Passender konnte der Termin kaum liegen, als am Dienstag bei Außentemperaturen jenseits der 30 Grad die Klimaschutz-Studie von DKI und DKG vorgestellt wurde. "Ich glaube wir sind alle maximal sensibilisiert, nicht nur durch die Temperaturen, sondern auch durch die aktuellen Ereignisse", sagte DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß. Der Klimawandel sei in vollem Gange, letzlich auch in den Krankenhäusern. "Das ist eine Tatsache, die sich nicht mehr wegdiskutieren lässt", so Gaß. Im Gesundheitswesen und den Krankenhäusern müsste man sich auf hohe Temperaturen und außerordentliche Ereignisse, die damit einhergehen, einstellen. So jährte sich vor kurzem beispielsweise die Flutkatastrophe im Westen - auch ein Zeichen des Klimawandels. Beim Klimaschutz gehe es auch um Schutz für Patienten und Mitarbeitende in den Einrichtungen. Zudem geht es auch darum, was die Krankenhäuser noch an Beitrag leisten könnten, um den Klimawandel durch CO2-Reduktion abzuschwächen.
Vor allem die Energieversorgung und Gaskrise bereitet vielen Entscheidern in den Kliniken Sorgen. Bereits Mitte Juli mahnte die DKG, dass die Krankenhäuser von einem Gasnotstand massiv betroffen wären, nicht nur primär, sondern auch durch Zuliefererbetriebe wie Wäschereien, die auf Gas als Primärenergie setzen. Insgesamt nutzen 92 Prozent der Krankenhäuser Erdgas zur Wärmeversorgung, der durchschnittliche Gasverbrauch eines Krankenhauses liegt bei rund 4,9 Millionen Kubikmetern pro Jahr, was dem Jahresverbrauch von 2.939 Einfamilienhäusern entspricht. Damit schlagen durchschnittliche Bezugskosten von 345.000 Euro pro Krankenhaus und Jahr zu Buche, wie aus dem Gutachten hervorgeht. Allerdings stammen die Daten aus dem Jahr 2019, die Vervielfachung der Preise ist da noch nicht eingerechnet. Großkrankenhäuser mit mehr als 600 Betten haben einen Gasverbrauch von rund 16,9 Millionen Kubikmetern (jährliche Kosten 797.000 Euro). Hochgerechnet auf die Grundgesamtheit aller deutschen Allgemeinkrankenhäuser ab 50 Betten kommt so ein Gasverbrauch von rund 5,8 Milliarden Kubikmetern (406 Millionen Euro) zusammen. "Die Krankenhäuser sind nicht in der Lage, ihre gestiegenen Preise irgendwie an Endkunden weiterzugeben, sondern sind auf staatlich festgelegte Preise fixiert", sagt Gaß.
Eine Reduktion des Gasverbrauchs ist für die meisten Häuser schwierig. 61 Prozent gaben an, dass kurzfristig keine Reduktion möglich sei, denn man könne bei einem Krankenhaus bei Volllast nicht beliebig die Temperatur runterregulieren. Immerhin 28 Prozent gaben eine Reduktion von unter zehn Prozent an, mehr ist nur bei den wenigsten Häusern möglich. Sollte es nun zu einem massiven Gasnotstand kommen, sei die Versorgung der Häuser grundsätzlich gesichert, da sie Priorität haben. Problematisch seien die Zulieferer, betonte Gaß erneut. "Die Verkettung der Industrie und ssozialen Infrastruktur ist enorm, das wird ein Thema sein, das uns die kommenden Wochen und Monate bewegen wird. Dann werden die Bundesländer gemeinsam mit den Krankenhäusern Notfallpläne erstellen müssen", mahnte Gaß.
Was den Klimaschutz betrifft, sehen 71 Prozent der befragten Häuser die Notwendigkeit und gaben an, dass er in die Anpassungsstrategie zum Klimawandel einfließe. 38 Prozent der Häuser hätten Leitlinien und Zielvorgaben zur Energieeinsparung und Nachhaltigkeit etabliert. 63 Prozent der Häuser sehen Verbesserungsmöglichkeiten bei der Energie- und Stromversorgung. Bei der Wärmeversorgung sieht jedes zweite Krankenhaus Handlungsbedarf, etwa bei den technischen Anlagen, der Wärmerückgewinnung und dem Primärenergiemix.
Sieben Handlungsfelder
In dem Gutachten wurde unter anderem das energieffiziente Verhalten der Häuser abgefragt. Mehr als 90 Prozent hatten (ganz oder teilweise) Konzepte für Mülltrennung/-vermeidung, 88 Prozent für Stromverbrauch/Beleuchtung (unter anderem das Ausschalten von nichtgenutzten Geräten), 83 Prozent für den Bereich Wärme/Heizung (zum Beispiel Anleitung zum korrekten Lüften, Ausschalten der Heizung in ungenutzten Räumen). Für das Gutachten hat das DKI zudem sieben Handlungsfelder festgelegt, in denen die Häuser aktiv werden können:
- Energiemanagement, Nutzerverhalten und Klimafolgeanpassungen (zum Beispiel Vorhalten eines Klimaschutzbeauftragten, Leitlinien/Zielformulierungen, Reduktion tierisscher Produkte in der Cafeteria, Verschattung, Dach-/Fassadenbegrünung)
- Bereichsübergreifende Maßnahmen (Verzicht/Reduktion von Desfluran als Narkosegas, Einsatz von Narkosegasauffangsystemen, JobRad, Angebot von E-Autos als Firmenwagen, etc.)
