Medizinischer Nachwuchs

Das Interesse an der Chirurgie flaut ab

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  • 07.11.2022

f&w

Ausgabe 11/2022

Seite 982

Angehende Ärztinnen und Ärzte wünschen sich geregelte Arbeitszeiten und mehr Teamarbeit. Was die Nachwuchsmediziner sonst noch wollen, erklärt Miriam Wawra, Präsidentin der Bundesvereinigung für Medizinstudierende in Deutschland (BMVD).

Ihre Generation muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht besonders belastbar zu sein – zu Recht?

Wer ein Medizinstudium abschließt, Pflegepraktika und Famulaturen absolviert und im Praktischen Jahr für eine geringe oder ganz ohne Aufwandsentschädigung Vollzeit arbeitet und parallel für das Staatsexamen lernt, ist alles andere als arbeitsscheu. Unser aktuelles Berufsmonitoring, das wir alle vier Jahre gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem Medizinischen Fakultätentag und der Universität Trier durchführen und für das wir 8.600 Studierende befragt haben, zeigt außerdem, dass sich fast 60 Prozent der Studierenden in der Pandemiebekämpfung engagiert, auf Coronastationen, in Gesundheitsämtern und in Testzentren unterstützt haben. Die Ausbildung hat im Übrigen unter der Pandemie sehr gelitten: Viele Studierende geben an, dass sie ihre praktischen Fähigkeiten kaum weiterentwickeln konnten. Die Chefärztinnen und Chefärzte können sich darauf einstellen, dass sie es mit Weiterbildungsassistenten mit viel Nachholbedarf zu tun bekommen werden.

Wollen die Mediziner von morgen eher in der Niederlassung oder in der Klinik arbeiten?

Die Unterschiede sind nicht groß. Etwas über 70 Prozent wollen eventuell als Arzt oder Ärztin im Krankenhaus arbeiten, aber auch fast 70 Prozent können sich eine Niederlassung vorstellen. Ein Argument gegen eine klinische Tätigkeit ist übrigens der Mangel an Pflegefachpersonen. Deshalb setzt sich die BVMD auch für eine stärkere interprofessionelle Zusammenarbeit und eine Substitution ärztlicher Tätigkeiten ein, um den Pflegeberuf wieder attraktiver zu machen.

Gibt das Berufsmonitoring auch Aufschluss darüber, was ein Krankenhaus bieten müsste, damit junge Mediziner gerne dort anfangen?

Angehenden Ärztinnen und Ärzten wäre es wichtig, während ihrer Weiterbildung Mentoren zu haben, die ihnen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Gut wäre es auch, wenn medizinische Fakultäten in die Weiterbildung einbezogen wären. Daneben sind flache Hierarchien und ein teamorientierter Führungsstil wichtig. Chefärztinnen und -ärzte, die ihre Mitarbeiter anschreien, schaffen eine miserable Arbeitsatmosphäre. Ich kannte mal einen Chefarzt, der bestand darauf, dass vor der Visite alle Papierkörbe in den Patientenzimmern geleert wurden. Bei solchen Chefs bleibt man nicht. Ein ganz wichtiger Punkt ist die Kinderbetreuung, gerade wenn man bedenkt, dass mittlerweile zwei Drittel der Medizinstudierenden weiblich sind. Das betrifft alle Berufsgruppen, die Pflegefachfrauen ebenso wie die Radiologieassistentinnen und zunehmend auch die männlichen Kollegen.

Spricht es sich herum, wo schreiende Chefärzte unterwegs sind?

Selbstverständlich, über Bewertungsportale erfahren die Studierenden, wo sie gut angeleitet werden oder wo sie sich ihre Kittel selbst kaufen müssen. Wir sehen auch, dass die Praxiserfahrungen während des Studiums einen wesentlichen Einfluss darauf haben, für welche Facharztrichtung man sich entscheidet. Es macht also durchaus Sinn, sich im Praktischen Jahr oder während der Famulatur gut um die Studierenden zu kümmern. Das erhöht die Chance, dass sie sich später als Weiterbildungsassistenten anstellen lassen.

Welche Facharztrichtungen stehen bei den Studierenden derzeit hoch im Kurs?

Begehrt ist nach wie vor die Innere Medizin. Auch an der Allgemeinmedizin besteht großes Interesse. Allerdings stimmen die Rahmenbedingungen in den ländlichen Gebieten oft nicht, außerdem ziehen es viele vor, im Team zu arbeiten. Deshalb entscheiden sich am Ende doch viele gegen eine eigene Praxis. Bei der Chirurgie fällt auf, dass das Interesse abflaut, je mehr praktische Erfahrungen die Studierenden in diesem Bereich sammeln. Es scheint hier ein großes Verbesserungspotenzial hinsichtlich der Führung und der Arbeitsbedingungen zu geben.

Welchen Stellenwert schreibt der medizinische Nachwuchs der Digitalisierung zu?

Wir sehen, dass digitale Anwendungen bei Diagnose und Therapieentscheidung, aber auch bei der Arbeitsorganisation enorm helfen können. Wir erhoffen uns auch, dass sie dazu beitragen, die Sektorengrenzen zu überwinden und die Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu verbessern. Den Umsetzungsgrad der digitalen Transformation des Gesundheitswesens in Deutschland bewertet ein großer Teil der Studierenden allerdings als mangelhaft. Das gilt auch für die Medizinerausbildung: In der Lehre spielt die Digitalisierung so gut wie keine Rolle. Das muss sich ändern.

 

Krankenhäuser haben immer mehr Schwierigkeiten, Chefarztstellen nachzubesetzen. Das neue f&w-Titelthema geht den Gründen nach und zeigt, was Nachwuchsmediziner wollen.

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