Schade, dass Karl Lauterbach die Podiumsdiskussion mit Spitzenvertretern aus dem Gesundheitswesen am Vormittag des ersten DRG-Forum-Tages nicht mitverfolgen konnte. Denn spätestens danach müsste seine Agenda für die Gesundheitspolitik dieser Legislaturperiode eigentlich feststehen. Besonders dringlich, da waren sich die Teilnehmer einig: Endlich Klarheit über eine Verlängerung des Rettungsschirms. „Zwei Tage bevor dieser abläuft, wissen wir immer noch nichts“, sagte Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Dabei sei es „die verdammte Verantwortung des Bundes, die Finanzierung der Krankenhäuser sicherzustellen. Wir verkaufen keine Bananen, wir sind Daseinsvorsorge.“
Was langfristig angegangen werden sollte, brachte Ursula Nonnemacher auf den Punkt. Zwar würden die Pandemie und nun auch der Krieg die Kapazitäten binden, aber: „Wir brauchen dringend eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung, wir brauchen eine Strukturreform“, sagte die Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg. Dort gebe es große Strukturprobleme – angesichts einer der ältesten Bevölkerungen Deutschlands und teilweise so dünn besiedelter Gebiete, dass sie fast als unbesiedelt gelten würden. „Wir müssen Fehlanreize im DRG-System beheben und Vorhaltepauschalen für bestimmte Bereiche schaffen – für Pädiatrie, Geburtshilfe und Notfallversorgung“, sagte Nonnemacher. Und es brauche noch viel mehr digitale Lösungen, Hoffnungen setze man da in das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG).
"Elefant im Raum"
„Schiebt Minister Lauterbach die Strukturreform auf die lange Bank?“, fragte Florian Albert, Moderator der Diskussion und Chefredakteur von „f&w – führen und wirtschaften im Krankenhaus“.
Er sei in Sorge, dass die Regierung sich jetzt ein bisschen im Krisenmodus verliere und auch in dieser Legislaturperiode nur an Einzelthemen herumgedoktert werde, der große Wurf aber ausbleibe, sagte Gaß. „Wenn wir es jetzt nicht schaffen, die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern zu verbessern, werden wir den Wettbewerb um Fachkräfte verlieren“, so Gaß.
Als „Elefant im Raum seit Jahren“ bezeichnete Dr. Andreas Gassen, der Vorstandsvorsitzende Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Krankenhausstrukturreform. „Aber sicher ist niemand hier im Saal der Meinung, dass alles so bleiben kann wie es ist und alle kleinen Häuser erhalten bleiben können“, so Gassen mit Blick ins DRG-Plenum. So einfach sei es nicht, erwiderte Ministerin Nonnemacher darauf. „Wenn Sie bei Umstrukturierungen und Schließungen die Kommunen nicht mitnehmen, haben Sie in Ostdeutschland oftmals ein weiteres Problem: Jede geschlossene Geburtsklinik hat einen Anstieg des Rechtspopulismus zur Folge.“
Man müsse bevölkerungsbezogen schauen, welche Krankenhausversorgung und welche ambulante Versorgung in welcher Region gebraucht wird und dann umstrukturieren, sagte Stefanie Stoff-Ahnis vom GKV-Spitzenverband. Die Regierung habe ein großes Reformpaket geschnürt und darin auch die Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung festgeschrieben. Auch angesichts des großen Deltas in den Haushalten der Krankenkassen seien hier neue Lösungen dringend notwendig. „Die Zahl der ambulant-sensitiven Fälle im Krankenhaus geht teilweise um 50 Prozent zurück“, sagte Stoff-Ahnis und leitete damit zum nächsten dringlichen Thema über: Vergütungslösungen für die ambulante Versorgung und eine Entwicklung des AOP-Katalogs.
Ihr Vorschlag: „Wir sehen da von GKV-Seite eine Art Stufenkonzept. Zeitlich gestuft könnte man zunächst einfachere Leistungen in den AOP-Katalog bringen, danach die komplexeren.“ An einzelnen Stellen müsse man die Vergütung anpassen, brauche aber auch eine andere Schiedsstellenregelung.
Die medizintechnische Infrastruktur sieht Gaß weiterhin in erster Linie im Krankenhaus. Aber dort könne die Versorgung ja auch in Kooperation mit niedergelassenen Ärzten erbracht werden. Er rät zu einer Konvergenzphase, in der komplexere Fälle noch über konventionelle DRG vergütet würden. Und die medizinische Entscheidung, ob die Leistung ambulant oder stationär erbracht werden soll, obliege dann aber dem Krankenhaus. Falls notwendig, könne man dann das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) beauftragen, für solche Fälle Hybrid-DRG zu entwickeln. Ein weiterer Vorteil dabei: „Bei gleicher Vergütung für die ambulant oder stationär erbrachte Leistung gibt es vermutlich keine Diskussionen mit dem Medizinischen Dienst.“
Hybrid-DRG seien für ihn eher ein Platzhalter, sagte Gassen dazu. „Die Vergütung sollte auskömmlich sein für denjenigen, der sie erbringt. Darauf kommt es doch an.“