Sieht aus wie echt, ist aber eine Kulisse: Das neue Lernzentrum für individualisiertes medizinisches Tätigkeitstraining und Entwicklung, kurz Limette, an der Uniklinik Münster hat 24 kleine Arztzimmer. Darin mimen Schauspieler echte Patienten. Mit ihnen zu kommunizieren, die richtige Therapie vorzuschlagen, ist Aufgabe von Medizinstudenten. Ihre Performance wird gefilmt und im Anschluss ausgewertet.
Besuchsort
Untersuchungsräume, intensivmedizinische Betten, eine Arztpraxis: Das Center of Competence auf dem Gelände des Universitätsklinikums Münster ist eine Kulisse, in der Medizinstudenten seit 2006 Wissen in möglichst lebensnaher Umgebung erwerben sollen – indem sie mit Patienten und deren Leiden konfrontiert werden. Die Patienten sind Profi-Schauspieler, ihre äußeren Verletzungen sind geschminkt, ihre Schmerzen gespielt, der soziale Kontext ist erfunden. Wie der Student als angehender Mediziner mit der Situation umgeht, wird gefilmt und ausgewertet. Ganz neu ist im vergangenen Jahr das Lernzentrum für individualisiertes medizinisches Tätigkeits-Training und Entwicklung (Limette) dazugekommen. Der Neubau dafür hat 1,6 Millionen Euro gekostet. Er enthält zwei hochmoderne Panoptiken auf zwei Etagen mit Blick in jeweils zwölf Behandlungsräume und ferngesteuerter Videoanlage. Die Uni zeigt damit, wie kompetenzbasiertes, praxisorientiertes Lernen in Zukunft aussehen kann.
Weitere Besonderheiten
Sobald der Student sich per Karte in der Limette registriert, beginnt die Videoaufzeichnung. Die Uhr läuft. In den Behandlungszimmern warten sechs „Patienten“ mit Leiden aus einem bestimmten medizinischen Bereich auf ihn oder auch Röntgenbilder, die ausgewertet werden müssen. Sieben Minuten Zeit hat der Student in jedem Raum. Nur 90 Sekunden bleiben ihm davor, um sich kurz in die jeweilige Krankengeschichte einzulesen. Weitere 90 Sekunden gewährt man ihm danach für die Dokumentation. Im Cockpit sitzen seine Kommilitonen und ein Oberarzt. Sie bewerten im Anschluss das ärztliche Handeln des Studenten. Er selbst kann es zu Hause anhand des Videos nochmals reflektieren.
Warum ein Hausbesuch fällig wurde
„Die Limette verfolgt sowohl einen Teaching- als auch einen Assessment-Ansatz. Die Studenten erwerben durch situatives Lernen wichtige Kompetenzen, und sie erhalten eine Fremdeinschätzung“, sagt Prof. Dr. Bernhard Marschall, Studiendekan der Medizinischen Fakultät und Geschäftsführer des Instituts für Ausbildung und Studienangelegenheiten. „Konzeptionell ist das in der Ausbildung ein Paradigmenwechsel. Wir werfen hier das trockene Lernen im Hörsaal oder zu Hause und das klassische Schauen auf Noten über Bord. Es geht um den Erwerb und das Bewerten von Kernkompetenzen. Das funktioniert in einem Multiple-Choice-Examen nicht, in einer Limette-Prüfsituation aber schon.“ Dafür werde jedoch im Curriculum keine Zeit mit echten Patienten gestrichen. Ab dem zweiten klinischen Semester stehen Limette-Durchgänge in Münster auf dem Stundenplan, 16 gibt es aktuell schon. Solch ein Lernzentrum für Medizinstudenten ist europaweit bislang einzigartig.