Das heftig umstrittene Krankenhaustransparenzgesetz ist quasi ohne Änderung vom Vermittlungsausschuss bestätigt worden. Die Bestätigung durch den Bundesrat gilt als Formsache. In der hitzigen Debatte der zurückliegenden Wochen standen vor allem zwei Themen im Mittelpunkt: Die Erhöhung der Landesbasisfallwerte und der Eingriff des Bundes in die Krankenhausplanung. In beiden Punkten hat Bundesminister Karl Lauterbach kein konkretes Entgegenkommen gezeigt. Bei der Erhöhung der Landesbasisfallwerte will er den Ländern entgegenkommen, aber eine rückwirkende Erhöhung schließt er aus.
Stattdessen verspricht der Bundesminister den Kliniken einen Transformationsfonds, der mit 25 Milliarden Euro Bundesgeld (aus dem Gesundheitsfonds, also von den Krankenkassen) bestückt ist. Abgerufen werden kann er – wie der Strukturfonds – nur, wenn die Länder paritätisch mitfinanzieren. Abgesprochen scheint diese Volte von Lauterbach nur mit den A-Ländern, also den SPD- geführte Bundesländern. Damit zeichnet sich auch die Strategie für die Umsetzung der Krankenhausfinanzierungsreform ab. Lauterbach hat offenbar einen fertigen Referentenentwurf und plant die Reform – anders als ursprünglich geplant – nicht im Konsens mit den Bundesländern. Stattdessen will er im eigenen Lager die Reihen schließen und Länder wie Thüringen, Brandenburg oder Hessen, die im November noch gegen das Transparenzgesetz gestimmt hatten, für sich und die Reform gewinnen.
Die ersten Reaktionen auf die Einigung fallen gemischt aus.
"Das war ein guter Abend für die Krankenhäuser in Niedersachsen und in Deutschland" (Andreas Philippi)
Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi rechnet damit, dass die Kliniken in seinem Bundesland noch in 2024 mit einer Milliarde Euro zusätzlichen Mitteln rechnen können. Darin seien das Vorziehen der Pflegebudgets und der Energiehilfen enthalten sowie die Anpassung des Landesbasisfallwerts. "Ich halte das für eine spürbare, relevante Entlastung", so der SPD-Politiker. Mit dem 50-Milliarden-Euro schweren Transformationsfonds hätten die Länder "ein wichtiges Steuerungselement bei der Krankenhausreform in der Hand, um zu echten Qualitätsverbesserung in der Versorgung zu kommen". Es sei gut, dass der Bund gestern das klare Signal zur Fortsetzung der Gespräche zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz gesendet habe. Philippi spricht sich zudem für eine schnelle Ausverhandlung der Krankenhausreform aus. "Insbesondere erwarte ich die zeitnahe Überstellung des Referentenentwurfs als Diskussionsgrundlage."
Positiv äußerte sich Christian Karagiannidis, der die Krankenhausreform als Mitglied der Regierungskommission an zentraler Stelle mitskizziert hat. "Der Transformationsfond von Bund und Ländern gefüllt mit 50 Milliarden Euro über 10 Jahre ist ein Schlüssel für die #Krankenhausreform und eine historische Chance zum zukunftssicheren und nachhaltigen Umbau des Gesundheitssystems", schrieb er auf X (ehemals Twitter).
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Ganz andere Töne kommen unterdessen aus Bayern. "Es gab gestern Abend entgegen der Darstellung von Bundesgesundheitsminister Lauterbach keine Einigung im Vermittlungsausschuss. Vielmehr wurde das Krankenhaustransparenzgesetz in unveränderter Fassung von der Ampel-Mehrheit gegen das Votum der Unions-Seite durchgedrückt", erklärte Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU). Sie wirft Lauterbach vor, Festlegungen über 25 Milliarden Euro in den Länderhaushalten erzwingen zu wollen. "Diese Vorgehensweise bestätigt den Eindruck, dass Lauterbach an einer echten Zusammenarbeit mit den Ländern auf Augenhöhe kein Interesse hat." Auch der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG), Roland Engehausen, zeigt sich enttäuscht. "Mit den angekündigten Regelungen wird die aktuelle Finanznot und Insolvenzgefahr in den Krankenhäusern überhaupt nicht beseitigt. Die angekündigten Liquiditätshilfen sind nur vorgezogene Zahlungen bereits bestehender Vergütungsansprüche, wodurch die Kliniken in diesem Jahr keinen Euro zusätzlich erhalten." Der Transformationsfonds sei notwendig für den Strukturwandel, aber keine Lösung für die derzeitige Situation.
