Die altgediente Chefarztriege geht in Rente. Der ärztliche Nachwuchs kann sich Besseres vorstellen, als sich deren hohe Arbeitsbelastung aufzubürden. Vielen Krankenhäusern fällt es schwer, frei werdende Positionen wieder zu besetzen.
Chefärzte haben einen langen steinigen Weg hinter sich: erst sechs Jahre Medizinstudium, dann – je nach Fachrichtung – eine fünf bis sechs Jahre währende Weiterbildung. Sofern die jungen Fachärzte sich nicht in die Niederlassung oder in die Wirtschaft verabschieden, können sie sich ein paar Jahre lang ihre Sporen im Krankenhaus verdienen, Stationsarzt und später Oberarzt werden. Die Krönung der Laufbahn ist dann die Chefarztposition.
Oder auch nicht. Die Personalberatung Rochus Mummert hat im vergangenen Jahr in Zusammenarbeit mit dem Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie die Karriereziele von Oberärzten an deutschen Universitätskliniken untersucht. Ergebnis: Nur noch 14 Prozent der befragten Oberärzte peilen die klassische Chefarztkarriere an. 22 Prozent wollen Oberarzt bleiben. 23 Prozent ziehen die universitäre Sektionsleitung vor, 22 Prozent streben nach einer Universitätsprofessur. 8 Prozent denken darüber nach, sich selbstständig zu machen. 3 Prozent erwägen, in die Industrie oder die Beratung abzuwandern.
In einer Blitzumfrage wollten f&w und die Personalberatung Rochus Mummert wissen: Was ist Geschäftsführern und Ärzten heute wichtig? Welche Rahmenbedingungen bieten und erwarten beide Seiten – und wie stimmen diese letztlich überein? Lesen Sie die wichtigsten und überraschendsten Ergebnisse hier (Abobereich).
Immer häufiger ist die Rede davon, dass Krankenhäuser Schwierigkeiten haben, Chefarztstellen nachzubesetzen. „Das stimmt nur bedingt“, meint Personalberaterin Andrea Köhn. „Es gibt begehrte Standorte und solche, wo niemand hinwill. Ballungszentren sind attraktiv, die Peripherie ist es eher nicht.“ Auch vom Fach hängt es ab, ob Chefarztnachwuchs vorhanden ist.

Eine aktuelle Umfrage von f&w weist die Gastroenterologie und die Geriatrie als die Gebiete mit den wenigsten Bewerbern aus. Laut Rochus Mummert gibt es drei Gründe, weshalb die Chefarztposition immer unattraktiver wird. Erster Knackpunkt: Viele Oberärzte wollen hauptsächlich kurativ arbeiten. Zwar müssen Chefärzte ausgewiesene Könner ihres Faches sein, zusätzlich obliegen ihnen jedoch auch die wirtschaftliche Verantwortung, die ärztliche Weiterbildung und die strategische und organisatorische Weiterentwicklung ihrer Abteilung. Chefärztinnen und Chefärzte müssen über Leadership-Fähigkeiten und Kommunikationsstärke verfügen. Auch Stresstoleranz müssten sie mitbringen.
Das unterstreicht auch die f&w-Umfrage. Als weniger wichtig erachten die Befragten betriebswirtschaftliches Fachwissen. „Doch wirtschaftliches Know-how ist sehr wichtig. Die Vorgesetzten von Chefärzten sind die Geschäftsführer der Krankenhäuser. Denen muss man auf Augenhöhe begegnen können“, findet Dr. Lutz Mahlke, seit 14 Jahren Chefarzt der Klinik für Orthopädie am St. Vincenz Krankenhaus Paderborn. Er selbst hat neben seinem Medizinstudium Health Network Management an der Leibniz Fachhochschule Hannover studiert.
Angesichts der sich am Horizont abzeichnenden Rationierung bekommen Zielvereinbarungen von Ärzten eine neue Qualität. Leitende Ärzte müssten außerdem vor ökonomischem Druck besser geschützt werden, fordert unser Autor Michael Weber.
