Nina Warken hat ihre Reformagenda vorgestellt: Notfallversorgung, Primärversorgung, Krankenhausplanung. Doch hinter den bekannten Schlagworten fehlen konkrete Konzepte, belastbare Finanzierungsmodelle und strategische Tiefe, meint Christoph Radbruch. Die Reformrhetorik wirke vertraut – und bleibe dennoch unbefriedigend.
Es war ein Interview mit Ansage: Bundesgesundheitsministerin Nina Warken nutzt das "Deutsche Ärzteblatt", um ihre politischen Vorhaben zu skizzieren – Notfallversorgung, Primärversorgung, Krankenhausplanung. Eine Agenda, prall gefüllt mit „Brocken“, wie sie selbst sagt. Doch bei aller Betriebsamkeit bleibt ein schales Gefühl zurück: Vieles klingt bekannt. Und vieles bleibt im Ungefähren.
Gewiss, der Anspruch, das Primärarztsystem auf eine „Primärversorgungsstruktur“ auszuweiten, ist nachvollziehbar – wenn er denn präzise hinterlegt wäre. Doch selbst die Ministerin gibt zu, dass ein detaillierter Plan noch nicht existiert. Stattdessen stehen vertraute Schlagworte wie „verpflichtende Steuerung“, „digitale Ersteinschätzung“ und „Zusammenarbeit der Akteure“ im Raum – Worthülsen, die man schon unter ihren Vorgängern gehört hat.
Reformrhetorik ohne Substanz: Warkens Agenda bleibt vage
Dabei mangelt es nicht an Herausforderungen, sondern an belastbaren Konzepten. Die angekündigte Reform der Notfallversorgung etwa startet „Anfang November“ – aber ohne klare Aussagen zur Finanzierung, zur Systemlogik oder zur Rolle der Länder. Auch die Zusammenlegung der Notrufnummern 112 und 116117 klingt ambitioniert – bleibt aber auf der Ebene technokratischer Hoffnung stecken.
Und die Krankenhausreform? Sie wirkt in Warkens Darstellung wie ein reaktives Verwaltungsprogramm: mehr Zeit, mehr Planungssicherheit, mehr Analyse. Aber was heißt das konkret für kleine Häuser, die heute nicht wissen, ob sie morgen noch operieren dürfen? Für die Ministerin ist entscheidend, dass die „ursprünglichen Ziele der Reform erhalten bleiben“. Welche das genau sind, bleibt ebenso vage wie die Kriterien, an denen der Erfolg der Reform gemessen werden soll.
Vieles wirkt wie politisches Flickwerk
Wenn Nina Warken sagt, sie beginne Vorhaben erst dann, wenn sie „wirklich vorankommen“, stellt sich die Frage: Warum wirkt dann vieles wie politisches Flickwerk – reaktiv, inkonsequent und strategisch unterfüttert mit kommunikativer Disziplin statt mit fachlicher Tiefe?
Der Wunsch, den Bürger in den Mittelpunkt zu rücken, ist richtig. Doch Reformen sind kein Kundenservice. Sie brauchen Struktur, Planung, Zielkonfliktklärung – und ein gemeinsames Verständnis zwischen Politik, Kassen und Leistungserbringern. Dazu gehören Mut zur Priorisierung, ein belastbares Finanzierungskonzept und ein ehrliches Monitoring der bisherigen Gesetzesfolgen.
Reformen, die nur Strukturen übertünchen, lösen keine Probleme – sie vertagen sie nur.


