Orientierungswert

Machen statt Mosern  

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Machen statt Mosern  
Jochen Werner © privat

Im Januar 2024 ist gefühlt kaum ein Tag ohne Streik vergangen: Erst die Lokführer, dann die Ärztinnen und Ärzte an den Universitätskliniken und jetzt legen auch die Sicherheitskräfte an den Flughäfen ihre Arbeit nieder. Apotheker und Hausärzte waren zum Jahreswechsel im Ausstand, und auf Handwerker muss man auch ohne Streik wochenlang warten. Was funktioniert noch in diesem Land, fragen sich viele, und in diese Gemütslage passt der aktuelle Brandbrief der deutschen Arbeitgeber- und Industrieverbände an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), in welchem die besorgniserregende Situation der deutschen Wirtschaft beschrieben und durchgreifende Reformen angemahnt werden.

Aus der Sackgasse mit der Krankenhausreform

Die Gesundheitspolitik war lange Zeit das Paradebeispiel für Stillstand und stetigen Niedergang. Das von Partikularinteressen bestimmte Gesundheitssystem – wiewohl tatsächlich kein geöltes Uhrwerk, sondern eher ein Nebeneinander unterschiedlicher Leistungserbringer mit erheblichen Reibungsverlusten  – galt als Blaupause struktureller Reformunfähigkeit. Jetzt gibt es erste zarte, aber dennoch substanzielle Hoffnungsschimmer, dass die Gesundheitspolitik den Weg aus der Sackgasse findet. Beispiel Krankenhausreform: In vielen Bundesländern – allen voran Nordrhein-Westfalen – wird an zukunftsfähigen Strukturen für das Krankenhauswesen gearbeitet, mit jeder Menge Ideen und Impulsen, die sicherlich auch in Berlin aufgegriffen werden, wo am 24. April die Klinikreform verabschiedet werden soll. Vorgeschaltet ist der Online-Atlas für Patienten als Teil des Transparenzgesetzes, dass schon in wenigen Wochen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat beraten und am 22. März beschlossen werden soll.

Man reibt sich verwundert die Augen, aber ich registriere derzeit eine völlig ungewohnte thematische und zeitliche Dynamik. Dazu passt das Ergebnis einer aktuellen Umfrage, nach der ein großer Teil der Bevölkerung bereit ist, für eine spezialisierte Behandlung weitere Wege in Kauf zu nehmen. Auch wenn der Auftraggeber das Bundesgesundheitsministerium ist, deckt sich das Ergebnis mit meinen Erfahrungen als Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen: Die Menschen wollen optimal behandelt werden und dies bedeutet bei komplexen Krankheitsbildern eben auch eine längere Anreise – und eine sehr sorgfältige Auswahl des Dienstleisters.

Digitalisierung: E-Rezepte & KI

Bewegung ist auch in Sachen Digitalisierung zu erkennen, unabdingbar für eine zukunftsfeste Gesundheitsversorgung. Mit dem Durchbruch beim E-Rezept und der Verabschiedung des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes sowie dem aktuellen Zeitplan bei der elektronischen Patientenakte werden die Grundlagen für eine funktionsfähige Digital-Plattform geschaffen – und damit auch der sinnvollen Nutzung unserer größten Leistungsreserve, der Künstlichen Intelligenz (KI). KI wird nicht nur Diagnose und Therapie auf ein neues Niveau heben und die Patientensicherheit signifikant steigern. Sie wird – und das ist angesichts der Finanzierungsproblematik und des Personalmangels vielleicht sogar die wichtigste Perspektive – für eine Effizienzsteigerung und Beschleunigung administrativer Prozesse führen: vom Arztbrief bis zum Patientenmanagement, von der Artpraxis über die Krankenhäuser bis hin zur besseren Verzahnung aller Leistungserbringer.

Es gibt also Grund zum Optimismus, es ist jetzt die Zeit des Handelns statt des Wehklagens. Und es ist auch Zeit für ein wenig Zuversicht und Gestaltungswille. Das heißt keineswegs, dass der Weg leicht oder kurz wäre. Im Gegenteil, wir sprechen bei der Reform des Gesundheitssystems von einer echten Herkulesaufgabe. Noch immer fehlt eine sektorenübergreifende Zukunftsagenda, ist die für die Leistungserbringer auskömmliche und für Patienten erträgliche dauerhafte Finanzierung von Gesundheit ungelöst, gibt es von überfüllten Notaufnahmen und überlasteten Kinderkliniken bis hin zum Medikamentenmangel herausfordernde Aufgaben. 

Aber die Gesundheitspolitik hat trotz aller Unvollkommenheiten endlich in den Aktionsmodus geschaltet. Es kommt jetzt darauf an, nicht auf den Defiziten herumzureiten, sondern die guten und sinnvolle Dinge pragmatisch voranzutreiben. Eine Eigenschaft, bei der wir in Deutschland einmal stark waren und dringend wieder gut werden müssen.

Autor

Prof. Dr. Jochen A. Werner

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