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) zeigte sich enttäuscht. „Angesichts der unübersehbaren wirtschaftlichen Notlage der Krankenhäuser hat die Mehrheit im Vermittlungsausschuss aus Bundesregierung und SPD-Ländern die Chance verpasst, der Insolvenzwelle in der Krankenhauslandschaft wirksam entgegenzutreten. Die bloße Ankündigung des Bundesgesundheitsministers, dass die Landesbasisfallwerte für das laufende Jahr erhöht werden sollen, um die Erlöse der Kliniken an die inflationsbedingt gestiegenen Kosten anzupassen, ist eine wertlose Beruhigungspille für die Krankenhäuser“, erklärte DKG-Vorstandschef Gerald Gaß. Die SPD-Länder hätten offenbar die Brisanz der Lage ihrer eigenen Krankenhauslandschaft noch immer nicht begriffen, zürnte das SPD-Mitglied Gaß. „Wer noch vor wenigen Wochen im Bundesrat eine Initiative verabschiedet, die Krankenhausfinanzierung um vier Prozent zu erhöhen, und jetzt, wo es darauf ankommt, den Worten Taten folgen zu lassen, es bei bloßen Ankündigungen belässt, verspielt so das letzte Vertrauen in die Politik.“ Nach wie vor müssten die Kliniken jeden Monat 500 Millionen Euro zuschießen, um die Patientenversorgung in Deutschland aufrechtzuerhalten, moniert Gaß. Die vage Ankündigung von Minister Lauterbach, die Landesbasisfallwerte zu erhöhen, um die Tariflohnsteigerungen besser abzubilden, ist bei genauer Betrachtung praktisch wertlos. Eine solche Anpassung würde lediglich weniger als 0,2 Prozent oder auf das Gesamtjahr gerechnet 125 Millionen Euro bedeuten. Der aktuelle monatliche Fehlbetrag würde damit von heute 500 Millionen auf 490 Millionen Euro reduziert.
Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK) fragt sich, worauf die Mitglieder des Vermittlungsausschusses, Minister Lauterbach und die Bundesländer ihren Optimismus stützen. Denn drohende Insolvenzen verhindere das Gesetz nicht. „Weder dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses noch dem Gesetzentwurf des Krankenhaustransparenzgesetzes sind konkrete Anhaltspunkte dafür zu entnehmen. Die Preissteigerungen werden nach wie nicht ausgeglichen und die Kliniken rutschen immer weiter in die Krise“, so Thomas Bublitz, Geschäftsführer des Verbandes. Es bleibe auch bei der Ankündigung, endlich Geld für ordnungspolitisch dysfunktionale Pflegebudgets fließen zu lassen, auf das die Krankenhäuser sowieso schon lange Anspruch haben. „Mit ihrem Bekenntnis zum Krankenhaustransparenzgesetz von gestern Abend sind nun die Bundesländer konkret in der Mitverantwortung, die Pleitewelle von Krankenhäusern durch eine kostendeckende Betriebskostenfinanzierung abzuwenden“, so Thomas Bublitz, Geschäftsführer des Verbandes.
Aus Sicht von Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland, "hat Machtpolitik über Sachpolitik gesiegt". Bei dem versprochenen Mehr an Transparenz für die Patientinnen und Patienten lägen die Tücken im Detail. "An der Größe eines Krankenhauses lässt sich nicht einfach ablesen, wie qualitativ hochwertig die jeweilige Behandlung ist. Doch genau dieser Eindruck soll den Patientinnen und Patienten mit den geplanten Leveln vermittelt werden." Für die Klinikteams bringt das Gesetz zudem durch zusätzlichen Dokumentationsaufwand mehr statt weniger Bürokratie.
