Es scheint, der von der FDP heraufbeschworene „Herbst der Entscheidungen“ hat begonnen. Gesundheitsminister Lauterbach und die Ampelfraktionen haben sich auf Änderungsanträge zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz geeinigt und diese am Dienstag öffentlich präsentiert. Die Statements in der Pressekonferenz waren voll von Selbstbeweihräucherung und vorgespielter Einigkeit mit allen Akteuren – allen bekannten fachlichen Gegenäußerungen zum Trotz. So etwas deutet eher selten auf gut gemachte Entscheidungen hin.
Gesundheitsminister Lauterbach hat das Motto „Augen zu und durch“ offensichtlich zu seinem Arbeitsprinzip erkoren. Die Ampelfraktionen folgen ihm willig in der Hoffnung, dass die Krankenhausreform noch als Klebstoff für die auseinanderfallende Koalition wirkt. Die Leidtragenden dieser Koalitions- und Parteitaktik sind am Ende die Patientinnen und Patienten sowie die Teams in den Kliniken. Denn wohin uns das nun geschnürte Reformpaket führt, ist weitgehend unklar. Was vorliegt sind zentralistische Strukturvorgaben und ein hochtheoretisches Konzept, das nicht auf den realen regionalen Versorgungsbedarfen aufsetzt. Auch wird die wirtschaftlich enorm angespannte Lage der Kliniken bewusst nicht wahrgenommen, um den gewollten Kapazitätsabbau zu beschleunigen. Notwendige Preissteigerungen, die durch längst überfällige Anpassungen des Finanzierungssystems gesetzgeberisch hätten umgesetzt werden müssen, werden verwehrt. Wegfallende stationäre Strukturen sollen in der Theorie durch das ambulante System aufgefangen werden, das darauf in keinster Weise vorbereitet, geschweige denn überhaupt in ausreichender Form flächendeckend vorhanden ist. Gleiches gilt für die Notfallversorgung, die durch eine parallel aufgesetzte Notfallreform weiter zentralisiert und ambulantisiert werden soll. Zudem ist das Rettungsdienstwesen, das bei weniger Kliniken gerade in der Fläche zukünftig viel mehr leisten muss, weder dafür ausgestattet noch wird es in ein einheitliches Reformkonzept einbezogen.
Der Ruf nach einer soliden Auswirkungsanalyse zur Reform perlt am Minister und den Koalitionären jedoch weiterhin kühl ab. Dabei sind die Vorzeichen zahlreich, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen die gewünschten Ziele verfehlen. Das gilt für die Vorhaltefinanzierung und die versprochene Entökonomisierung, für mehr Spezialisierung sowie für die Sicherung der ländlichen Versorgung. Die dem Bundesgesundheitsministerium vorgelegten Studien und Analysen aus der Praxis wurden ignoriert oder als zu unwissenschaftlich zurückgewiesen.
Natürlich wird im parlamentarischen Verfahren durch die vorgelegten Änderungsanträge an einigen Punkten nachgebessert. Und dabei ist nicht alles schlecht. Dies gilt beispielsweise für die Stärkung der Pflege durch eine pflegefachliche Leitung in den Krankenhäusern. Auch sind die neuen Regelungen zur Übergangspflege eine echte Verbesserung.
Doch diese kleinen Schritte vorwärts dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, was das Reformpaket insgesamt ist: nicht zu Ende gedacht, nicht praxistauglich und nicht mit den für die Krankenhausplanung zuständigen Ländern geeint. Die Länder sind daher nun in der Pflicht, die Krankenhausreform im Vermittlungsausschuss entweder grundlegend nachzubessern oder zu stoppen. Es liegt an Ihnen dafür zu sorgen, dass das für unseren Sozialstaat wichtige Prinzip der Daseinsvorsorge durch diese Reform nicht zunichte gemacht wird.
Auch für die nun eingetretene Lage hatte die FDP vor einigen Jahren schon einen Spruch parat: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“. Gelingt es den Ländern nicht, die Krankenhausreform auf soliden Boden zu lenken, sollte es der nächsten Bundesregierung überlassen sein, das wichtige Reformprojekt nochmals richtig anzugehen. Karl Lauterbachs Plan scheint jedoch eher zu sein, dass die neue Bundesregierung hinter ihm aufräumen muss. Solche Spielchen auf Kosten der Gesundheitsversorgung der Menschen und der großartigen Arbeit der Teams in den Kliniken sind unverantwortlich.