Auf der Gesundheitsministerkonferenz der Länder stand Ulla Schmidt auf verlorenem Posten. Mit ihrem Vorschlag hin zu einer monistischen Finanzierung und der Kompetenzverlagerung zwischen Bund und Ländern konnte sie sich nicht durchsetzen. Die 16 Landesminister stellten sich gegen den Bund: alle gegen eine.
Die nicht gerade für ihre Marktnähe bekannte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) bekommt argumentative Unterstützung – ausgerechnet durch die Monopolkommission, in der ausgewiesen unabhängige Wirtschaftsexperten sitzen. In ihrem neuen Hauptgutachten für die Regierung raten die Wettbewerbswächter dazu, die Investitionen und den Betrieb der Kliniken künftig wieder aus einer Hand zu finanzieren. Die Kommission „unterstützt die Rückkehr zu einer monistischen Krankenhausfinanzierung“, heißt es in dem Gutachten. Jenseits einer Mindestversorgung müssten die Krankenhäuser in einem solchen neuen System „ihr Angebot im Wettbewerb an dem lokalen Bedarf“ ausrichten dürfen.
Nahezu alles, was Schmidt durchsetzen wollte, scheiterte
Die Monopolkommission rüffelt auch die Länder, die sich aus purem Machterhalt einer sinnvollen und radikalen Krankenhausfinanzierungsreform widersetzt hätten, schreiben die Wirtschaftsprofessoren. Die monistische Finanzierung sei der geeignete Weg zu einer soliden Basis für die Krankenhäuser, sagte ein Sprecher von Ulla Schmidt. Kein Wunder, dass das Bundesgesundheitsministerium sich auf Anfrage erfreut über die Befunde der Kommission äußerte. Das dürfte aber die einzige Freude der SPD-Ministerin in den vergangenen Wochen gewesen sein.
Zorn und Enttäuschung waren ihr anzusehen, als sie eine Pressekonferenz zum Ende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) im schleswig-holsteinischen Plön gab. Nahezu alles, was die Bundesgesundheitsministerin durchsetzen wollte, war gescheitert. Mit versteinerter Miene musste Schmidt sich anhören, wie Parteigenossin und Gastgeberin Dr. Gitta Trauernicht zum Abschluss der Tagung die Ergebnisse vortrug. Die Einigung über unterschiedliche Länderinteressen hinweg sei „nicht einfach gewesen“, räumte Trauernicht, die Vorsitzende der Konferenz, ein.
Schmidt: Die Zeche zahlen die Kassenmitglieder
Schmidt zeigte sich über den Kompromiss verbittert. „Die Zeche zahlen die Krankenkassenmitglieder“, sagte die Ministerin. Sie wollte sich ursprünglich mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt an dem Notfallprogramm für die Kliniken beteiligen, hatte dies jedoch schon im Vorfeld der Konferenz an das Einlenken der Länder in der Frage des Investitionsbedarfs in den Kliniken geknüpft.
Weil aber vor allem die CDU-geführten Länder ein Mitspracherecht des Bundes ablehnten, scheiterte dieses Vorhaben. „Ich hätte gewünscht, dass wir etwas mehr in Richtung Zukunftssicherung der Krankenhäuser vorangekommen wären“, sagte Schmidt. Im Hinblick auf die derzeit in den Bundesländern unterschiedlichen Preise für Behandlungen einigten sich die Minister darauf, dass 2015 ein bundeseinheitlicher Basisfallwert kommen soll. Die Einigung auf diesen Zeitpunkt zeige, „dass der Föderalismus funktioniert“, sagte die badenwürttembergische Sozialministerin Monika Stolz (CDU). Was ihr nicht über die Lippen kommen mochte, war, dass Föderalismus manchmal auch längst überfällige Reformen wegen Kompetenzgerangels und gefürchteten Machtverlusts verhindert.
Länder einigten sich, weil sie nichts zahlen mussten
Wenig Freude zeigte Schmidt in der Pressekonferenz für die Entscheidung der Länder, den Kliniken Teile der Tarifsteigerungen abzunehmen und eine zusätzliche „Pauschale zur Stärkung der Pflege ohne bürokratischen Aufwand“ einzuführen. Polemisch verwies Schmidt darauf, dass den Ländern hier eine Einigung gelungen sei, für die sie finanziell nicht geradestehen müssen. Wie stark die Krankenkassen und damit die Beitragszahler durch diese Beschlüsse belastet werden, könne sie noch nicht beziffern. Eigentlich war Schmidt aus ihrer Sicht ein durchdachter Reformentwurf gelungen. Den die Länder dennoch durchkreuzten. Den finanziell durch einen hohen Tarifabschluss und steigende Energiekosten in Not geratenen Krankenhäusern wollte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt mit einer kräftigen Finanzspritze unter die Arme greifen. Damit wollte sie zugleich die Zustimmung der Länder zu einer grundlegenden Reform der Klinikfinanzierung einkaufen.
