Wenn es um das Gesundheitssystem geht, sind Mythen nicht weit. So etwa die Vorstellung, der Patient stünde immer im Zentrum aller Aktivitäten oder die ambulante Medizin würde weit überwiegend von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten erbracht. Oder für letztere sei die Ethik und für Ökonomen die Monetik das Maß aller Dinge. Die öffentlichen Debatten orientieren sich dann schnell an diesen Zerrbildern. Ganz aktuell ist mal wieder die Kontroverse entbrannt, ob Gesellschafter von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) auch Kapitalgesellschaften sein dürfen. Land auf Land ab mehren sich die Stimmen, nur Ärzte dürften sich auf diesem Feld unternehmerisch tummeln. Unterstellt wird dabei offenbar, nur sie handelten quasi naturgemäß im Interesse der Patienten. Investoren seien hingegen raffgierige Zeitgenossen, die es energisch zu stoppen gelte.
Nüchtern betrachtet, steckt unsere Gesellschaft in einem grundlegenden Wandel, der auch vor den Akteurinnen und Akteuren der Gesundheitswirtschaft nicht halt macht. So ist die Zahl der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte fast überall stark rückläufig. Genau umgekehrt ist der Trend bei allen angestellten Medizinerinnen und Medizinern sowohl in Praxen als auch in MVZ. Hintergrund ist hierbei sicherlich auch, dass erstmals im Laufe des letzten Jahres mehr Frauen als Männer in der ambulanten medizinischen Versorgung tätig waren. Angestellte brauchen, wie in jeder anderen Branche auch, erfolgreiche Betriebe, in denen sie auf einem zukunftssicheren Arbeitsplatz tätig sein können. Ambulante Medizinbetriebe im Gesundheitssektor stehen bereits heute und erst recht zukünftig vor großen Herausforderungen. Viele davon sind mit erheblichen Investitionen verbunden. Digitale Technik und moderne diagnostische und therapeutische Methoden erfordern den risikobereiten Einsatz von Kapital. Deshalb ist es unverantwortlich, private Investitionsbereitschaft mit ideologischen Vorbehalten abzuschrecken.
Richtig ist vielmehr, das Patienteninteresse tatsächlich zum Maßstab für die Zulassung zur medizinischen Leistungserbringung zu machen. Ideologie muss endlich durch Empirie ersetzt werden. Mit Unterstellungen und Verdächtigungen zu agieren, ist nicht zielführend. Es muss darum gehen, Qualität in der ambulanten Versorgung von allen Beteiligten zu fordern und deren Einhaltung zu kontrollieren. Auf einem Auge blind zu sein, ist nicht angängig. Deshalb ist höchste Transparenz dringend erforderlich. Patientinnen und Patienten, die sich informieren wollen, gibt es immer mehr. Sie müssen in die Lage versetzt werden, Vergleiche anstellen zu können, völlig unabhängig von der Gesellschafterstruktur eines ambulanten Angebotes. Zudem muss der Staat immer wieder prüfen, ob die Leistungsvergütung Fehlanreize bei den Geldgebern auslöst. Das weitgehend solidarisch finanzierte Gesundheitssystem hat nichts zu verschenken, aber es muss viel leisten. Das gilt in der Zukunft insbesondere für die regionalen ambulanten Medizinangebote. Für die lustvolle Pflege von Mythen ist kein Platz.