Interview

Kein Problem mit Mindestmengen und Qualität

  • Krankenhausplanung
  • Titel
  • 21.12.2020

f&w

Ausgabe 1/2021

Seite 18

Stephan Unger ist seit Anfang dieses Jahres Geschäftsführer des Klinikums Nordfriesland. Zuvor war er dort als Kaufmännischer Direktor tätig.

Nach einem Bürgerentscheid 2017 zum Erhalt der Krankenhausstandorte im Kreis Nordfriesland , kündigte Schleswig-Holstein mehrere Millionen Investitionen in zwei der drei Häuser des Klinikums Nordfriesland an. Für Geschäftsführer Stephan Unger haben vor allem die Kliniken in Niebüll und Wyk auf Föhr ihre Daseinsberechtigung. Die Insel Föhr hat mit 18 Planbetten Deutschlands zweitkleinstes Krankenhaus.

Herr Unger, im Juli 2020 lobte Sie der Aufsichtsratsvorsitzende des Klinikums Nordfriesland, Sie seien der Richtige für die Vorbereitung des Klinikums auf die Zukunft. Was ist Ihre Strategie für die Grund- und Allgemeinversorger in Niebüll und Wyk auf Föhr?

Zum einen müssen wir die dafür notwendigen infrastrukturellen Voraussetzungen schaffen. Es muss uns zweitens auch gelingen, Personal zu gewinnen. Das ist hier ungleich schwieriger als in einem Ballungsgebiet, Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung von Stellen bleiben nicht aus. Aber wir haben gleichzeitig den Vorteil einer sehr reizvollen Region und verfügen zudem über ein gutes Personalmarketing. An allen drei Standorten sind unter anderem alle Chefarztpositionen gut besetzt. Drittens wollen wir mit unseren kleinen Häusern Niebüll und Wyk wirklich eine hochwertige Grund- und Regelversorgung abbilden, es geht nicht um eine Spezialisierung.

Viele Jahre in Folge haben die Häuser rote Zahlen geschrieben, 2018 lagen sie nur knapp über null, in allen drei Kliniken ist 2018 die Zahl der stationären Fälle zurückgegangen. Wie sicher ist der Erhalt der Standorte?

Die Bilanz ist durchwachsen, ja. Dennoch hat gerade auch die Zeit der Corona-Krise ab März gezeigt, dass wir einen hohen Zulauf an Patienten und eine Bindung der Menschen an unsere Einrichtungen haben. Da gab es kaum Vorbehalte, die Kliniken wegen erhöhter Ansteckungs­gefahr mit Covid-19 zu meiden. In der Klinik Husum lag der Fallzahlrückgang 2018 vor allem in der Baumaß­nahme „neuer Kreißsaal“ begründet. In der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe gab es daher 168 Fälle weniger. In diesem Jahr haben wir in der Corona-Hochzeit von März bis Juni dort sogar deutlich mehr Fälle gegenüber dem Vorjahr behandelt. Zudem sichern die Standorte die Notfallversorgung vor Ort. Insgesamt hilft uns in den Häusern Niebüll und Wyk der Sicherstellungszuschlag. Vom Landkreis als Träger werden wir sehr gut unterstützt, die Zusammenarbeit mit dem Landrat ist sehr vertrauensvoll. Und auch das Land Schleswig-Holstein investiert in Neuerungen an unseren Standorten. Man sieht hier die Notwendigkeit, auch kleine Häuser zu erhalten. Das werte ich als positives Zeichen.

Ein häufiges Argument für die Reduzierung von Standorten ist, kleine Häuser könnten die Mindestmengen nicht erfüllen und würden deshalb eine schlechtere Behandlungsqualität anbieten ...

