Derzeit könnte man sagen, dass es in der Pflege politisch gesehen ganz gut läuft: Das Pflegekompetenzgesetz wird fast schon überschwänglich begrüßt – ebenso wie die generalistische Hilfsausbildung. Sogar die Pflegepersonalbemessungsverordnung scheint auf dem richtigen Weg zu sein. Doch dann schlägt sie wieder zu, die „Nursing Angst“: Die Angst in der Politik davor, der Pflege eine größere Rolle in der Gesundheitsversorgung zuzutrauen.
Jüngstes Beispiel dieser „Nursing Angst“ ist die Streichung der Gesundheitskioske: Diese wären ein sehr wichtiges Standbein für die Entwicklung von Community Health Nurses in Deutschland gewesen. Und was wurde wieder als Begründung angeführt? Es würden mehr Ärztinnen und Ärzte gebraucht, um die Versorgung zu verbessern. Geschenkt, dass es in anderen Ländern mehr als üblich ist, dass die Pflege völlig eigenständig arbeitet. Und auch, wenn es beispielsweise Länder wie Großbritannien nicht gerne zugeben: Der Arztmangel war dort unter anderem auch ein Katalysator für die Aufwertung des Pflegeberufs.
Weitere Beispiele für die „Nursing Angst“: der Umgang mit den Level 1i-Krankenhäusern, also der Frage, ob Pflegekräfte nun alleine oder doch „nur“ unter Arztweisung arbeiten dürfen, die Heilkundeübertragung, die seit 2012 ausgebremst wird oder auch die Vorschläge der Regierungskommission zur pflegerischen Notfallversorgung. Das ist nur ein Bruchteil der „Nursing Angst“-Beispiele – dem fehlenden politischen Mut, dem Pflegeberuf mehr Eigenständigkeit zuzutrauen.
Dabei bin ich überzeugt davon, dass die Gesellschaft genau dies annehmen wird. Klar braucht das seine Zeit, deshalb ist das Pflegekompetenzgesetz so wichtig: Es wird Jahre dauern, bis es in der Bevölkerung vollumfänglich ankommt. Aber die Bevölkerung spürt bereits heute eine zunehmende Unterversorgung: Wenn es keine grundlegenden Reformen zur Bewältigung des Fachkräftemangels gibt, dann wird aus der politischen „Nursing Angst“ schnell ein gesellschaftlicher „Nursing Nightmare“ für die Bevölkerung. Daher gilt es auch bereits eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl genau hinzuschauen, wie die Parteien agieren und wer es mit der Aufwertung des Pflegeberufs ernst meint: Noch ist es nicht zu spät, aufzuwachen.