Politische Beobachter in Berlin kritisieren an dieser Stelle allerdings die Blauäugigkeit der Ministerin, mit der sie in die Verhandlungen in Plön gegangen war. Denn eigentlich war es zu wenig, was Schmidt den Ländern zu bieten hatte. Bayern und Baden-Württemberg hatten schon zwei Monate vor der Konferenz angekündigt, die volle Hoheit über die Krankenhausplanung behalten zu wollen. Die Finanzierungsreform wäre bitter nötig gewesen. Denn im kommenden Jahr ist die Umstellung der Kliniken auf Fallpauschalen abgeschlossen, aber rund ein Fünftel der Häuser dürfte mit den dann zugewiesenen Finanzmitteln nicht auskommen. Zudem beklagen die Krankenhäuser die erheblichen Kostensteigerungen durch die jüngsten Tariflohnsteigerungen für Ärzte und Pflegepersonal sowie drastisch gestiegene Energiekosten und Belastungen durch die Anhebung der Umsatzsteuer.
Seit Jahren drücken sich die Länder um ihre Pflicht, die Krankenhäuser mit ausreichenden Investitionszuschüssen auszustatten. Als Folge unterbleiben nötige Modernisierungen. Therapie wird daher oft teurer und schlechter produziert als nötig. Viele Krankenhäuser behelfen sich damit, Investitionen aus den von den Krankenkassen gezahlten Fallpauschalen zu bezahlen. Die sollen aber eigentlich nur die laufenden Betriebskosten decken. Am Ende fehlt wieder Geld für gute Ärzte und Pflegepersonal. Schmidts Gegenrezept war, die Länder über an die Vergütung gekoppelte Pauschalen zu zwingen, ihre Investitionen zu verstetigen. Das hätte einen Ausweg aus dem Dilemma weisen sollen. Auch ihr Vorschlag, den Kassen das Recht zu geben, für planbare Leistungen wie Knieoperationen Einzelverträge mit Spezialkliniken abzuschließen, wäre aus Sicht der Ökonomen und der Medizin sinnvoll gewesen, wurde aber abgewiesen.
Was Schmidt den Ländern zu bieten hatte, war zu wenig
Das Einzige, was den Ländern zu entlocken war: ein Versprechen, ihre Verantwortung für die seit Jahren sinkende Investitionsförderung wieder stärker wahrzunehmen. Wann und in welcher Höhe – dazu wollten sich längst nicht alle Landesgesundheitsminister äußern. Ebenso Fehlanzeige bei verbindlichen Erklärungen über Kostenzusagen. „Ich bin dafür, den Krankenhäusern jetzt schnell zu helfen, damit sie die hohen Tariflohnsteigerungen tragen können“, sagte der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl- Josef Laumann (CDU) gegenüber dieser Zeitschrift. Nordrhein-Westfalen habe diese Forderung gemeinsam mit Bayern und Baden-Württemberg in den Bundesrat gebracht, und dies sei auch die gemeinsame Haltung aller Länder auf der GMK. Ulla Schmidt könne aber „ihren ideologischen Feldzug für eine Bundes-Krankenhauspolitik nicht lassen und verfolgt dieses Ziel nun auf dem Rücken der Krankenhäuser“. Erst wollte sie eine bundesweite Kassen-Monistik, bei der die Länder zahlen und die Krankenkassen über das Wohl und Wehe der Krankenhäuser entschieden. Jetzt sollten es verpflichtende In- vestitionsquoten für die Länder sein. Das gehe so nicht und helfe keinem, begründete Laumann seine Haltung.
Bundeseinheitlicher Basisfallwert 2015
Den Ausdruck „monistische Finanzierung“ mag Laumann überhaupt nicht. „Ich halte nicht viel von einer ideologischen Debatte um Schlagwörter. Ich bin für praktische Reformen im Interesse der Krankenhäuser und ihrer Patientinnen und Patienten“, sagte er gegenüber f&w. Deshalb habe Nordrhein-Westfalen mit der Baupauschale ein bundesweit bislang einmaliges Finanzierungssystem eingeführt, das die Steuerungswirkungen der Monistik mit einer landespolitisch verantworteten Krankenhausplanung verbinde. Das bedeute mehr Transparenz, mehr Gerechtigkeit, mehr Freiheit und mehr unternehmerische Verantwortung. Und es helfe den Krankenhäusern jetzt und hier. In der Tat, nicht wenige Kliniken außerhalb Nordrhein-Westfalens beneiden die Klinikpolitik im bevölkerungsreichsten Bundesland. Laumanns Ministerium zahlt jedem Klinikum nach Umsatz über die DRG einen Zuschuss. Damit können die Krankenhäuser ihre Investitionsentscheidungen selbst treffen. Die Kliniken in NRW können sich wie Unternehmen aufstellen. Wer vom Patienten oft ausgewählt wird, wird im Investitionsbudget besser ausgestattet.
