f&w-Rubrik: Bilanzgespräch mit Michael Philippi

„Wir sehen noch Potenzial nach oben“

  • Finanzierung
  • Management | Finanzen
  • 01.12.2016

f&w

Ausgabe 12/2016

Seite 1146

Dr. Michael Philippi ist seit 2008 Vorstandsvorsitzender (CEO) der Sana Kliniken AG. Der Diplom-Kaufmann und Dr. rer. pol. der Universität zu Köln, Jahrgang 1957, scheidet zum Jahreswechsel 2016/2017 aus dem Unternehmen aus.

Acht Jahre stand Dr. Michael Philippi an der Spitze des Sana-Konzerns. Im f&w-Interview zieht er zum Abschied doppelte Bilanz.

Herr Dr. Philippi, Sana hat in den vergangenen fünf Jahren den Umsatz um mehr als 40 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro erhöht und beim operativen Ergebnis um 40 Prozent auf 119 Millionen Euro zugelegt. Worauf dürfen sich Ihre Aktionäre, die privaten Krankenversicherungen, in Ihrem letzten Jahr an der Sana-Spitze freuen?

Das organische Wachstum dürfte uns in diesem Jahr einen Umsatz zwischen 2,4 und 2,5 Milliarden bescheren.

Und der Gewinn?

In den vergangenen Jahren ist das Wachstum des Unternehmens durch Zukäufe einer ganzen Reihe von sanierungsbedürftigen Kliniken erreicht worden, die das wirtschaftliche Ergebnis des jeweiligen Jahres und der ersten Jahre danach natürlich belastet haben. Nun blicken wir erstmals nach längerer Zeit auf eine Phase ohne ein solches Wachstum und eben auch ohne die Belastungen von Zukäufen. Das macht sich unmittelbar in den ökonomischen Kennziffern bemerkbar.

Gibt es für die Sana Kliniken Aktiengesellschaft kein offizielles Gewinnziel?

Doch. Da wir aber nicht an der Börse notiert sind, müssen wir das auch nicht mitteilen.

Wollen Sie es mir verraten?

Nein, selbst Ihnen nicht. Aber eines kann ich zum laufenden Geschäftsjahr vorwegnehmen: Es wird einen deutlichen Sprung in der Profitabilität geben.

Der Segen der Krise

Des Sparers Leid ist die Freud investitionswilliger Unternehmen. Während die anhaltende Niedrigzinspolitik die kapitalgedeckte Altersvorsorge zum Vabanquespiel macht, eröffnen sich in der Unternehmensfinanzierung hervorragende Perspektiven, die Sana-Chef Dr. Michael Philippi als „Paradies für Fremdfinanzierung“ beschreibt. Maßstab für die Zinshöhe eines Kredits ist der sogenannte EURIBOR, also der durchschnittliche Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen. Auf diesen EURIBOR schlägt die Bank eine Marge, die mit der individuellen Bonität des Kreditnehmers korrelieren sollte. Bei Drucklegung dieser f&w lag der EURIBOR (sechs Monate) nahe seinem historischen Tief von –0,21 Prozent – paradiesisch im Vergleich zum Allzeithoch von 5,22 Prozent aus dem Herbst 2008, als die US-Investment-Bank Lehman Brothers kollabierte und die globale Finanzkrise ihren Lauf nahm. Seither steht Fremdkapital irgendwie im Ruf, ein Sicherheitsrisiko für Volkswirtschaften zu sein. Doch zur Ironie der Krise gehört auch, dass ausgerechnet dieses Sicherheitsrisiko zu immer günstigeren Konditionen bereitsteht. So rechnen sich niedrigere Eigenkapitalquoten umgehend, und auch die Umstrukturierung bestehender Schulden entlastet die Bilanz spürbar.

