Wenn Thilo Grüning auf das bestehende System der gesetzlichen Qualitätssicherung in Krankenhäusern blickt, fällt das Urteil ernüchternd aus: "Auf der einen Seite wird der hohe Aufwand durch ein Kontroll- und Bürokratie-Instrumentarium und durch die Überregulierung beklagt und auf der anderen Seite der geringe Nutzen", so Grüning beim DRG|Forum. Er leitet bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) den Geschäftsbereich „Qualität der Versorgung und Psychiatrie“. "Statt einer Qualitätskultur ist so eine Kultur der Suche nach Fehlern und drohender Sanktionen entstanden", so Grüning.
Beispiele für Mängel im System gibt es nach Ansicht der Referentinnen und Referenten beim DRG|Forum viele. Dazu zählt zum Beispiel die Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung. Die Verfahren zu der Richtlinie lieferten nur einen „sehr eingeschränkten Blick auf das Qualitätsgeschehen“, kritisierte Doris Kurscheid-Reich. Sie war lange Zeit Leiterin der Stabsstelle Qualitätsmanagement, klinisches Risikomanagement und Beschwerdemanagement des Städtischen Klinikums Solingen. Trotz all der dokumentierten Daten kämen nur sehr wenige auffällige Indikatoren heraus. Die Folge: "Die Ärzte, die eigentlich mit diesen Daten arbeiten sollten, haben das schon längst abgeschrieben", so Kurscheid-Reich. Sie würden ihre Pflichtaufgaben erfüllen. "Aber sie beschäftigen sich eigentlich sehr wenig mit diesen Ergebnissen."
Änderungen im kommenden Jahr
Es fehle unter anderem eine Risikoadjustierung und Present-on-Admission-Indikatoren, um die Ergebnisse tatsächlich beurteilen zu können. Immerhin hat das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen inzwischen einen Bericht dazu vorgelegt, wie die Richtlinie verbessert werden kann. Im kommenden Jahr sollen die Änderungen greifen.
Auch die MD-Qualitätskontrollrichtlinie bedeutet für die Klinikbeschäftigten einen „extrem hohen Aufwand“, so Kurscheid-Reich. Es wäre deshalb sinnvoll, wenn es künftig weniger Kontrollen gäbe und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes einen größeren Ermessensspielraum hätten. "Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen dürfen, wenn manche Dinge zwar richtig sind, aber sich nicht richtig darstellen lassen." Zudem sollten negative Konsequenzen nicht nur von einzelnen formellen Abweichungen abhängig gemacht werden, rät Kurscheid-Reich.
Für sie gibt es aber auch Positivbeispiele für Verfahren bei der Qualitätssicherung. Dazu gehören ihrer Ansicht nach beispielsweise Fachzertifizierungen. Zwar seien auch diese aufwendig, "aber das, was dabei rauskommt, hat einen viel größeren Nutzen für die Patientenversorgung", so die Qualitätsmanagerin. Es gebe evidenzbasierte Vorgaben, die Versorgung verbessere sich und es entstünden gute Argumentationshilfen für die Geschäftsführung, um zusätzliche Leistungen anzubieten.
Besonders hilfreich sind aus Sicht der Referenten Peer-Reviews. "Wenn man wirklich eine gute Ergebnisqualität herstellen will, kann man das nur mit Prozessverbesserungen", so Jan-Peter Braun, Anästhesist und Leiter des Fachausschusses Peer Review der Initiative Qualitätsmedizin. Durch die Peer Reviews gelinge der fachliche Austausch zwischen Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Kliniken. Wer eine Klinik besucht, kann Anregungen dazu liefern, was verbessert werden kann und sich auch selbst Impulse für Änderungen an der eigenen Klinik holen. Damit die Empfehlungen aus den Peer Reviews jedoch nicht nachher im Sande verlaufen, sei es wichtig, auch die Klinikleitung einzubinden, so Braun.
Unschärfen bei Mindestvorhaltezahlen
Bei den Sana Kliniken habe man die Peer Reviews als „sehr fruchtbares Instrument“ empfunden, weil sich die Kollegen untereinander ernstgenommen fühlten – und dann die Ergebnisse auch weiterverfolgt und Änderungen umgesetzt wurden, so Heidemarie Haeske-Seeberg. Sie leitete lange Zeit den Bereich Qualitätsmanagement und klinisches Risikomanagement bei dem Klinikkonzern. Ihrer Einschätzung nach sind Peer Reviews das Qualitätsmanagementinstrument, das mit Blick auf die Medizin „die größten Wirkungen entfaltet hat“.
Mit dem sogenannten Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz stehen nun auch Änderungen mit Blick auf die Qualitätssicherung an. Im Gesetzentwurf sind sogenannte Mindestvorhaltezahlen vorgesehen: Krankenhausstandorte müssen demnach eine bestimmte Zahl an Behandlungsfällen vorweisen, um für eine Leistungsgruppe eine Vorhaltevergütung zu erhalten. Problematisch sei dabei, dass für die Mindestmengen keine Evidenz gefordert werde, kritisierte Haeske-Seeberg. Auch unbestimmte Rechtsbegriffe zu den Mindestvorhaltezahlen wie der „ständig verfügbare Facharztstandard“ würden Fragen aufwerfen. Soll dies bedeuten, dass nun ein Facharzt jeden Tag rund um die Uhr in der Klinik sein müsse? Dann wären künftig Hintergrunddienste von Fachärzten nicht mehr möglich, sagte die Vorsitzende der Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung (GQMG).
Die Krankenhausstrukturreform biete aber auch die Chance für einen „Paradigmenwechsel“, so Thilo Grüning, auf eine „grundlegende Neugestaltung und Neuausrichtung der gesetzlichen Qualitätssicherung“. Die DKG hat kürzlich einen Vorschlag für ein neues System der Qualitätssicherung vorgelegt. Das neue System soll die Mindeststrukturvoraussetzungen für die Leistungsgruppen ergänzen. "Wichtigster Grundsatz des neuen Systems ist die strikte Trennung zwischen Krankenhausplanung auf der einen Seite und dem neuen System der Qualitätssicherung und Verbesserung auf der anderen Seite", so Grüning.
Qualitätssicherung ohne den G-BA
Der DKG-Vorschlag sieht vor, die gesetzlichen Aufgaben zur Qualitätssicherung aus dem G-BA herauszulösen. Stattdessen soll es einen gemeinsamen von Bund und Ländern verantworteten Abstimmungsprozess geben, durch den das System der Qualitätssicherung weiterentwickelt wird. Ein Qualitätsinstitut soll dabei die wissenschaftlich-fachliche Zuarbeit liefern, die Akteure der gemeinsamen Selbstverwaltung sollen am Prozess beteiligt sein. Das Qualitätsinstitut erarbeitet dabei Vorschläge, das Bundesgesundheitsministerium (BMG) soll dann mit einem Ausschuss auf Basis dieser Vorschläge Empfehlungen erarbeiten. Zum Ausschuss gehören Vertreter des GKV-Spitzenverbandes und der DKG, weitere Akteure sind beteiligt. Das BMG soll dann mit Zustimmung des Bundesrates die Empfehlungen festlegen.
Die Länder sind im nächsten Schritt für das Verfahren zur Qualitätsbeurteilung und -verbesserung verantwortlich und beauftragen dazu unabhängige und neutrale Stellen. "Ziel ist ausschließlich die Analyse und Beseitigung der Ursachen von Qualitätsdefiziten, also die Verbesserung, nicht die Sanktionierung", so Grüning.