Auch der Verband leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (VLK) reagierte verstimmt auf das Verhandlungsergebnis. „Transparent war der gesamte Entscheidungsprozess nicht, sondern politischer Klüngel vom Feinsten. Krankenhäuser werden mit vagen Ankündigungen abgespeist“, kommentierte VLK-Präsident Michael A. Weber. Er ist skeptisch, ob die Finanzversprechen eingehalten werden „oder weiter als Druckmittel auch für die Verhandlungen zum Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus (KHVVG) benutzt werden sollen“. Mit dem Transparenzgesetz werde jedenfalls kein Krankenhaus gerettet. Beim geplanten Transparenz-Atlas bemängelt Weber die mangelnde Risikoadjustierung, „die ohne strukturellen Dialog kaum möglich ist“. Kliniken könnten so plötzlich überraschend am Pranger stehen. „Das wird zu einer Konzentration auf Niedrigrisikopatienten und Eingriffsvermeidung bei Hochrisikopatienten führen“, schätzt der gelernte Kardiologe.
Von einer "Märchernstunde" des Bundesgesundheitsministers spricht die Hessische Krankenhausgesellschaft (HKG). "Das Transparenzgesetz und die mit ihm verbundenen sechs Milliarden Euro werden kein einziges Krankenhaus vor der Insolvenz retten", Steffen Gramminger, Geschäftsführender Direktor. Er kritisiert insbesondere die SPD-geführten Länder, die Lauterbach auf seine Seite gezogen hat. "Es ist schon verwunderlich, dass die Einlassung des Bundesrates vom November 2023 mit der Forderung einer rückwirkenden Steigerung des Landesbasisfallwert von 4 Prozent nicht nur ignoriert, sondern plötzlich von sieben SPD-geführten Ländern anscheinend sogar negiert wird."Gerade die SPD-geführten Länder seien nun in der Pflicht, auf den Minister einzuwirken, "seine nebulösen Ankündigungen möglichst schnell und schon vor den Verhandlungen zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz in ausreichende und konkrete Maßnahmen umzusetzen", so Gramminger.
Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) zeigt sich insbesondere mit Blick auf das Transparenzportal enttäuscht. "Es ist bedauerlich, dass in der Diskussion um die Verknüpfung des Transparenzportals mit Aspekten der Finanzierung und der Krankenhausreform die sachliche Auseinandersetzung über eine bürgerverständliche Darstellung der Qualität in den Hintergrund getreten ist", sagte der Vorsitzende Christoph Radbruch. Da es dem Transparenzportal an einer adäquaten Risikoadjustierung mangle, würden die Aussagen über die tatsächliche Behandlungsqualität verzerrt. "Dieser grundlegende Mangel des nun verabschiedeten Transparenzportals schränkt seinen Mehrwert für die Öffentlichkeit erheblich ein."

Unzufrieden mit Lauterbachs Ankündigung, einen Transformationsfonds auf Kosten der Kassen aufzulegen, zeigte sich der GKV-Spitzenverband. „Originär staatliche Aufgaben sind vom Bund und von den Ländern zu finanzieren. Ein Rückgriff auf Mittel der Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung wäre ein Etikettenschwindel. Der Auf- und Umbau der gesundheitlichen Infrastruktur ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, unterstrich GKV-Vorständin Stefanie Stoff-Ahnis. Auch die geplante Erhöhung der Landesbasisfallwerte kritisierte sie als Förderung veralteter Strukturen nach dem Gießkannenprinzip. In dieselbe Kerbe schlug der Verband der Ersatzkassen(VDEK). VDEK-Chefin Ulrike Elsner kritisierte insbesondere, dass der Transformationsfonds mit Kassengeld gespeist werden soll. „Damit würde nur ein Teil der Bevölkerung die Gesamtlasten tragen und es würde zwangsläufig zu weiteren Beitragssatzanhebungen kommen.“ Völlig unklar bleibe zudem, ob wirklich eine Strukturreform erreicht werden kann und nicht versorgungsrelevante Krankenhäuser oder Abteilungen tatsächlich vom Netz gehen. Jorgen Hohnl, Geschäftsführer des Dachverbands der Innungskrankenkassen (IKK) erklärte, Lauterbach habe "seine Transparenzoffensive teuer erkauft".
Die stellvertretende Vorsitzende des Hartmannbundes, Lesinski-Schiedat, warnt vor einem "politischen Flurschaden, der eine sinnvolle – von allen relevanten Playern getragene – Krankenhausreform auf Jahre hinaus blockieren wird". Das Transparenzgesetz sei so nicht der Wegbereiter, sondern das Stoppschild für eine dringend notwendige Strukturreform. Den ursprünglich eingeschlagenen Weg verlassen zu haben, die Reform mit den Ländern gemeinsam zu entwickeln und zu verabschieden, werde sich als schwerwiegender politischer Fehler erweisen.