So geschehen bei der Sana Kliniken AG. Dort sank die durchschnittliche Verzinsung des Fremdkapitals von 4,92 Prozent im Jahr 2010 auf zuletzt 2,78 Prozent in 2015. Möglich wurde diese Verbesserung durch eine Reihe von Kapitalmarkttätigkeiten. 2010 platzierte der Konzern ein Schuldscheindarlehn, das ursprünglich auf 100 Millionen Euro ausgelegt war, wegen deutlicher Überzeichnung aber den doppelten Betrag einbrachte. In den beiden anschließenden Jahren folgten Tranchen in Höhe von 320 und 192 Millionen Euro. 2014 wollte das Sana-Management um den Ende 2016 scheidenden Vorstandsvorsitzenden Philippi und seinen designierten Nachfolger Thomas Lemke 75 Millionen Euro über ein neuerliches Schuldscheindarlehn erlösen. Tatsächlich kamen 300 Millionen Euro zusammen, die halfen, alte Verbindlichkeiten durch neue Titel zu niedrigeren Kosten abzulösen. Insgesamt stieg die Nettoverschuldung in fünf Jahren lediglich um zehn Prozent. Da die Bestandsaktionäre stetig auch neues Eigenkapital einbrachten, stieg die Eigenkapitalquote zeitgleich sogar um 2,7 Prozentpunkte auf 36,1 Prozent Ende 2015.

An welchen Kennzahlen lassen Sie sich von außen messen?

Am Vertrauen unserer Patientinnen und Patienten, also an der Leistungsinanspruchnahme unserer Kliniken, am organischen Wachstum. Dabei sollte am Jahresende eine Vier vor dem Komma stehen. Und selbstverständlich lassen wir uns an den üblichen wirtschaftlichen Kennziffern messen.

Im Geschäftsbericht 2015 weisen Sie auf Konzernebene sehr großformatig drei Kennzahlen aus: erstens: der Anstieg des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern (EBIT) von plus 9,4 Prozent …

EBIT und EBITDA sowie die entsprechenden Margen, gemessen am Umsatz, sind für uns wesentliche Steuerungskennzahlen, die auch den Vergleich mit dem Wettbewerb ermöglichen. Hier haben wir uns vorgenommen, kontinuierlich besser zu werden. Gegenüber den privaten Mitbewerbern sehen wir noch Potenzial nach oben – selbst wenn man die zum Teil unterschiedlichen Bilanzierungen bereinigt.

Die zweite genannte Kennzahl ist die durchschnittliche Verzinsung des Fremdkapitals von 2,78 Prozent, die bei aller Managementanstrengung wohl vorrangig der Zinspolitik der EZB zu verdanken ist.

Sie mögen recht haben, dass wir im Moment im Paradies für Fremdfinanzierung leben. Aber diese Kennzahl ist auch eine Bestätigung dessen, dass wir unser Verbindlichkeitsprofil aktiv und nachhaltig umfinanziert haben. Diese Managementleistung sähe ich schon gerne gewürdigt (Anm. Red.: siehe Spotlight S. 1149).

Und drittens die Rendite auf das langfristig eingesetzte Kapital (RoCE), die 2015 bei 9,4 Prozent lag. Warum ausgerechnet diese Kennzahl?

Der Return on Capital Employed ist in der Tat im Krankenhauswesen keine allgemein übliche Kennziffer. Da wir keinen Börsenkurs haben, halten wir diese Kennziffer aber für sehr geeignet, um unseren Aktionären zu verdeutlichen, was aus ihrem eingesetzten Kapital geworden ist, wie effizient wir mit dem eingesetzten Kapital umgehen.

2015 lag Ihre RoCE mehr als doppelt so hoch wie der allgemeine Kapitalkostensatz …

… was eindeutig zeigt, dass die vielen unterschiedlichen Aktivitäten Wirkung zeigen und dieses Unternehmen Sana Kliniken AG nachhaltig an Wert gewinnt.

Wie spiegeln sich diese Kennzahlen des Konzerns im Reporting der einzelnen Sana-Krankenhäuser wider? Welche Zahlen vertiefen Sie mit den Verantwortlichen vor Ort?

