigt auch der Koalitionsvertrag, welcher im Rahmen der sektorenübergreifenden Versorgung beispielswiese Hybrid-DRGs etablieren will, um die Ambulantisierung von ambulant-sensitiven Krankenhausfällen weiter voranzutreiben.
Auch das DRG | Forum 2022 nimmt sich diesem wichtigen und Thema unter anderem mit der Session „AMBULANTISIERUNG | Der AOP-Katalog setzt neue Spielregeln“ an. Ziel ist, das Potential für ambulante Operationen in Deutschland stärker auszuschöpfen. Dies wird zu bedeutsamen Veränderungen in der Versorgung führen und hat – je nach Standpunkt – unterschiedliche Vor- und Nachteile, die es zu diskutieren gilt. So fürchten Krankenhäuser beispielsweise eine Erosion ihrer stationären Erlöse, welche sie dringend benötigen, um unter anderem ihre Vorhaltekosten zu finanzieren. Andere Akteure begrüßen den Schub hin zur längst überfälligen Ambulantisierung, gerade im Vergleich zu anderen Ländern, um so auch Effizienzreserven heben zu können. Beide Punkte scheinen berechtigt und sind im Kern doch eher eine (gesundheits-)ökonomische Frage: Wie setzen wir Anreize neu, damit Patient:innen ressourcenschonender behandelt werden können und eine unnötige (voll-)stationäre Behandlung vermeiden werden kann. Dies kann personelle und finanzielle Ressourcen schonen.
Jedoch darf die Diskussion nicht alleine aus Sicht der „Fachwelt“ erfolgen, denn es gibt einen weiteren, aus Sicht der Patient:innen zentralen Punkt: Was bedeutet das für die Versorgung im Detail? Wie unterscheidet sich die ambulante Behandlung von der stationären? Sind die Unterschiede “nur“ in der Abrechnung und Übernachtung (sprich der Hotelkomponente), oder auch im medizinisch-pflegerischen Vergehen sowie in der Anamnese und der Nachsorge zu finden? Wenn dem so ist, muss dies detailliert dargestellt werden.
Warum werden Patient:innen heute stationär behandelt? Neben den ökonomischen Anreizen vor allem deswegen, weil entweder nach der Behandlung potenziell auftretende Nebenwirkungen (zum Beispiel Nachblutungen) möglich sind, welche überwacht werden sollen / müssen oder weil die Patient:innen zu wenig mobil sind, um wieder nach Hause zu gehen um sich dort selbst zu versorgen. Wenn nun zukünftig also mehr ambulant erbracht werden soll, erhält dass (ambulante) Entlassmanagement in den Kliniken sowie die Nachsorge eine gänzlich neue Dimension.
Macht es dann nicht Sinn eine Art Recall-System zu etablieren, welches die Patient:innen – wenn Sie wieder zu Hause sind – kontaktiert um nachzufragen, ob alles in Ordnung ist? Wer prüft ex ante, ob es das soziale Umfeld eines Patienten:in zulässt, dass diese:r ambulant behandelt werden kann? Und wohin wendet sich der/die Patient:in beispielsweise in der Nacht, wenn man zu Hause unerwartete Symptome bekommt oder sich unsicher fühlt?
Wenn hier die Prozesse nicht geklärt sind, läuft man Gefahr, dass Notaufnahmen, Rettungsdienste oder KV-Bereitschaftsdienste unnötig in Anspruch genommen werden und wichtige Informationen im Behandlungsprozess im Bedarfsfall dann nicht vorliegen. Hier gilt es, neben den Abrechnungsmodi und neuen Anreizen auch neue Behandlungspfade und Unterstützungsleistungen für die Patient:innen zu definieren (wie beispielsweise auch Fahrdienste), damit nicht nur Effizienzpotenziale generiert werden, sondern auch die Behandlungsqualität steigt. Qualitätsmessung und -transparenz ambulanter Leistungen sind dabei ein weiteres, ganz zentrales Thema. Auch sollte dem Entlass- und Case-Management im Rahmen der Ambulantisierung ein wesentlich größeres Augenmerk geschenkt werden. All dies werden wir in knapp zwei Wochen in Berlin zu diskutieren haben und nach guten Lösungen suchen. Seien Sie dabei!