Professor Boris Augurzky hat eine Studie vorgestellt, die eine Lösung für jenes Thema vorschlägt, das derzeit in der Regierungskommission ganz oben auf der Agenda steht: die Krankenhausstrukturreform.
Die Studie adressiert zwei Probleme, die mittlerweile kaum noch jemand bestreitet: Das medizinische Fachpersonal wird in den nächsten Jahren knapp und die Krankenhausstruktur in Deutschland ist nicht mehr zeitgemäß. Die Studienautoren – die Oberender AG und das Institute for Health Care Business, hcb – nahmen bei der Vorstellung der Studie eine düstere Prognose des Rating Reports 2022 vorweg: Jedes 2. Haus wird demnächst ein negatives Ergebnis vorlegen. Die von der Stiftung Münch in Auftrag gegebene Studie beschäftigt sich mit der Frage, wie sich kleine Kliniken bei Bedarf in neue Versorgungsformen umwandeln lassen. Studienauftraggeber Boris Augurzky ist nicht nur Chef der Stiftung Münch und Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit am RWI, sondern auch Vater des Rating Reports und Mitglied in jener Regierungskommission, die den Gesundheitsminister zu den anstehenden Reformen berät. Als Ergebnis präsentierte die Stiftung Münch gemeinsam mit den Studienautoren drei neue Versorgungsformen: Ambulante Klinik, Überwachungsklinik, Fachklinik. Das Potenzial der Kliniken, die umgewandelt werden könnten, bezifferte Augurzky auf mehrere hundert.
Die ambulante Klinik
Die ambulante Klinik soll als Anlaufstelle für einen Großteil der gesundheitlichen Anliegen eine Basisversorgung sicherstellen. „Die frei werdenden Räume des Krankenhauses werden genutzt, um ambulante Angebote zusammenzuführen und durch neue zu ergänzen. Auf diese Weise sind viele Gesundheitsdienste an einem zentralen Ort für die Bevölkerung leicht zu erreichen“, schreibt die Münch Stiftung.
Die Überwachungsklinik
Wenn kein Bedarf für eine klassische stationäre Versorgung besteht, jedoch eine wohnortnahe Versorgung mit medizinischer Überwachungsmöglichkeit notwendig ist, können Überwachungskliniken eine Option sein. Anders als in ambulanten Kliniken gibt es Überwachungsbetten, sodass Patienten bei Bedarf für ein oder zwei Nächte aufgenommen werden können. „Das Angebot deckt komplexere ambulante Fälle ab, für die im Fall einer Komplikation eine Übernachtung nötig wird oder bei denen aus sozialen Gründen eine Heimreise am gleichen Tag nicht empfehlenswert ist.“. Die hochtechnisierte Infrastruktur einer Klinik und durchgehende ärztliche Präsenz sei dafür nicht erforderlich. Der Gesetzgeber müsse die Überwachungsklinik im SGB V verankern, so die Studienautoren, und dabei haftungsrechtliche Risiken ausschließen.
Die Fachklinik
Besitzen eine Fachabteilung oder ausgewählte Leistungsbereiche eines Krankenhauses überregionale Strahlkraft, kann es sich auch auf diese Spezialgebiete fokussieren. Damit würde es zu einer Fachklinik für ausgewählte Krankheitsbilder mit überregionalem Einzugsgebiet umgewandelt. Da dann die Aufgaben der breiten Grundversorgung nicht mehr wahrgenommen werden, müssen diese durch andere Angebote sichergestellt werden, zum Beispiel durch Rettungsdienst, Arztpraxen und umliegende Krankenhäuser.
Augurzky: „Es muss jetzt etwas passieren“
Die Studie ist ein Appell an die Planungsbehörden der Länder, die Möglichkeiten für Klinikumwandlungen zu schaffen. Professor Augurzky verweist auf den Krankenhausplan in Niedersachsen, der Investitionsmittel für regionale Gesundheitszentren in Aussicht stellt. Außerdem setzen die Studienautoren auf die Einführung von Hybrid-DRGs. Der Gesetzgeber sollte außerdem das Abschließen von Selektivverträgen vereinfachen und den Kommunen mehr Mitsprache einräumen. „Bisher sind die Kommunen die Ausputzer. Wir müssen sie und den öffentlichen Gesundheitsdienst besser ausstatten und beispielsweise auch die Hürden bei der Gründung kommunaler MVZ abräumen“, bemerkte Augurzky. Die Reformen müsse der Gesetzgeber in dieser Legislaturperiode anstoßen, weil einige Häuser schon jetzt mit dem Rücken zur Wand stünden, unterstrich Augurzky. „Es muss jetzt etwas passieren.“ Primär handle es sich bei diesem Reformvorschlag um eine Neuordnung des stationären Sektors. Doch würde man die vorgeschlagenen Einrichtungen auch für den ambulanten Sektor öffnen, müsste man auch den Geldtopf der Kassenärztlichen Vereinigungen aufbohren, erklärte Professor Augurzky.