Der weitaus größte Teil unserer kaufmännischen Führungskräfte bis hinein ins mittlere Management und auch die medizinisch und pflegerisch tätigen Verantwortlichen werden regelmäßig mit den wirtschaftlichen Kennziffern, wie EBITDA oder Wertentwicklung des Unternehmens, konfrontiert.

Wie oft schauen Sie selbst auf die Zahlen jedes einzelnen Hauses?

Jeden Monat. Wir treffen uns regelmäßig mit den Regionalgeschäftsführern und schauen uns selbstverständlich alle relevanten Zahlen an.

Schauen Sie sich die Zahlen aus Offenbach, wo Sie 2013 ein stark defizitäres Haus übernommen haben, genauer an als andere?

Nicht unbedingt. Im Moment sind es eher andere Krankenhäuser. Wir werden uns Offenbach immer anschauen, weil natürlich noch viele Aufgaben vor uns liegen. Mit der Entwicklung sind wir – ohne Wenn und Aber – sehr zufrieden. Und dies wird sich auch 2016 fortsetzen.

Woran liegt das?

Zum Beispiel an den Fortschritten bei den Baumaßnahmen. Das Krankenhaus wird allmählich sichtbar. Nach dem Abriss der alten Gebäude fahren Sie jetzt nicht mehr auf ein Konglomerat von alten und neuen, unbewohnten und modernen Gebäuden zu, sondern auf ein neues Krankenhaus.

2012, kurz bevor Sana das Klinikum Offenbach für einen Euro gekauft hatte, schloss das kommunale Haus noch mit einem Defizit von über 40 Millionen Euro ab. 2015 veröffentlichten Sie ein Plus von 1,132 Millionen Euro. Was war der entscheidende Faktor für den Turnaround?

Wir haben uns vom ersten Tag an erfolgreich bemüht, das vorhandene Leistungsvermögen wieder in den Vordergrund zu rücken. Dabei haben wir durchaus einen ambitionierten Wettbewerbskurs in der Region eingeschlagen, indem wir zum Beispiel ein sehr renommiertes Team für ein Viszeralzentrum aus Wiesbaden gewinnen konnten und ein genauso renommiertes Team für die Adipositaschirurgie aus Frankfurt. Diese und zahlreiche weitere Maßnahmen haben dem Klinikum insgesamt Vertrauen eingebracht – einerseits vertraut die Bevölkerung wieder dem Klinikum, und andererseits vertrauen die Beschäftigten wieder ihren eigenen Fähigkeiten. Das zeigen die sehr stabil steigenden Leistungszahlen, die uns mittlerweile schon Kapazitätsprobleme bescheren. Aber solche Probleme habe ich als Krankenhausmanager lieber als die Frage, ob Patienten kommen.

Die Gewerkschaft Verdi und die regionalen Medien würden Ihnen widersprechen: Sie sehen den Grund für die positiven Bilanzzahlen vielmehr in einem straffen Sparkurs beim Personal. Immerhin haben Sie im großen Stil Aufgaben ausgelagert.

Richtig ist, dass heute der Krankenhausbetrieb in den patientenfernen Diensten – zum Beispiel Reinigung, Küche – in den Personalstrukturen des öffentlichen Dienstes nicht mehr finanzierbar ist. Deswegen bedurfte es auch in Offenbach einer entsprechenden Restrukturierung. Wir haben vor Ort eine Lösung gefunden, die unstrittig – und das ist schmerzhaft – Arbeitsplätze gekostet hat, aber gemessen an den anfangs genannten Befürchtungen in einem deutlich geringeren Umfang. In Anbetracht der bestehenden Finanzierungsbedingungen sind solche Einschnitte unausweichlich. Aber wir haben heute mehr medizinisch-pflegerisches Personal in Offenbach als zu dem Zeitpunkt, als wir dort angefangen haben.

