Orientierungswert

Krankenhausfinanzierung auf Abwegen

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Krankenhausfinanzierung auf Abwegen
Heinz Lohmann © Falk von Traubenberg

Das propagandistische Trommelfeuer der vergangenen Jahre zeigt deutliche Wirkung. Die Lobbyisten der Anti-DRG-Front haben ganze Arbeit geleistet. Die Politik scheint zur Rolle rückwärts in die sechziger, siebziger und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bereit. Die leistungsbezogene Finanzierung steht auf der Abschussliste. Künftig sollen wieder die Institutionen alimentiert werden.

Dabei hat sich dieses Finanzierungsmodell schon damals als völlig ungeeignet erwiesen. Die Bundesrepublik hatte die längsten Verweildauern weit und breit. Viele Patientinnen und Patienten haben auf Wartelisten gelitten. Die Kosten für genau gleiche Behandlungen schwankten von Krankenhaus zu Krankenhaus gewaltig. Da das Budget nicht durch gute Leistung gesteigert werden konnte, waren wirtschaftliche Erfolge in den Kliniken nur durch striktes Sparen bei den Ausgaben möglich. Trotz alledem stiegen die Kosten für das Gesundheitssystem insgesamt Jahr für Jahr dramatisch. In der Folge musste die Politik ab Ende der 1970er-Jahre mit einer nicht abreißen wollenden Folge von Kostendämpfungsgesetzen reagieren. Das war äußerst unpopulär. Deshalb hießen diese ab Ende der 1980er-Jahre dann Reformgesetze, ohne die inhaltliche Ausrichtung zu verändern. 
 
Patientinnen und Patienten waren vor Einführung der DRGs vor allem Kostenfaktoren. Die institutionelle Finanzierung bot keinerlei Anreiz, sich um diese besonders zu bemühen. Die Stärkung ihrer Rolle war ein wichtiges Motiv bei der Einführung der leistungsbezogenen Entgelte. Die griffige Formel damals lautete: das Geld muss der Leistung folgen. Auswahlentscheidungen von Patientinnen und Patienten sollten sich auf den Erfolg von Kliniken auswirken. Davon ist heute keine Rede mehr. Krankenhäuser werden in der aktuellen Debatte häufig mit Feuerwehren verglichen. Damit wird vor allem die geplante Vorhaltepauschale begründet, die gemeinsam mit dem Pflegebudget bis zu 70 Prozent (!) der Gesamtvergütung von Kliniken ausmachen soll. Das ist total daneben. Bei Feuerwehren sind Auswahlmöglichkeiten Unfug, bei der Medizin dringend geboten. Alles andere wäre Staatsmedizin. Davon ist mit Blick auf historische und aktuelle Erfahrungen mit solchen Systemen dringend abzuraten. 
 
Patientinnen und Patienten wollen mehr als früher bei sie betreffenden Behandlungsentscheidungen mitwirken. Dank Internet verschiebt sich die tradierte Wissensasymmetrie, langsam zwar, aber doch zu ihren Gunsten. Zudem löst jetzt die anspruchsvollere Generation der Wirtschaftswunderkinder die genügsame Kriegs- und Nachkriegsgeneration als größte, weil ältere Patientengruppe ab. Ausgerechnet in einer solchen Situation, die Position der Patientinnen und Patienten dadurch zu schmälern, ihre Auswahlentscheidungen im Finanzierungssystem zu ignorieren, zeugt nicht von politischer Klugheit.

Richtig wäre es, das leistungsbezogene Entgelt über den Diagnosebezug hinaus weiterzuentwickeln. Das Patientenwohl sollte darin zum bestimmenden Maßstab werden. Patient Reported Outcomes und Evidenz der Medizin sind hierbei wichtige Stichworte. Und gegen ein ungezügeltes Mengenwachstum könnte bei den einschlägigen Diagnosen eine verbindliche Zweitmeinung stabilisierend wirken. Zielführend wäre es auch, patientennahe Investitionen in die Entgelte zu integrieren, um die leidige „Grauzone“ zu legalisieren. Weil die Menschen die wachsenden Möglichkeiten, sich auch ambulant versorgen lassen zu können, durchaus schätzen, sollten die Sektorengrenzen durch Harmonisierung der Finanzierungssysteme endlich überwunden werden. Revolutionen, das lehrt die Geschichte, sind oft im Chaos geendet. Noch ist es nicht zu spät sich bei der Krankenhausfinanzierung evolutionär vorwärts zu bewegen. Zu empfehlen ist es allemal.

Autor

Prof. Heinz Lohmann

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