Die Bundesländer haben Karl Lauterbachs Krankenhausreform geschleift. Sprach der SPD-Gesundheitsminister bei der Vorstellung seines Konzepts im Dezember noch von einer Revolution, so ist er nun weitgehend auf das Evolutionsmodell aus Nordrhein-Westfalen (NRW) eingeschwenkt. Der Minister will nun weit weniger als 128 Leistungsgruppen etablieren, die Verknüpfung von Leveln und Leistungsgruppen soll stark „aufgelockert“ werden. Außerdem soll der Anteil der Vorhaltepauschalen an der Krankenhausfinanzierung von 40 auf 60 Prozent wachsen.
Gaß: „Es gibt noch kein klares Bild“
In weiten Teilen der Klinik- und Krankenkassenszene kommt dieses Einschwenken gut an. „Die Vorschläge gehen in die richtige Richtung“, erklärte etwa Michael A. Weber, Präsident des Verbands leitender Krankenhausärzte (VLK). Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) äußerte sich hingegen zurückhaltend: „Die Verlautbarungen der jüngsten Bund-Länder-Runde erlauben noch kein klares Bild über den tatsächlichen Stand der Reform. Minister Lauterbach selbst spricht mit Blick auf die dritte Stellungnahme der Regierungskommission von überholten und veralteten Vorschlägen. Wie eine neue Version dazu aussieht, erfahren wir aber leider nicht.“
Verknüpfung: gelockert oder gelöst?
Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt, ob die Verknüpfung von Leveln und Leistungsgruppen komplett aufgehoben ist – oder nur gelockert. So erklärte Thomas Bublitz, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK): „Es ist ein gutes Ergebnis der gestrigen Bund-Länder-Beratungen, die Verbindung von Krankenhaus-Leveln und jeweils zugeordneten Leistungsgruppen aufzulösen. Damit hat der weitere politische Ausgestaltungsprozess für die Krankenhausreform eine wichtige Hürde genommen.“ Nils Dehne, Geschäftsführer der Allianz kommunaler Großkrankenhäuser, bemerkte hingegen: „Es fehlt den Überlegungen weiterhin ein Mechanismus, wie Level und Leistungsgruppen versorgungstechnisch sinnvoll miteinander verknüpft werden können.“ Außerdem dürfe man das NRW-Model nicht überbewerten, so Dehne. „Die Initiative ist lobenswert, hat aber bisher noch keine Ergebnisse erzielt. Insofern ist es zu früh, sich auf das NRW-Model zu beschränken."
Professor Busse: Nicht im Klein-Klein verlieren
Professor Reinhard Busse (TU Berlin), der in Lauterbachs Regierungskommission sitzt, appelliert an den Minister, die Reform nicht zu verwässern: „Bevor sich die Akteure im Klein-Klein verlieren, ist es wichtig, sich die Kernziele der Reform in Erinnerung zu rufen: Krankenhäuser dürfen nur die Leistungen erbringen, die sie personell und technisch qualitativ angemessen erbringen können. Für diese Leistungen sollen sie adäquat vergütet werden. Ohne detaillierte Leistungsgruppen und Bezug zu einheitlichen Versorgungsleveln ist dieses Ziel nicht zu erreichen.“
Mahlzahn: „Wir brauchen eine einheitliche Planungssprache“
Jürgen Malzahn, Leiter der Krankenhausabteilung im AOK-Bundesverband, bewertet den neuen Kurs hingegen positiv. „Es ist gut, dass Bund und Länder in den weiteren Beratungen über die Krankenhausreform von den 64 Leistungsgruppen ausgehen wollen, die in NRW bereits definiert worden sind. Das sind innovative Vorarbeiten, auf denen man optimal aufsetzen kann. Diese Leistungsgruppen können nun weiterentwickelt werden – mit Blick auf die regionalen Erfordernisse.“ Die Versorgungsstufen sollten nicht überbetont werden, daher sei es gut, dass die starre Verknüpfung von Leveln und Leistungsgruppen gelockert werden soll. „Die Leistungsgruppen sind aus Sicht der AOK-Gemeinschaft der Dreh- und Angelpunkt der Reform. Wir brauchen endlich eine bundesweit verbindliche Planungssprache, und dafür sind die Leistungsbereiche und Leistungsgruppen eine gute Grundlage.“
Lucha: „Wir sind einen Schritt weiter“
Die Ländervertreter zeigten sich zufrieden. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, man sei einer Einigung deutlich nähergekommen. Klaus Holetschek, CSU-Gesundheitsminister Bayerns, twitterte: „Der Bund ist heute ein Stück weit auf Bayern zugegangen.“ Gleichzeitig verwehrte sich der bayerische Gesundheitsminister weiterhin mit Nachdruck gegen Eingriffe des Bunds in die Landeskrankenhausplanung.