Lassen sich die Folgen des Krankenhausstrukturgesetzes bereits in den Bilanzen der einzelnen Häuser ablesen?

Auf der Habenseite jedenfalls nicht. Das Pflegeförder- programm befindet sich noch in der Umsetzung. Der Pflegezuschlag wird noch diskutiert. Manch anderes, was für die Kliniken zu mehr Mitteln führen sollte, etwa die Zentrumszuschläge oder die Zuschläge für die Umsetzung von G-BA-Beschlüssen, ist noch nicht über das Stadium der Willensbekundungen hinausgekommen. Wirklich bemerkenswert finde ich aber etwas anderes: Bisher hat das InEK jedes Jahr den neuen DRG-Katalog vorgestellt, mit dem Krankenhäuser und Kassen arbeiten mussten. Jetzt wird erstmals unmittelbar Hand an dieses System gelegt – sei es bei den abgestuften Bewertungsrelationen oder bei der Bereinigung um vermeintlich zu hohe Sachkostenanteile in den DRG. Wer das einmal macht, wird es immer wieder tun. Ab jetzt wird es bei jedem Problem heißen: Uns passt etwas an dieser oder jener Vergütung nicht, also müssen wir wieder Hand anlegen. Ich befürchte, wir werden ein munteres politisches Gestalten erleben.

Die Gründung des „Vereins zur Planung und Förderung privater Krankenhäuser“, aus dem vor 40 Jahren die Sana hervorgegangen ist, erfolgte aus der Befürchtung heraus, dass die politische Stimmungslage privates Engagement im Gesundheitswesen sukzessive einschränken werde. Was wurde in 40 Jahren erreicht?

In kaum einem Land Europas spielen private Krankenhäuser eine nennenswerte Rolle in der Patientenversorgung, ist die Trägervielfalt so breit. Da ist Deutschland eine positive Ausnahme. Insofern hat sich in 40 Jahren doch einiges entwickelt.

Rot-Rot-Grün tanzt sich auf dem Berliner Parkett warm, alle drei können mit der PKV wenig anfangen. Kapitalgedeckte soziale Sicherungssysteme scheinen in Nullzinsökonomien ohnehin außer Mode. Macht Ihnen der Blick in die Zukunft Sorgen?

Sollte es zu einer linksgerichteten Koalition kommen, wird die Finanzierung von Gesundheitsleistungen in dreifacher Hinsicht ein Thema. Als Erstes wird sicherlich die Schonung der Arbeitgeber bei den Zusatzbeiträgen wegfallen, also die Beitragsparität wiederhergestellt werden.

Wie stehen Sie als Arbeitgeber dazu?

Ich persönlich halte die paritätische Finanzierung für die richtige Entwicklung. Das würde auch unmittelbar dazu führen, dass Diskussionen über die verfügbaren Mittel intensiver geführt werden, weil die Arbeitgeber ihren Einfluss auf die Gestaltung des Gesundheitswesens wieder ernsthafter wahrnehmen müssen.

Das war der erste Aspekt …

Der zweite Grund, warum die Finanzierung ein Thema werden wird, ist die Sympathie für die Bürgerversicherung. Das löst bei einem Noch-Vorstandsvorsitzenden einer Krankenhauskette, die den privaten Krankenversicherungen gehört, natürlich wenig Freude aus: Mit der Integration der PKV in die GKV lösen wir aber kein einziges Problem. Dahinter steht die eigentümliche Vorstellung, dass der Privatpatient das GKV-System sanieren hilft. Dabei wissen alle, dass viele Beamte, auch mit kleinen Einkommen, privat versichert sind. Ökonomisch löst die Bürgerversicherung kein einziges Problem der künftigen Gesundheitsversorgung.

