KHAG

Wie viel Wettbewerb verträgt die Klinikbranche?

  • Politik
Andreas Beivers
Andreas Beivers © Regina Sablotny

Die Klinikreform setzt die Wettbewerbskontrolle bei Fusionen aus und mit dem KHAG bekommen Länder mehr Einfluss bei der Fusionskontrolle. Das könnte zu falschen Anreizen und Monopolstellungen führen. 

Die Krankenhausreform zielt auf die Bündelung komplexer Behandlungen via Leistungsgruppen. Das damit das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) mit dem Wettbewerbsrecht aneckt, wurde einigen Beteiligten wohl erst im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens bewusst. Das Spannungsfeld zwischen sinnvoller Konzentration auf der einen, und Verhinderung von Monopolstrukturen auf der anderen Seite könnte sich noch als Bermudadreieck herausstellen.

Längst ist bekannt, dass pauschale Forderungen nach Wettbewerb im Kliniksektor nicht zielführend sind, weil Wettbewerb eben nicht überall Sinn macht. Der Rückschluss aber, hier auf dem „ordnungspolitischem Auge blind zu sein“, ist ebenso falsch. Denn konzentriert sich Versorgung nur noch auf wenige, oligopolistische oder monopolistische Strukturen, verringert sich nicht nur die Wahlfreit der Patienten. Auch führen marktbeherrschende Stellungen nicht zu sinnvollen Anreizen die Behandlungsqualität zu bewahren oder gar zu verbessern.

Am Ende ist es wettbewerbsbeherrschenden Playern durchaus bewusst, dass Versorgungsalternativen zu ihnen kaum mehr bestehen. Das setzt – unabhängig von der Trägerschaft – falsche Anreize. Das gilt auch für Oligopole oder Monopole öffentlicher Einrichtungen, wie wir aus der Wettbewerbstheorie wissen. 

Länder bekommen mehr Kompetenz

Der mit dem KHVVG eingeführte Paragraf 187 Abs. 10 GWB beinhaltet eine Ausnahme von der Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf des KHAG wird die Regelung in einem eigenen Paragrafen nun neu gefasst. So ersetzt der neue Paragraf 186a den Paragraf 187 Abs. 10 GWB, mit dem im KHVVG eine Ausnahme für Krankenhäuser von der Fusionskontrolle geschaffen wurde. So wird nun die Bewilligung eines Zusammenschlusses von Kliniken auf die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden übertragen, um Zusammenschlüsse vorrangig anhand von gesundheitspolitischen Erwägungen billigen zu können.

Wichtig: Dies ist bis zum 31. Dezember 2030 befristet. Eine Überarbeitung dieser Regel war aus Sicht des Gesetzgebers im KHAG deshalb notwendig, um „Rechtsunsicherheiten mit Blick auf Anwendungsbereich und Verfahren zu begegnen. […] Insbesondere sollen die Änderungen dazu dienen, den für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden – die insbesondere auch über die Zuweisung von Leistungsgruppen zu den Krankenhausstandorten entscheiden – für alle Fälle innerhalb des Anwendungsbereiches die Möglichkeit einzuräumen, Krankenhausfusionen ohne Fusionskontrollverfahren nach dem GWB zu erlauben“.

Konkret bedeutet das, die Länder bekommen stärkere Steuerungsbefugnisse. Entscheidend für viele Fusionsfälle ist nun die Frage, ob die zuständige Landesbehörde den Zusammenschluss „zur Verbesserung der Versorgung“ für erforderlich hält. 

Bundeskartellamt bleibt zuständig 

Die allgemeine Fusions- und Kartellkontrolle nach dem GWB gilt jedoch weiter. In der Praxis soll die materielle Prüfaufgabe allerdings verschoben werden: Die Landesbehörde nimmt die Versorgungsnotwendigkeitsprüfung vor. Das Bundeskartellamt soll zwar regelmäßig beteiligt werden, jedoch soll sich seine Prüfung zunehmend nur noch darauf konzentrieren, ob ein Vorhaben gegen das Kartellverbot (§ 1 GWB) verstößt – großflächige wettbewerbliche Wirkungsgutachten sind dann nicht mehr der zentrale Prüfpunkt. 

Enge Verzahnung von Planung und Prüfung

Bestätigt das Landesministerium einen Zusammenschluss als versorgungsrelevant, ist das ein starkes Argument gegen ein Verbot aus wettbewerbsrechtlicher Sicht. Das Bundeskartellamt bleibt aber Prüf- und Sanktionsinstanz, wenn durch den Zusammenschluss etwa ein Marktbeherrscher entsteht oder das Kartellverbot verletzt wird.

Gerade das letzte Argument hört sich zunächst gut und sinnvoll an. Denkt man aber ein wenig länger nach, ergeben sich doch einige Fragezeichen: Haben die Länder, die mit der Umsetzung der Krankenhausreform ohnehin sehr viel zu tun haben, immer den richtigen, auch ordnungspolitischen Blick, den man bei einer Wettbewerbskontrolle braucht? Sind Sondererlaubnisse der Länder oder ein Minister-Dispens wirklich die richtigen Strukturen, um zielgerichtet die Versorgungslandschaft zu transformieren? Wird der Staat hier nicht zum Schiedsrichter und Player zugleich? Haben sich die Mütter und Väter unserer Verfassung nicht zurecht dafür ausgesprochen, auch einen neutralen und unabhängigen wettbewerbspolitischen Blick zu wagen? 

Sicherlich gilt es aufwendige Verfahren und Bürokratie zu vermeiden, ebenso wie eine zu starke Anwendung des Wettbewerbs-Gedankens in einem Markt, der in weiten Teilen von Marktversagen geprägt ist. Aber das Bundeskartellamt hat durch die Verfahren der letzten Jahre durchaus einen differenzierten Blick bewiesen. Ein Minister-Dispens, der am Ende keinen Rechtsmitteln unterliegt, muss nicht immer zielführend sein.

Es ist gut, darüber zu diskutieren, ob die ordnungspolitischen Hoffnungen der 2000er Jahre und die Annahme, dass der Wettbewerb im Krankenhausmarkt die Probleme löst, wirklich erfüllt worden sind. Sicherlich muss es ein Umdenken geben, gerade wenn man Versorgung bündeln und neu ausrichten möchte.

Man sollte aber nicht zu leicht den Wettbewerbsgedanken, der am Ende einer qualitativ hochwertigen Versorgung durchaus zutragen kann, vergessen. Vielmehr brauchen wir mehr „geregelten Wettbewerb“, der mit klugen Anreizen zu guten Lösungen führt. Ob die jüngste Anpassung in diesem Bereich dazu beiträgt, ist abzuwarten.

Jedoch, nota bene: Der Nobel-Preis wurde dieses Jahr an Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Wilkinson Howitt „für die Erklärung innovationsgetriebenen Wirtschaftswachstums“ verliehen. Eine ihrer zentralen Forderungen an die Politik sind dabei für dieses Thema besonders relevant: Pfadwechsel müssen ermöglicht werden, Marktzutritte sind zu sichern und die Wettbewerbspolitik muss so scharf gehalten werden, dass Erneuerung nicht an Regulierung erstickt. Das können wir bestimmt auch im Krankenhausmarkt gut gebrauchen.

Autor

Prof. Dr. Andreas Beivers

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