Wir erfüllen die Mindestmengen. Manchmal nicht an allen Standorten, aber wir sehen uns als Gesamtklinikum mit einem untereinander abgestimmten Leistungsangebot. Im Inselkrankenhaus auf Föhr, das eher in der Urlaubssaison stark frequentiert wird, können leichte Fälle behandelt werden, weitergehende Behandlungen sind in Niebüll oder Husum möglich. Für Herzinfarkte, Schlaganfälle oder auch pädiatrische Behandlungen kooperieren wir mit dem Westküstenklinikum in Heide. Dorthin haben wir auch eine telemedizinische Anbindung. Wir bilden unsere Mitarbeiter regelmäßig fort und haben kein Problem, im Rahmen unseres Leistungsspektrums eine Behandlung nicht in der erforderlichen Qualität anbieten zu können. Die Debatte um Mindestmengen sehe ich durchaus kritisch: Die Menge durchgeführter Behandlungen ist schon ein Indikator für Qualität, aber eben nicht der einzige. Mancher Chirurg mag eine OP oft durch­führen, aber trotzdem nicht gut und umgekehrt.

Die Inselklinik auf Föhr ist mit 18 Planbetten Deutschlands zweitkleinstes Krankenhaus, das, wie Sie selbst sagen, vor allem leichte Fälle und vor allem Touristen behandelt. Wäre hier ein Gesundheitszentrum, wie von Ökonom Busse (Seite 14) vorgeschlagen, denkbar?

Ich sehe es schon so, dass auf Föhr tatsächlich ein Krankenhaus notwendig ist, zumindest für erste Akutbehandlungen und leichtere stationäre Fälle. Hier ein rein betriebswirtschaftliches Maß anzulegen, wäre zu kurz gesprungen. Denn man muss auch die Erreichbarkeit der nächsten Kliniken beachten. Das Entscheidende ist doch: Wenn wir über den Bedarf an Krankenhäusern reden, dürfen wir nicht die Uniklinik und den kleinen Grund- und Allgemeinversorger in einen Topf werfen. Grundver­sorgung ist notwendige Daseinsvorsorge in der Fläche. Da sind auch kleine Häuser mit dem, was sie können, not­wendig. Das sollte von politischer Seite unterstützt werden.

Wo sehen Sie Ambulantisierungspotenzial am Klinikum Nordfriesland?

Grundsätzlich findet nicht zuletzt aufgrund des medizinischen Fortschritts eine Ambulantisierung in verschiedenen medizinischen Bereichen statt. Selbstverständlich stellen wir uns auch diesem Thema und entwickeln unser ambulantes Potenzial permanent weiter. Ein Beispiel dafür ist unser Standort Tönning. Hier wurde Ende 2016 der stationäre Krankenhausbetrieb eingestellt; aktuell über­arbeiten wir das medizinische Konzept, um so die bestmöglichen Voraussetzungen für den zeitnah geplanten Neubau unseres Regionalen Gesundheitszentrums Tönning zu schaffen. Ich möchte betonen, dass dies nur eine Ergänzung und kein Ersatz für die flächendeckende akutstationäre Krankenhausversorgung sein kann.

Nach einem Bürgerentscheid 2017 beschloss das Land, die drei Standorte Niebüll, Husum und Föhr zu erhalten und knapp 50 Millionen Euro in deren Sanierung zu investieren. Inwieweit ist das bereits umgesetzt?

Inzwischen beträgt das Investitionsvolumen etwa 95 Millionen Euro. In Tönning, dem 2017 geschlossenen Krankenhausstandort, erfolgten der Rückbau des alten Krankenhauses und der Neubau des Gesundheitszentrums. In Husum wird vermutlich in 2021 mit dem Bau eines neuen Bildungszentrums begonnen. Für den Standort Niebüll sind zwei neue OP-Säle geplant. Auf Föhr haben wir im vergangenen Jahr für etwa eine halbe Million Euro das Dach saniert. Zudem wurden die Patientenzimmer mit Klimaanlagen ausgestattet – hier ist der Förderverein auf der Insel sehr aktiv.

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