Und der dritte Aspekt …

… ist die Thematik der Finanzierung der Pflege. Große Teile der genannten politischen Gruppierungen glauben ganz fest daran, dass Personalmindeststandards der Heilsbringer zur Entlastung des Personals sind. Das ist, selbst wenn die Finanzmittel bereitgestellt würden, der falsche Weg, weil er von der Fiktion ausgeht, dass auch das Personal vorhanden ist. Aber wir werden hierüber intensiv diskutieren.

Das Krankenhausstrukturgesetz zielt darauf ab, stationäre Einrichtungen zu schließen oder in andere Versorgungsstrukturen zu wandeln. Das bedroht das klassische Geschäftsmodell der Privaten – Wachstum durch Zukauf. Was lässt Sie glauben, dass es künftig wieder vermehrt Privatisierungen geben wird?

Zugegeben, aktuell steht der Privatisierungszug im Bahnhof. Trotzdem nimmt die Konsolidierung zwischen den Krankenhausgruppen Formen an – auch wenn es noch eher kleinere Projekte betrifft. Und der wirtschaftliche Druck auf die Kliniken wird wieder zunehmen. Die einigermaßen komfortable Finanzierungssituation wird sich nicht in alle Ewigkeit fortschreiben lassen. Und die Situation vieler Kliniken ist dennoch nicht rosig. Die weitere Entwicklung wird davon abhängen, ob kommunale und freigemeinnützige Gruppen in der Lage sind, sich in Verbünden zu organisieren. Wenn nicht, wird es zu weiteren Privatisierungen kommen.

In den 1990er-Jahren wurden knapp 100 Kliniken privatisiert, in den 2000er-Jahren waren es mehr als 100. Im laufenden Jahrzehnt, das zu mehr als zwei Dritteln um ist, sind es knapp 30. Was sind die signifikanten Hindernisse für Privatisierungen?

Phasen von grundlegender Veränderung führen dazu, dass die Beteiligten abwarten. Im Augenblick sagt sich jeder Träger, dass es einen neuen gesetzlichen Rahmen gibt, der neue Optionen schafft und neue Mittel bereitstellt. Dies ist der eine Grund. Hinzu kommt, dass auch andere Träger oder Trägergruppen in der jüngeren Vergangenheit dazugelernt haben und zum Teil erfolgreich Instrumente und Strategien, die wir als Private schon länger ausbauen, adaptieren. Und nicht zuletzt haben wir ein politisches Klima, das es unglaublich schwer macht, die für eine Privatisierung notwendigen Mehrheiten herzustellen. In fast allen kommunalen Entscheidungsgremien sind zahlreiche Parteien vertreten ohne feste Koalitionen. Eine Mehrheit für den Verkauf eines kommunalen Krankenhauses bedarf einer stabilen politischen Willensbildung. Ich würde Ihnen aber widersprechen, dass das Geschäftsmodell von Sana darunter leidet. Es gibt genügend andere Geschäftsfelder, die einen Krankenhausbetrieb flankieren und bei Weitem nicht so stark den Befindlichkeiten rund um den Krankenhausbetrieb unterliegen.

Konkret bitte …

Zum Beispiel die vor- und nachgelagerten Bereiche, neue Produkte, Beteiligungen an Unternehmen, die im weitesten Sinne mit einem Krankenhaus zu tun haben, aber nicht Teil des Krankenhauses sind. Oder die Frage, welche Partner die Digitalisierung voranbringen. Die Peripherie des Krankenhausgeschehens mitzugestalten, ist und wird in Zukunft noch stärker unser Geschäftsfeld sein.

Das Management fremder Einrichtungen haben Sie bewusst nicht genannt?

Wir sehen in der Tat eine Renaissance des Managementvertrags – zumindest in Süddeutschland. Viele Träger können oder wollen nicht privatisieren, sehen aber ein, dass sie einen starken Verbund und einen dauerhaften Austausch benötigen.

Denken Sie darüber nach, Ihr altes Produkt Managementvertrag noch einmal neu zu beleben?

