Level 1i

Bloß nicht zu viel Krankenhaus!

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Bloß nicht zu viel Krankenhaus!
Podiumsdebatte auf dem DRG | FORUM 2024 zum Thema "Gesundheitszentren/Level 1i", moderiert von Rebecca Beerheide (l.). © Regina Sablotny

Lückenschließer oder Resterampe? Am Level 1i scheiden sich noch immer die Geister. Für den Erfolg der Gesundheitszentren braucht es neben einer klaren Definition nicht zuletzt auch kommunikatives Geschick.

Mit der Krankenhausreform sollen sektorübergreifende Versorgungseinheiten, sogenannte „Level-1i-Kliniken“ entstehen, die die stationäre Krankenhausbehandlung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden und viele neue Möglichkeiten der sektorübergreifenden Versorgung bieten sollen. Befürworter sehen vor allem in der Sicherung der medizinischen Versorgung in strukturschwachen und ländlichen Regionen oder in der Entlastung von größeren Kliniken große Chancen. Nichts desto trotz wurden die Level-1-Kliniken auch schon als „Resterampe“ oder Abwrackmodell für überflüssige Kliniken bezeichnet. 

Auf dem DRG | FORUM im März waren sich Vertreter der Kliniken, Ärzteschaft, Kostenträger und Wissenschaft einig: Level-1i-Kliniken können eine Lücke schließen - vorausgesetzt, sie erhalten einen klaren Versorgungsauftrag, sind wirtschaftlich zu betreiben und werden auch positiv kommuniziert.

„Ich glaube, wir sind mit dem Entwurf auf dem richtigen Weg“, sagt FDP-Politiker und Bundestagsabgeordneter Andrew Ullmann mit Blick auf den vor kurzem vorgelegten Referentenentwurf für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG). In Deutschland würde noch immer zu sehr in den Sektoren stationär und ambulant gedacht werden. Das müsse durchbrochen werden. Eine Strukturreform mit einer sektorkooperierenden Versorgung (das sagt Ullmann lieber als sektorübergreifende Versorgung), die die Versorgung in den ländlichen Regionen verbessere und gleichzeitig Überversorgungskapazitäten abbaue, sei Ziel der Koalition und auch im Interesse der Bürger. 
 
Auch Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereiches „Gesundheit“ am RWI, hält aus Sicht der Regierungskommission Level-1-Kliniken zur Veränderung der Krankenhausstrukturen für nötig. „In der Regel möchte ich ein bisschen mehr zentralisieren, einen Regionalversorger in der Region haben und die Fläche andocken. Dabei möchte ich der Bevölkerung an den Standorten noch etwas bieten“, definiert Augurzky die Rahmenbedingungen. So würde es in den Zentren die exzellente Medizin mit Spezialisten geben und in den Regionen wohnortnahe medizinisch-pflegerische Versorgung in kleinen Einheiten, idealerweise mit Nachsorge. 

Das Gesetz eröffne im ersten Schritt viele Optionen und erleichtere es, in den verschiedenen Regionen Antworten auf die unterschiedlichen Probleme zu finden, meint Andreas Schmid, Manager der Oberender AG. „Ich würde es als Baustein begreifen, als Modulbaukasten und je nachdem, was ich erreichen will, was der Bedarf ist, kann ich mich daraus bedienen. Wir sind da noch nicht am Ende, es ist sicher an vielen Stellen noch nicht ausgereift“, so der Berater.

Einigkeit besteht auch darüber, dass sich durch die Reform in der Versorgung einiges verändern werde, was auch dringend nötig sei. „Im hausärztlichen, niedergelassenen Bereich haben wir einen hohen Altersdurchschnitt. Wenn wir demnächst zwei Hausärzte verlieren, werden wir vielleicht einen nachbekommen“, so Augurzky. „Bei der Reform geht es nicht um heute, sondern um die nächsten Jahre“, betont der Ökonom.

Auch die Krankenkassen sehen Potenzial in den regionalen Gesundheitszentren. „In der heutigen Ausgangslage haben wir eine Reihe von Patienten, die ambulant schwer zu führen sind, häufig ins Krankenhäuser kommen und längere Zeit bleiben, obwohl sie dort eigentlich nicht hingehören“, sagte Mathias Mohrmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender AOK Rheinland/Hamburg. Ähnlich argumentiert Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bunds. „Für solche Patienten, die keinen direkten stationären Versorgungsbedarf mehr haben, aber nicht alleine nach Hause können, für die ich keinen Kurzzeitpflegeplatz finde oder die vielleicht noch ein bisschen mehr brauchen als klassische Kurzzeitpflege, sind Level-1i-Einrichtungen sicher interessant“, glaubt sie. Diese meist älteren, morbiden Patienten brauchen eine qualifizierte Betreuung und Überwachung, die auch intervenieren kann, wenn sich der Gesundheitszustand verschlechtert, unterstützt Schmid.

