Leitlinien

Fluch oder Segen Tarifbindung

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  • Reha
  • 14.10.2019

f&w

Ausgabe 10/2019

Seite 938

Michael Skorzak

Die Tarifbindung in Deutschland geht nach Medienberichten zurück. Sinkende Löhne führen zu niedrigeren Sozialversicherungsbeiträgen, was als unsozial und unsolidarisch empfunden wird. Den Sozialversicherungen entgehen dadurch Einnahmen in Milliardenhöhe, die Solidargemeinschaft wird letztlich belastet. Was lässt sich daraus für den Bereich der Rehabilitation ableiten? Gäbe es keine Tarifflucht, könnten beispielsweise die Mehreinnahmen aus den Kranken- und Rentenversicherungsbeiträgen in das Budget der medizinischen Reha fließen. Daher gibt es Forderungen aus Gewerkschaftskreisen, öffentliche Aufträge nur noch an tarifgebundene Unternehmen zu vergeben. Eine derart bevorzugte Auftragsvergabe, in Form einer Steuerung der Patientenströme, verstieße jedoch gegen das wichtige Wunsch- und Wahlrecht der Rehabilitanden.

Zu den Strukturvorgaben der Kostenträger gehören die berufsgruppenspezifischen Personalschlüssel, diese sind Voraussetzung für den Versorgungs- beziehungsweise Belegungsvertrag. Leider führen diese Vorgaben nicht zwangsläufig zu auskömmlichen Vergütungssätzen. Daher bleibt es nicht aus, dass Reha-Kliniken auf ökonomische Ausgleichstrategien wie eine Absenkung der Lohnkosten setzen müssen. Diese Ergebnisverbesserung, unter Berücksichtigung der professionsbedingten knappen Ressource Personal, ist nur möglich durch Tarifflucht. Sie verschafft zwar zusätzlich Wettbewerbsvorteile, da die Rehabilitationsleistung kostengünstiger angeboten werden kann. Niedrigere Löhne erzielen jedoch auch niedrigere Sozialversicherungsbeiträge.

Hier setzt der Referentenentwurf für ein Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz an der richtigen Stelle an. Darin wird festgehalten, dass die Bezahlung tarifvertraglich oder im Rahmen des kirchlichen Arbeitsrechts vereinbarter Vergütungen nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden kann. Zusätzlich ist es jedoch dringend erforderlich, auch den Grundsatz der Grundlohnsummenbindung als maximale Steigerungsrate per Gesetz aufzuheben. Bisher sind die Kostenträger in der Leistungsvergütung daran gebunden. Durch die Aufhebung können höhere Löhne auch mittels höherer Vergütungssätze kompensiert und Tarifgebundenheit wieder attraktiv werden. Dies hilft vor allen Dingen den Mitarbeitenden im Hochlohnbetrieb Reha, deren Professionen nicht dem Schutz beziehungsweise Regulativ der Personalstrukturvorgabe unterliegen. Auf deren Rücken wird der Preisdruck durch höhere Produktivität und Leistungsverdichtung bisher ausgeglichen.

Wer aus ökonomischer Notwendigkeit heraus die Tarifgebundenheit infrage stellen muss, sollte aber bitte sowohl als Leistungserbringer als auch als Kostenträger nicht den Mitarbeiter als Mensch vergessen. Im katholischen Arbeitsrecht erleben wir, dass gut und fair entlohnte und behandelte Mitarbeitende zufriedener, loyaler und gesünder sind. Ein gesunder Mitarbeiter tut sich selbst und seiner Umgebung gut. Dies spürt der Rehabilitand, es unterstützt seine Genesung.

Der Autor ist Betriebsleiter der Vinzenz Klinik und Luise von Marillac Klinik.

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