Zahlreiche Krankenhäuser befinden sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage, die sich durch die Corona-Krise aktuell noch verstärkt. In planwirtschaftlich geprägten Rahmenbedingungen, wie sie das staatliche Gesundheitssystem vorgibt, ist das unternehmerische Instrumentarium der Kliniken stark limitiert. Einspar- und Effizienzpotenziale beschränken sich im Wesentlichen auf die Faktoren Material und Personal.
Nach vielen Jahrzehnten Verantwortung in Kliniken erstaunt es mich daher immer wieder, dass der Faktor Mensch – wie so häufig – überwiegend als Kostenposition gesehen wird. Dabei wird gerade in einem „people’s business“ wie dem Krankenhauswesen völlig unterschätzt, wie elementar wichtig motivierte und engagierte Mitarbeiter immer und auch für den wirtschaftlichen Erfolg eines Krankenhauses sind. Die Industrie hat dies längst erkannt und gibt jedes Jahr viel Geld für Programme aus, die nicht nur die fachliche Qualifizierung, sondern vor allem auch „weiche“ Faktoren, wie zum Beispiel Mitarbeiterzufriedenheit, zum Ziel haben. In der Medizin hinken wir diesbezüglich noch weit zurück. Warum ist das so? Die Medizin ist in vielerlei Hinsicht strukturkonservativ, auch im Bereich der Mitarbeiterführung. Weite Teile der heute Verantwortung tragenden Ärzteschaft sind in ihrer Ausbildung noch völlig anders sozialisiert worden. Bis heute gilt vielerorts noch das Prinzip, dass Anordnungen der Chefärztin beziehungsweise des Chefarztes nicht hinterfragt werden und ihnen schon gar nicht widersprochen wird. Moderne Führungsmodelle sind in der Medizin immer noch die Ausnahme. Noch - denn die junge Generation fordert zunehmend, dass sich der Umgang miteinander spürbar ändert.
Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung sind der Schlüssel, um das Wohlbefinden der Mitarbeiterschaft signifikant zu steigern. Die Effekte sind groß und messbar: Zufriedene, wertgeschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden nicht nur deutlich seltener krank, sie bleiben auch ihrem Berufsfeld länger erhalten. Dies ist, sowohl auf das einzelne Krankenhaus als auch das Gesundheitssystem insgesamt bezogen, ein extrem wichtiger Faktor, um insbesondere den während der Corona-Krise wiederum deutlich gewordenen Pflegenotstand zumindest abzumildern. Vor allem aber ist Mitarbeiterzufriedenheit Voraussetzung für motiviertes, effizientes und damit auch wirtschaftliches Arbeiten.
Auf unserem Weg zum Smart Hospital, dem digitalisierten und auf den Menschen fokussierten Krankenhaus der Zukunft, spüre ich häufig, dass nicht die Investitionen in die notwendige IT-Infrastruktur oder andere technischen Fragen, sondern die Verhaltensänderung zu einem partnerschaftlichen Umgang miteinander die größte Aufgabe im Rahmen dieses Transformationsprozesses bedeutet. Dieser Aufgabe werden wir uns aber stellen müssen, wenn wir zufriedene Mitarbeiter UND positive Geschäftszahlen haben wollen: Wertschöpfung durch Wertschätzung.