Auf jeden Fall müssten die Kliniken bundesweit leistungsgerechter bezahlt werden, fordert Laumann. „Deshalb ist mir wichtig, dass es auf der GMK gelungen ist, alle Länder auf das Ziel eines bundeseinheitlichen Basisfallwerts festzulegen“, sagte der NRW-Minister. Bislang bekommt ein nordrhein-westfälisches Krankenhaus für eine Blinddarm-Operation rund 200 Euro weniger als ein Krankenhaus in Rheinland-Pfalz. Damit müsse Schluss sein. Krankenhäuser seien eine der wichtigsten Säulen der öffentlichen Infrastruktur: „Diese Säule wankt, weil viele Krankenhäuser vor allem die tariflichen Lohnsteigerungen innerhalb des bestehenden Deckels nicht mehr tragen können. Deshalb muss hier in der Tat schnell gehandelt werden – im Interesse der Patientinnen und Patienten.“
Baden-Württemberg: Wir haben die Hausaufgaben gemacht
Aus Baden-Württemberg sagte auf Anfrage eine Sprecherin von Sozialministerin Monika Stolz (CDU), das Land selbst habe seine Hausaufgaben gemacht und stehe zu seiner Verantwortung für die Krankenhäuser. Im Doppelhaushalt 2007/2008 des Landes seien für Investitionen in die Krankenhäuser insgesamt rund 615 Millionen Euro für die beiden Jahre eingestellt. Durch eine Pressemitteilung ließ Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) verkünden, die Bundesgesundheitsministerin sei gefordert, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine vernünftige Finanzierungsstruktur der Krankenhäuser zu schaffen. Von grundlegender Reform will der Ministerpräsident in Stuttgart offenbar nichts wissen. „Frau Schmidt sollte nur die zwingend notwendigen und nicht die grundlegenden Fragen der Krankenhausfinanzierung regeln.
Der Übergang zur monistischen Krankenhausfinanzierung ist hier der falsche Weg.“ Das sieht die Vorsitzende der GMK, die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin Gitta Trauernicht (SPD), anders: „Ganz grundsätzlich steht Schleswig-Holstein alternativen Finanzierungsformen aufgeschlossen gegenüber. Widerstand regt sich vor allem in den südlichen Ländern“, sagte die Ministerin im Gespräch mit f&w. Die monistische Finanzierung könnte die Krankenhäuser vor Ort in die Lage versetzen, Investitionsentscheidungen noch mehr unter betriebswirtschaftlichen Aspekten zu treffen. Andererseits würden die Länder Abstriche bei ihrer Planungskompetenz machen müssen.
Dass sie ihrer eigenen Parteigenossin Ulla Schmidt in den Rücken gefallen sei, sieht die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin nicht. „Grundsätzlich unterstütze ich das in Plön vorgelegte Eckpunktepapier zur künftigen Krankenhausfinanzierung von Ulla Schmidt in wesentlichen Teilen.“ Dies gelte insbesondere für die Einführung des bundesweiten Basisfallwertes. Aus schleswig-holsteinischer Sicht habe sich die Ministerin eine möglichst kurze Konvergenzphase gewünscht und auch darauf gedrängt. „Insofern bin ich mit dem Einstieg von 2010 an in eine kurze Übergangsphase zu einem bundeseinheitlichen Basisfallwert sehr zufrieden.“ Durch den Wegfall des Sanierungsbeitrages ebenso wie der Anschubfinanzierung der Integrierten Versorgung werde den Kliniken schon von 2009 an geholfen. Tarifsteigerungen würden durch einen angemessenen Beitrag der Krankenversicherung aufgefangen werden. Trauernicht: „All dies sichert die Zukunft unserer Krankenhäuser.“
Schleswig-Holstein: Wir stehen im Bundesvergleich gut da
In Schleswig-Holstein sei es in den vergangenen Jahren gelungen, die Krankenhäuser im Rahmen der bestehenden dualistischen Finanzierung ausreichend mit Investitionsmitteln zu versorgen. Wesentlich sei, Kliniken ausreichend mit Investitionsmitteln auszustatten. Ein Übergang auf eine andere Finanzierungsform sichere nicht per se die Investitionsmöglichkeiten der Krankenhauslandschaft, so die Ministerin. „Viel wichtiger ist, dass gute Kliniken ausreichende Investitionsmittel bekommen, nicht so wichtig ist, von wem das Geld kommt.“ Die Betriebskosten könnten nach wie vor nur von den Kassen finanziert werden. Künftig müssten die Kliniken in die Lage versetzt werden, ausreichende Erlöse einzufahren, um die Kostensteigerungen abzufangen.
Bundesgesundheitsministerin will jetzt schnell Gesetz vorlegen
Eine Sprecherin von Ulla Schmidt kündigte gegenüber f&w an, auf Basis der Eckpunkte zügig einen Gesetzentwurf vorzulegen. „Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens muss es darum gehen, dass alle Seiten ihre Verantwortung wahrnehmen.“ Es werde kein Gesetz geben, das nur die Beitragszahler in Anspruch nehme und die Länder unberücksichtigt lasse, so die Bundesministerin.
Thomas Grether ist freier Wirtschaftsjournalist in Bad Homburg