- Abfallmanagement (Reduzierung Verpackungsmüll, Produkte aus Recyclingmaterial, Entfernung von to-go-Produkten, Reduzierung von Lebensmittelabfällen usw.)
- Kälte (Geothermische/Solarthermische Kühlung, Optimierung der Anlagentechnik, Einsatz von Kältemittel mit null-CO2-Emissionen etc.)
- Wasser (Installation Spararmaturen, Wasserversorgungssystem auf Leckagen prüfen und unnötige Wasserströme abstellen, Regenwassernutzungsanlage/-speicher zur Aufbereitung als Betriebswasser etc.)
- Wärme (Substitution fossiler Energieträger, Optimierung technischer Anlagen und bauliche Anpassungen, Wärmerückgewinnung aus Dampf/Abwasser etc.)
- Energie und Strom (beispielsweise Strombezugsquellen, energiesparende Lichtkonzepte, Präsenzmelder
Zweistelliger Milliardenbeitrag
Doch der Klimaschutz kostet Geld - so bezifferte Gesundheitsökonom Boris Augurzky im März allein für Nordrhein-Westfalen einen Bedarf von mehr als sieben Milliarden Euro. Bundesweit geht das Gutachten von DKG und DKI von einem Betrag in "zweistelliger Milliardenhöhe" aus. Konkret beziffern lässt sich das nicht: "Grenzen der exakten Quantifizierung des erforderlichen Investitionsvolumens sind zum einen in der unzureichenden Datenlage begründet. Es liegen flächendeckend keine ausreichenden Daten dazu vor, welche konkreten Investitionen in den Krankenhäusern erforderlich sind, welche Kosten damit verbunden sind und wie diese Investitionen ggf zu priorisieren sind. Zum anderen ist die Priorisierung von Investitionen in die energetische Sanierung von Krankenhäusern nicht nur eine unternehmerische, sondern zunächst und in erster Linie eine politische Entscheidung", heißt es in dem Gutachten. Der Finanzierungsbedarf könne jedoch nicht über die bisherige Investitionsförderung nach dem KHG gedeckt werden. Vorgeschlagen wird im Gutachten daher ein "Krankenhaus-Klimaschutzfonds" - ähnlich wie der Krankenhauszukunftsfonds - das heißt eine Mischfinanzierung über Bund und Länder für ausgewählte Fördertatbestände wie Abfallmanagement, Energie und Strom, Kälte, Wärme etc."Der Investitionsbedarf ist hoch und dringlich", fasst Anna Levsen, Senior Research Managerin Deutsches Krankenhausinstitut, zusammen und mahnt zur Dringlichkeit: "Der Klimaschutz im Krankenhaus duldet keinen Aufschub. Wir müssen sofort ins Handeln kommen."
Die Klimaneutralität sei ein großes Thema, das sich nicht von heute auf morgen umsetzen ließe, eine gute Perspektive sei aber Klimaneutralität bis 2045. Festlegen möchte sich Levsen jedoch nicht, dass es von der Höhe der Investitionsgelder abhängt. Zudem müsse man die zahlreichen Regularien berücksichtigen, bemerkt Gaß und verweist auf Ausschreibungen, Kostenschätzungen und Alternative Szenarien, die durchdacht werden müssen, damit die eingesetzten Mittel effizient und ordnungsgemäß verwendet werden. Das Projekt brauche Vorlauf zur Realisierung. "Wir erwarten von der Politik sehr schnelle Ankündigungen und erste Schritte, damit wir als Krankenhäuser uns mit Investitionsprojekten auf den Weg machen können", sagt Gaß. Das Gutachten soll im Herbst bei der Gesundheitsministerkonferenz vorgestellt werden und auf dieser Basis beraten wird. "Wir erwarten im Anschluss, dass das Thema mit hoher Priorität im BMG besprochen wird und wir dann idealerweise Anfang kommenden Jahres Entscheidungen der Politik bekommen", so Gaß weiter. "Tut die Politik nichts, muss sie sich vorwerfen lassen, dass sie das Thema liegen lässt. Die deutschen Krankenhäuser haben gesetzlich verbrieften Anspruch auf die Investitionsmittel, das ist keine nice-to-have-Veranstaltung der Politik".
Ein erstes Signal zur Unterstützung sendeten bereits Armin Grau und Johannes Wagner (Die Grünen), Mitglieder im Gesundheitsausschuss: "Klimaschutz ist daher ein elementar wichtiges Thema für den Gesundheitssektor. Darüber hinaus verdeutlicht der derzeitige extreme Preisanstieg der Energiekosten die Bedeutung von Energieeffizienz in deutschen Krankenhäusern. Wir wollen den Ausbau von Klimaschutzmaßnahmen und Energieeffizienz in den Krankenhäusern unterstützen und sie so nachhaltiger machen. Die Verknüpfung von Gesundheit und Klimaschutz ist ein wichtiger Motor für die Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit", heißt es in einer Mitteilung. Druck macht auch Parteikollegin Paula Piechotta, Grünen-Haushaltspolitikern im Bundestag: "Spätestens jetzt, da die Kliniken gestiegene Energiekosten, Digitalisierung, bessere Tarifverträge und die Anpassung der Krankenhäuser an die Klimakrise finanzieren müssen, können sie nicht länger ihre Investitionen aus den laufenden Kosten querfinanzieren."