Auch Chefs brauchen Starthilfe
Viele junge Ärzte fühlen sich auf die Managementaufgabe nicht ausreichend vorbereitet – zweiter Grund für die Zurückhaltung des Nachwuchses. „Wer in einem wohlstrukturierten Haus mit einem guten Chefarzt arbeitet, kann sich dort viel abgucken“, erzählt Andrea Köhn. „Wo das nicht der Fall ist, hat es der ärztliche Nachwuchs schwer, sich Führungskompetenzen anzueignen.“ Immer mehr Häuser bieten deshalb auch Führungskräftetrainings an. Verfügen die Coaches über einen anderen als einen medizinischen Hintergrund, stoßen sie hin und wieder auf Akzeptanzprobleme, sagt zumindest Wolfgang Kölfen. Er bietet Coachings für Oberärzte mit Chefarztambitionen an und war selbst 22 Jahre lang Chefarzt in Mönchengladbach. Er empfiehlt Krankenhäusern, eigene Mitarbeiter als Coaches auszubilden und Neuankömmlingen an die Seite zu stellen. Sie sprechen die Sprache der Medizinier und kennen das Haus, können also gerade in der Anfangszeit gute Starthilfe leisten.
Generationskonflikt im Krankenhaus?
Dritter wesentlicher Punkt, den Rochus Mummert herauskristallisiert hat: Bedürfnisse und Prioritäten der jungen Mediziner haben sich verschoben. Die Work-Life-Balance ist ihnen wichtig. Sie wünschen sich häufig Teilzeitmodelle. Das hängt auch damit zusammen, dass mittlerweile zwei Drittel der angehenden Ärzte Frauen sind, die ihre Familie nicht für ihren Beruf vernachlässigen wollen – was zunehmend auch auf Männer zutrifft. Mit einer Chefarztposition ist das noch immer schwer vereinbar.
Angehende Ärztinnen und Ärzte wünschen sich geregelte Arbeitszeiten und mehr Teamarbeit. Das bestätigt auch Miriam Wawra, Präsidentin der Bundesvereinigung für Medizinstudierende in Deutschland (BMVD), im f&w-Interview. "Ein ganz wichtiger Punkt ist die Kinderbetreuung, gerade wenn man bedenkt, dass mittlerweile zwei Drittel der Medizinstudierenden weiblich sind", gibt Wawra zu bedenken. "Das betrifft alle Berufsgruppen, die Pflegefachfrauen ebenso wie die Radiologieassistentinnen und zunehmend auch die männlichen Kollegen."
Die Generation Babyboomer – Jahrgänge 1946 bis 1964 – und die Generation X – zwischen 1965 und 1979 geboren – legen diese Haltung zuweilen als mangelnde Leistungsbereitschaft aus. „Ich glaube, dieser Vorwurf ist haltlos bei jungen Menschen, die ein Medizinstudium absolviert, eine Doktorarbeit geschrieben und eine fachärztliche Weiterbildung durchlaufen haben“, entgegnet Miriam Wawra, Präsidentin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (BVMED). Darauf zu achten, dass Arbeitsbelastung und Ausgleich sich die Waage halten, habe nichts mit mangelndem Engagement zu tun. Ganz im Gegenteil: „Wer ständig ausgepowert ist, ist weniger leistungsfähig, macht mehr Fehler“, so die angehende Medizinerin.
Von einem Generationenkonflikt will auch Professor Christian Flamme, Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie am Krankenhaus Buchholz, nichts wissen. „Angebot und Nachfrage bestimmen nun einmal den Preis“, sagt der 59-Jährige. „Der ärztliche Nachwuchs ist knapp, also kann er Bedingungen stellen, die uns zu meiner Zeit nicht in den Sinn gekommen wären.“ Das mag manchmal schwierig umzusetzen sein. „Aber ich hatte früher oft nicht genug Zeit für meine drei Kinder. Ich freue mich, dass das heute anders ist.“
"Chefärzte wollen keine Erfüllungsgehilfen sein"
"Grundsätzlich liegt das Nachwuchsproblem bei Chefärzten nicht beim Geld, sondern daran, wie die Arbeit strukturiert ist", weiß die Chefin der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Dr. Susanne Johna. Im f&w-Interview sagt sie: "Der Chefarzt bekleidet in Kliniken eine problematische Zwitterposition: Auf dem Papier ist er verantwortlich, doch praktisch hat der kaufmännische Geschäftsführer das Sagen. Chefärzte fühlen sich häufig als Erfüllungsgehilfen, zumal wenn der medizinische Anspruch vom ökonomischen Druck überschattet wird."

Ständiges Feedback ist Pflicht
Für die Chefärzte von heute ergibt sich daraus eine weitere Herausforderung: Zu ihren Aufgaben gehört es mittlerweile, Mitarbeiter zu halten.
[...]
Sie wollen den Artikel vollständig lesen und sind schon Abonnent?
Einloggen und weiterlesen
Sie sind noch kein Abonnent?
Jetzt Abo abschließen und unbegrenzt f&w und BibliomedManager.de nutzen