Orientierungswert

Das ganze Räderwerk verstehen

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Bernadette Rümmelin
Bernadette Rümmelin © Kath. Krankenhausverband/Kirsten Breustedt

Der Bund will die Kassen entlasten – auf Kosten der Krankenhäuser. 1,8 Milliarden Euro sollen ihnen entzogen werden, mitten im Reformprozess. Bernadette Rümmelin kritisiert das politische Taktieren scharf: Statt Planungssicherheit und Strukturreform gibt es Flickwerk, Bürokratie und finanzielle Destabilisierung. Besonders freigemeinnützige Kliniken geraten unter Druck.

Das Regulierungschaos im Gesundheitssystem hat seit letzter Woche eine neue Dimension erreicht. Während die Krankenhausreform noch immer nicht praxistauglich ist, dreht die Politik weiter an einzelnen Stellschrauben, ohne das ganze Räderwerk zu verstehen. Das Krankenhausreform-Anpassungsgesetz (KHAG), das den Ländern eigentlich mehr Spielraum für die regionale Versorgungsplanung geben sollte, steckt derweil im gleichen Getriebe fest wie die fehlenden Rechtsverordnungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Hinzu kommt, dass die Bundesregierung sparen muss, um die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu entlasten. Das sollen nun im Wesentlichen die Krankenhäuser durch Einnahmekürzungen schultern, obwohl sie ohnehin strukturell chronisch unterfinanziert sind. 

Krankenhäuser verlieren dauerhaft finanzielle Stabilität. 

Den Krankenhäusern sollen 1,8 Milliarden Euro entzogen werden, indem die sogenannte Meistbegünstigungsklausel, um die erst in der letzten Legislatur so schwer gerungen wurde, ausgesetzt wird. Was wie ein technisches Detail klingt, trifft die Kliniken in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und mitten im Reformprozess mit voller Wucht. Und mehr noch: Was nach einer nur kurzfristigen Sparmaßnahme klingt, hat durch die basiswirksame Absenkung der Landesbasisfallwerte dauerhaft schwerwiegende Folgen. 

Rechnet man dies beispielhaft für ein größeres Krankenhaus in Rheinland-Pfalz mit rund 33.000 Bewertungsrelationen durch, bedeutet dies im nächsten Jahr Erlöseinbußen von rund 3,3 Millionen Euro. Diese werden in der politischen Diskussion nun eng verknüpft mit den 4 Milliarden Euro Sofort-Transformationskosten, die die Kliniken als Ausgleich der gestiegenen Betriebskosten aus den Jahren 2022 und 2023 erhalten sollen. Aber diese Aufrechnung hinkt gewaltig, denn für das Haus wäre der positive Effekt des einmaligen Rechnungszuschlags von 3,25 Prozent auf die Krankenhausabrechnungen in Höhe von rund 5,5 Millionen Euro in weniger als zwei Jahren vollständig ausgezehrt.

Dies zeigt deutlich, dass der dringend notwendige, positive Einnahmen-Effekt aus dieser Einmalzahlung durch die dauerhafte und basiswirksame Absenkung der Landesbasisfallwerte verpufft. Die Folge: die strukturelle Unterfinanzierung der Kliniken setzt sich 2027 auf dem heutigen Niveau einfach weiter fort und die Krankenhäuser verlieren dauerhaft finanzielle Stabilität. 

Was wie ein technisches Detail klingt, trifft die Kliniken in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und mitten im Reformprozess mit voller Wucht.

Dieses Taktieren ohne Gespür für mögliche Folgen trifft gerade freigemeinnützige Krankenhäuser besonders hart. Sie verbinden Wirtschaftlichkeit und Gemeinnützigkeit in besonderer Weise. Doch dafür brauchen sie Planungssicherheit und eine vorausschauende, verlässliche Politik. Anders als bei öffentlichen Häusern gleichen ihre Defizite nicht regelhaft Städte, Gemeinden und Landkreise aus, wobei die Kommunen diese Last für ihre Häuser ebenfalls kaum noch stemmen können.

Immer mehr Einsparungen treffen auf immer mehr Bürokratie – eine Kombination, die das Personal zermürbt und am Ende zu Lasten der Patient:innen geht. Wenn Pflegekräfte und Ärzt:innen im Klinikalltag mehr Zeit vor Bildschirmen verbringen als mit den hilfsbedürftigen Menschen, wenn Dokumentation wichtiger ist als Zuwendung, dann verlieren alle.

Die Menschen erwarten von der Politik, dass sie das Gesundheitswesen modern und zukunftsfest aufstellt. Dafür ist ein Plan mit klarem Zielbild notwendig statt Flickschusterei, die vor Ort Notaufnahmen, Pflegeabteilungen und psychiatrischen Einrichtungen auffangen müssen. Anstatt die Verantwortung auf die Kliniken und ihre Mitarbeitenden abzuwälzen, erwarten Krankenhäuser von der Politik, dass sie vorausschauend agiert und praxistaugliche Rahmenbedingungen schafft. Mit dem jetzigen Modus, in dem weiterhin einfach auf den kalten Strukturwandel gesetzt wird, um die Zahl der Kliniken auf eine statistische Zahl zurecht zu schrumpfen, tut sie dies nicht.

Endlich Zeit für weniger Bürokratie

Die Bundestagsabgeordneten dürfen den von Gesundheitsministerin Nina Warken plötzlich aus dem Hut gezauberten Einsparvorschlag nicht Gesetz werden lassen. Außerdem gilt es, die Krankenhausreform so anzupassen, dass sie eine regionale Versorgungsplanung und eine solide Finanzierung auf Basis der realen Kosten zulässt.

Und es ist nun endlich Zeit, bei der angekündigten Entbürokratisierung Taten folgen zu lassen – lange Listen überflüssiger Bürokratie liegen auf dem Tisch. Macht die Bundesregierung beim Bürokratieabbau im Krankenhaus ernst, führt das im Übrigen zu nachhaltigen Einsparungen. Und es gibt den Klinikteams mehr Zeit, sich auf die Behandlung der Patient:innen zu konzentrieren.  

Autor

 Bernadette Rümmelin

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