Das hängt unter anderem davon ab, wie interessant die Objekte sind und wie wir mit einem anderen Engpass umgehen: Können wir genügend qualifizierte Managerinnen oder Manager bereitstellen?

Schaffen Sie langfristig mit solchen Managementverträgen Argumente für die Übernahme von Standorten?

Wenn ich die Historie betrachte, spricht wenig für diese These. Wir haben in den gesamten 40 Jahren Sana nur aus dem Managementvertrag in Freiberg eine Minderheitsbeteiligung gemacht, in Dahme-Spreewald haben wir den Managementvertrag direkt mit einer Minderheitsbeteiligung begonnen, in Duisburg ebenso. Und wir arbeiten daran, aus dem Managementvertrag das DRK-Krankenhaus Middelburg in Schleswig-Holstein zu übernehmen.

Auch außerhalb der kommunalen Familie haben Träger schöne Töchter, bei denen Sie offenbar ein umworbener Bräutigam sind: Ihr Konterfei ziert die Oktober-Titelseite des Magazins „Wohlfahrt intern“ – mit güldenem Rahmen und der Schlagzeile „Wohlfahrts Liebling“. Wie kam es denn zu dieser rhetorischen Liebesgeste aus dem freigemeinnützigen Lager?

Die Interessen freigemeinnütziger Träger sind bei einem Verkauf ihrer Einrichtungen in Teilen anders als bei kommunalen Verkäufern. Darauf kann man sich, kann Sana sich verständigen. Beginnend mit der Mehrheitsbeteiligung am Karl-Olga-Krankenhaus in Stuttgart vor fast 30 Jahren über das heutige Sana Klinikum Lichtenberg, ursprünglich in der Trägerschaft des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, bis zur Diakonie in Rummelsberg haben wir es immer verstanden, auf die spezifischen Erwartungen der freigemeinnützigen Träger auch nach der Übernahme einzugehen. Die Ordensschwestern in Stuttgart sind zum Beispiel bis heute mit an Bord, wir treffen gemeinsame richtungsweisende Entscheidungen für das Karl-Olga- Krankenhaus. Ähnliches gilt für die anderen Partnerschaften.

Wie kam es zur Übernahme des Bethesda-Krankenhauses in Stuttgart?

Man muss sich nur die Landkarte von Agaplesion ansehen, dann sieht man, dass es in der Region Stuttgart nur ein einzelnes Agaplesion-Haus gab. Solche Strukturen ohne Beziehungen zu benachbarten eigenen Kliniken und ohne Möglichkeit zur Cluster-Bildung sind ausgesprochen schwierig zu managen, wenn es sich nicht um größere Einheiten handelt. Das hat Agaplesion offenbar zu der Überlegung veranlasst, das Bethesda-Krankenhaus sich besser im Sana-Verbund weiterentwickeln zu lassen.

Macht dieses trägerübergreifende Denken gerade Schule? In Darmstadt hat das kommunale Haus zwei katholische übernommen. In Hamm entwickeln das Evangelische Krankenhaus und das katholische St. Marien-Hospital ihre Strategien gemeinsam. Einzelne Behandlungen wie etwa die TAVI machen ganz überraschende Kooperationen möglich.

Über kurz oder lang werden die Krankenhäuser solche Modelle nahezu überall durchdenken – völlig egal, welche Trägerschaft und auch ungeachtet der Kraft eines Konzerns. Es kann nicht für jeden Standort auf Dauer eine eigenständige Perspektive geben. Also werden Kooperationen notwendig.

Wird Sana umgekehrt Standorte weitergeben, weil sie sich in anderen Verbünden besser entwickeln lassen?

Wir haben uns von unseren Beteiligungen in Bad Kreuznach, in Zollernalb und im Landkreis Rotenburg getrennt, in allen Fällen mit guten Perspektiven für die Kliniken.

