Orientierungswert

Auch eine schlechte Reform kann eine gute Reform werden

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Auch eine schlechte Reform kann eine gute Reform werden
Dr. Matthias Bracht © MAREN KOLF

Zugegeben, diese Überschrift wird die Freunde eines Christian Linder nicht begeistern. Wobei der Finanzminister derzeit nur wenige Fans im Gesundheitswesen haben dürfte. Mit stoischer Souveränität erteilt er seit Monaten jeder Forderung nach zusätzlichem Geld für diesen Bereich eine verbindliche Absage. Anders als bei vielen weiteren Themenfeldern scheinen sich auch die Führungsspitzen der Ampelkoalition in dieser Ablehnung weitgehend einig zu sein. 

Die Ausgangssituation für eine große Strukturreform der Krankenhäuser scheint damit für den Gesundheitsminister denkbar schlecht. Wobei der aufmerksame Beobachter zunehmend das Gefühl bekommt, dass sich Karl Lauterbach mit dieser Situation immer besser arrangieren kann. Nach seinem ersten Aufschlag mithilfe der Regierungskommission gab es noch viel Gegenwind. Inzwischen ist es ihm im Zusammenspiel mit NRW-Gesundheitsminister Laumann gelungen, ein Eckpunktepapier mit den Ländern zu vereinbaren, dass frei von jeglicher finanziellen Verbindlichkeit daherkommt. Jedem sachverständigen Entscheidungsträger ist klar, dass eine substanzielle Reform der Krankenhausversorgung nicht ohne finanzielle Investitionen und Anreize realisierbar wird. So ist auch das vorliegende Eckpunktepapier zu interpretieren. Dieses ist nichts mehr als eine konsentierte Willenserklärung, vergleichbar mit den Gipfelerklärungen internationaler Konferenzen, meist ohne rechtsverbindliche Wirkung oder unmittelbare operative Bedeutung. Auch inhaltlich kann eine solche Erklärung naturgemäß nicht das Konkretisierungsniveau eines Gesetzes oder einer Verordnung erreichen. Vielmehr beginnt erst jetzt die eigentliche konzeptionelle Arbeit. 

Es schlägt die Stunde der Interessensvertreter

Angesichts der kleineren und größeren Verrenkungen bei der Konsensfindung für die Eckpunkte erscheint eine Übersetzung in ein rechtssicheres und anreizgerechtes Gesetz noch als mittelgroße Herausforderung. Anschließend muss das Gesetz durch den üblichen legislativen Prozess im Bundestag. Ein selbstbewusster Gesundheitsausschuss wird trotz frühzeitiger Einbindung der Fraktionsspitzen seine eigene Handschrift im Gesetzentwurf wiederfinden wollen. Und bei einem solchen Thema, dass auf allen Ebenen für emotionale Eruptionen sorgen kann, werden auch die übrigen Abgeordneten aktiv in der Gesetzgebung und Meinungsbildung mitwirken wollen. Das sind großartige Voraussetzungen für alle Interessenvertretungen, ihren Einfluss in den kommenden Monaten zielgerichtet geltend zu machen.

Anders als bisher findet die Arbeit nun nicht mehr auf der großen Bühne der Berliner Politik statt. Es bleibt zu hoffen, dass jetzt die konzeptionelle Arbeit stärker im Vordergrund steht als bei den bisherigen öffentlichen Auseinandersetzungen. Konzeptionelle Lücken gibt es noch reichlich. Angefangen bei der standortbezogenen Bemessung des Vorhaltebudgets, über sachgerechte Mechanismen zur Übertragung des Vorhaltevolumens zwischen verschiedenen Standorten und der Adjustierung des Vorhaltevolumens zwischen den Bundesländern, bis hin zur Einbindung der Notfallversorgung und den Anforderungen an eine Koordinierungsrolle bleibt viel Raum für eine konstruktive Mitwirkung auf allen Ebenen.

Für die Krankenhäuser und ihre Mitarbeitenden wird es am Ende darauf ankommen, dass ein anreiz- und leistungsgerechtes Finanzierungssystem herauskommt. Klar ist, dass eine wirksame Vorhaltefinanzierung Anreize für weniger Leistungen und weniger Fälle mit sich bringt. Daraus ergibt sich für die klammen öffentlichen Kassen ein relevantes Potenzial zur Einsparung und Umverteilung. Ob auf diese Weise eine gute oder eine schlechte Reform realisiert wird, hängt für den Einzelnen also von dem Ergebnis der Umverteilung ab. Wer zu den Gewinnern oder Verlierern gehört, ist auf Basis der vorliegenden Eckpunkte nicht verlässlich herzuleiten. Und dennoch bieten sie schon jetzt wertvolle Orientierungshilfen für eigene zukunftsorientierte Konzepte. Das Spielfeld ist also weitgehend bekannt. Nun liegt es an uns selbst, wie wir unser Spiel darauf ausrichten, um erfolgreich zu sein.

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