Die Regierungskommission von Karl Lauterbach (SPD) spricht in ihrer fünften Stellungnahme von jährlich bis zu 5.000 vermeidbaren Todesfällen, wenn Patienten zur Schlaganfallbehandlung unmittelbar auf einer Stroke Unit aufgenommen worden wären. Der Verband leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte Deutschlands (VLK) hält diese Zahl für aus der Luft gegriffen. Die Analyse an Fällen aus dem Jahre 2021 basiere offensichtlich auf Routinedaten in Form von rohen Sterbedaten ohne Risikoadjustierung. „Routinedaten ergeben bei Auffälligkeit lediglich Hinweise auf mögliche Qualitätsmängel. Diese müssen aber weiter verifiziert werden, ob sie wirklichen Mängeln entsprechen oder diese durch ungenügende Risikoadjustierung lediglich vorgetäuscht werden. So ist aus Routinedaten auch nicht erkennbar, ob Patienten aus kleineren Kliniken wegen einer Multimorbidität oder Palliativsituation aus wichtigem Grund nicht in eine Stroke Unit verlegt wurden, oder da sie für eine sinnvolle revaskularisierende Therapie viel zu spät zur Aufnahme kamen“, schreibt der VLK. Auch eine Ablehnung der Übernahme werde nicht erfasst. „Das verfälscht Ergebnisse zu Ungunsten der Einrichtungen ohne Stroke Unit. Routinedaten zeigen dann zwar eine erhöhte Sterblichkeit an, Behandlungsfehler sind aber nicht die Ursache“, moniert VLK-Chef Michael M. Weber.
Nach den Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Schlaganfallregister kann man davon ausgehen, dass bereits über 90 Prozent der akuten Schlaganfälle auf Stroke Units behandelt werden, in Hessen sind es nach Aussage der Landesarbeitsgemeinschaft Qualitätssicherung sogar 95 Prozent. „Die Regierungskommission verschärfte für ihre Auswertung aber die Kriterien für eine Stroke Unit, so dass sich in der Analyse lediglich eine Rate von 76,8 Prozent ergab. Das Alles stellt die wissenschaftliche Grundlage dieser Aussagen erheblich in Frage und lässt ein erhebliches Bias vermuten“, unterstreicht Weber. Grundsätzlich seien aus Routinedaten so weitreichende Schlussfolgerungen ohne weitere Überprüfungen nicht möglich. „Der Kommissionsbericht muss hier korrigiert, an sich das ganze Thema Schlaganfallbehandlung entfernt werden. Die Aussagen sind reine Stimmungsmache, welche die wichtige Diskussion über zukünftige Krankenhausstrukturen vergiftet“, so Weber.
In der Klinikbranche wächst die Kritik an der Stellungnahme, die das Krankenhaussystem Deutschlands offensiv in Frage stellt. Bereits die Deutsche Krankenhausgesellschaft hatte deutliche Kritik formuliert.