Ullmann, selbst Arzt und früher am Krankenhaus tätig, wünscht sich eine Entlastung der Krankenhäuser. „Wir wissen, dass etwa ein Drittel der stationären Fälle ambulant sensitiv sind. Das heißt, sie könnten preiswerter und mindestens genauso gut, wenn gar nicht sogar besser ambulant behandelt werden.“ 

Doch es sei eine klare Definition der Level-1i-Einheiten nötig. Größe, Bettenzahl, ärztliche und pflegerische Ausstattung etc. müssten noch genau festgelegt werden. „Das sind entscheidende Ressourcenfragen. Wenn ich einen stationären Teil plane, kann eine 24/7-Besetzung mit Ärzten bei Level-1i mit 15 Betten nicht sinnvoll sein“, so Johna.

Auch Oberender-Manager Schmid warnt, nicht zu viel Krankenhaus in Level 1i zu packen. Dann kollabiere es wegen der Krankenhausstruktur ganz schnell wieder, sei teuer und nicht finanzierbar. Generell müsse auf die Wirtschaftlichkeit geachtet werden. Auch Mohrmann betont: Man müsse sehen, dass keine überbordenden Infrastrukturmaßnahmen erforderlich seien, die niemals durch die Vergütung gedeckt werden könnten. 

Allerdings: Wenn ein Level-1-Haus kein Krankenhaus ist, dürfe es auch nicht als Krankenhaus gelabelt werden, mahnt Johna. „Wenn der Fokus auf medizinisch-pflegerischer Leistung liegt, dann brauche ich den Begriff Krankenhaus nicht. Außerdem steht im SGB V ‚Krankenhaus heißt ärztliche und pflegerische Besetzung 24/7 und ärztliche Leitung‘. Solange das dasteht, gehe ich davon aus, dass alles, was Krankenhaus heißt, eine ärztliche Leitung hat. Das klarzustellen, ist für die Krankenhäuser sehr wichtig, um zu wissen, was sie haben müssen oder eben nicht“, stellt Johna klar.

Telemedizin nur im Notfall

Auch im Interesse der Qualität dürfe es nicht der Regelfall sein, dass Level-1i-Häuser alles machen und etwas Telemedizin dazu holen, warnt AOK-Vertreter Mohrmann. Dass es aber die Möglichkeit gebe, im Falle unerwarteter Komplikationen einen Experten hinzuzuziehen, das sei allemal sinnvoll, aber eben nicht mit dem Ziel, komplexe, schwierige Fälle an die Level-1i-Häuser zu kriegen.  

Telemedizinische Hilfestellung hält Johna dort für sinnvoll, wo es nur Beratungsbedarf gebe oder eine Verlegung von Patienten vermieden werden könne. „Wir dürfen nicht vergessen, dass die Einführung von Level-1i eine Struktur mehr ist, die unter Umständen mehr Verlegungen erfordern wird. Insofern kann uns da die Telemedizin helfen.“ 

Die Akzeptanz der niedergelassenen Vertragsärzteschaft sei für den Erfolg von Level-1-Kliniken unbedingt erforderlich, sonst könne es nicht funktionieren, ist Mohrmann überzeugt. Deswegen müsse man einen Weg finden, wie man gut miteinander arbeitet und auf Kollaboration setzen.

Auch die Kommunikation mit der Bevölkerung sei zentral, damit die Leute in der Stadt wie auf dem Lande verstehen, was die Reform bedeutet, so Ullmann. Die Reform müsse multidimensional gedacht werden. Neben der stationären Versorgung, auch die ambulante Versorgung entfesseln und letztlich die Notfallversorgung so zu reformieren, dass eine vernünftige Patientensteuerung stattfinden könne. Dabei mache es großen Sinn, dass eine Uniklinik koordinierend unterwegs ist, führt Ullmann aus. 

Der FDP-Politiker äußert den Wunsch, dass Länder und Selbstverwaltung sehr konstruktiv mit dieser Initiative umgehen, weil „wir dieses Gesetz im Sinne der Versorgung unserer Bürger dieses Landes gemeinsam über die Bühne bringen müssen“.

Hören Sie auch zum Thema:

Karl Lauterbachs Rede zur Krankenhausreform auf dem DRG | FORUM

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