Hatten wir das nicht schon mal? Irgendwie kommt mir das bekannt vor: „Die Ausfinanzierung des von den Krankenhäusern geltend gemachten und nachgewiesenen Personals für die Pflege und die damit verbundenen tatsächlichen Kosten einschließlich Überstundenauszahlungen müssen den Status einer unwiderlegbaren Berechtigungsvermutung im neuen Pflegesatzrecht erhalten“, schreibt jüngst unser geschätzter DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Seit der Krankenpfleger aus Hildesheim im September 2017 die Bundeskanzlerin mit dem Pflegenotstand konfrontiert hat, herrschen zugleich Betroffenheit und Aktionismus: Personalstellenschlüssel, Flächentarif, Sofortprogramm Pflege und jetzt Konzertierte Aktion Pflege.
Gute Pflege bedeutet Zuwendung. Die benötigt Zeit und genügend Personal. Daran zweifelt niemand. Vor allem nicht wir bei Agaplesion, Deutschlands größtem christlichen und gemeinnützigen Gesundheitskonzern. Aber die alten Methoden aus den 1970er-Jahren des vergangenen Jahrtausends, zum Beispiel festgeschriebene Personalschlüssel mit Selbstkostendeckungsprinzip, aus der Mottenkiste zu holen, ist doch ziemlich einfallslos. Oder glaubt die Politik im Ernst, dass etwas mehr Pflegekräfte (woher sie auch immer kommen mögen) nun durch noch mehr staatliche Regulierung und Aufsicht eine bessere Qualität bewirken können? Nein – sie und wir werden noch mehr dokumentieren, nachweisen, abwehren, klagen und die Zeit mit Bürokratie verbringen. Mal sehen, was für die Patienten am Ende noch übrig bleiben wird.
DRG-System und Krankenhausfinanzierung sind grundsätzlich richtig konzipiert. Allerdings werden sie vielfach ausgehöhlt, zum Beispiel durch den Fixkostendegressionsabschlag. Oder dadurch, dass gesetzliche Verpflichtungen wie die Investitionskostenfinanzierung sanktionslos nicht erfüllt werden. Partikularinteressen haben das System durchsetzt. Statt aufzuräumen und Komplexität abzubauen, wird nun noch eins draufgesetzt.
Anreize für uns als Anbieter, durch überlegte und am Patienten ausgerichtete Organisation, durch einen zielführenden Mix der Qualifikationen unterschiedlicher Berufsgruppen, durch eine effektive Steuerung der Prozesse, durch gute Information und Kommunikation im gesamten Behandlungsnetzwerk, durch Digitalisierung oder durch Innovationen mehr Zeit und Aufmerksamkeit für die Patienten zu gewinnen, werden so bestimmt nicht gesetzt. Im Gegenteil: Wir werden uns stattdessen um die punktgenaue Erfüllung von Auflagen kümmern müssen.
Zurück aus der Zukunft: Bis vor Kurzem war ich noch der Meinung (die ich gerade begrabe), dass Innovationen und allen voran die Digitalisierung mehr Patientenorientierung durch Überwindung von Sektorengrenzen und durch Verknüpfung von ambulant und stationär bewirken werden. Mir ist zwar nicht bang um unsere Existenz. Diakonische Einrichtungen gibt es seit mehr als 170 Jahren. Egal, ob ehrenamtliches Engagement, Staatswirtschaft oder „Wettbewerb“ – wir sind in der Lage, unsere Handlungsweisen und Organisationen neu zu justieren. Aber schade ist es schon, dass nun die Reglementierung noch weiter zunimmt. Und deswegen plädiere auch ich für eine konzertierte Aktion: Sie heißt „Grüne Wiese“ und hat zum Ziel, völlig neu und vor allem ohne Rücksicht auf irgendwelche vorhandenen Akteure und Strukturen ein effektives „Gesund-Bleibe-Wesen“ zu erfinden.