Im Geschäftsbericht schreiben Sie, dass das an sich erfreuliche Gesamtergebnis beeinträchtigt wird durch Ergebnis und Marge der Pflegeeinrichtungen und MVZ. Als Folge wollten Sie das Portfolio noch stärker auf Ihr Kerngeschäft ausrichten. Klingt das nach Desinvestment?

Für die Altenpflege klingt das nach Desinvestment, das ist richtig.

Fehlt es Ihnen an Kompetenz?

Wir haben nie Altenpflege als kraftvolles Geschäftsfeld entwickelt. Altenpflege ist immer im Kontext der Krankenhäuser Teil des Konzerns geworden. Insgesamt hat dieser Bereich keine signifikante Größe bei Sana erreicht. Es fehlen damit auch Anknüpfungspunkte, dieses Feld ernsthaft zu entwickeln. Es ist eindeutig: Altenpflege können andere besser.

Was heißt das für die Altenpflege bei Sana in spe?

Wir sind auf der Zielgeraden, die Altenpflegeeinrichtungen der Stadt Düsseldorf an einen freigemeinnützigen Partner, das Deutsche Rote Kreuz, zu veräußern und werden auch eine Einrichtung in Norddeutschland schließen, weil wir dort trotz langer und intensiver Anstrengungen keinen Käufer gefunden haben.

Und bei den MVZ?

Die Schwärmereien von wunderbaren blühenden Landschaften der Medizinischen Versorgungszentren haben sich schlicht und einfach nicht realisiert.

Diese Einschätzung kommt überraschend zu einem Zeitpunkt, da der Gesetzgeber alternative, smarte, integrierte Versorgungsformen mit Struktur- und Innovationsfonds fördern will.

Damit lösen wir noch nicht das Problem, wie wir einen Kassenarztsitz neu besetzen sollen. Das ist für uns als Krankenhausträger genauso schwierig wie für die Kassenärztlichen Vereinigungen. Und auch der Umstieg des Freiberuflers Arzt in eine Anstellung führt mitunter zu Verhaltensänderungen, die den Betrieb eines MVZ nicht leichter machen.

Steht nicht zu befürchten, dass Sie sich aus der Verantwortung, Versorgung neu zu gestalten, auf Dauer verabschieden, wenn Sie sich ausschließlich auf Kliniken konzentrieren?

Ganz im Gegenteil: Um Versorgung zu gestalten und zu strukturieren, dafür müssen Sie nicht Eigentümer sein, sondern Sie brauchen vernünftige Mittel, Wege und Vertragspartner. Es geht um die Gestaltung des Miteinanders, nicht ausschließlich um die Kontrolle. Wir sollten die Freiberuflichkeit der niedergelassenen Ärzte als Wesensmerkmal akzeptieren.

Was machen Sie am 2. Januar?

Vermutlich noch Urlaub.

Und danach?

Ich werde mit Studenten etwas machen, mit Führungskräften und mit Unternehmen ebenfalls. Genaueres wird sich weisen.

Die 1976 gegründete Sana Kliniken AG ist die drittgrößte private Klinikgruppe Deutschlands. Alleinige Eigentümer des Konzerns sind 29 private Krankenversicherungen. Der Umsatz stieg im Geschäftsjahr 2015 um 8,1 Prozent auf 2.329,2 Millionen Euro (2014: 2.155,5), das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) um 15,3 Millionen Euro auf 195,4 Millionen Euro. Die EBITDA-Marge lag 2015 mit 8,4 Prozent auf Vorjahresniveau. Die Eigenkapitalrendite stieg um einen Prozentpunkt auf 10,1 Prozent. Der Konzernjahresüberschuss (EAT) wurde um 9,8 Millionen Euro auf 71,3 Millionen Euro gesteigert. Knapp 2,2 Millionen Patienten ( 20 Prozent) wurden 2015 in den 48 Sana-Einrichtungen versorgt. Somit waren 28.550 Mitarbeiter für 524.556 stationäre und 1,7 Millionen ambulante Behandlungsfälle verantwortlich.

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