Zeitarbeit ist für die meisten Kliniken unverzichtbar, steht aber zunehmend in der Kritik. Doctari-Chef Prof. Dr. Cai-Nicolas Ziegler verteidigt sein Geschäftsmodell, sieht aber auch die Notwendigkeit für mehr Regeln und Transparenz.
Herr Ziegler, Sie sind seit Mai 2022 CEO von Doctari, waren zuvor unter anderem Vorstandschef von Immowelt und CEO der Xing Events GmbH. Warum der Wechsel ins Gesundheitswesen – und das ausgerechnet in die umstrittene Zeitarbeit?
Das Gesundheitssystem fand ich schon immer spannend. In meinem beruflichen Werdegang habe ich an Geschäften gearbeitet, in denen Digitalisierung nicht als Bedrohung wahrgenommen wurde, sondern als Hilfe und Verbesserung. Das gilt auch für den Healthcare-Bereich. Wenn wir Digitalisierung hier richtig gut einsetzen, dann hilft sie, die Arbeit am Menschen zu erleichtern und spendet mehr Zeit. Das ist auch unser Ziel bei Doctari. Denn bei aller – teilweise auch berechtigten – Kritik, die es an der Leih- arbeit gibt: Wir sind eine tragende Säule, um das System besser zu machen, indem wir gut qualifizierte Einsatzkräfte genau dorthin bringen, wo sie am dringlichsten benötigt werden.
Eine große Tageszeitung hat Doctari einmal als „Amazon für Ärzte“ bezeichnet. Trifft die Beschreibung noch zu?
Das Bild ist einerseits richtig, andererseits auch irreführend. Nicht jeder hat ein positives Bild von Amazon. Viele haben die Verdrängung der Buchhändler vor Augen. So etwas wollen wir nicht tun. Trotzdem: Warum ist Amazon so erfolgreich? Weil ich weiß, dass ich dort etwas bekomme, wenn ich es suche, und das in großer Vielfalt und guter Qualität. Das ist auch unser Anspruch.
Die Leiharbeit ist sehr umstritten, manche würden sie am liebsten verbieten. Warum hat Ihr Geschäft dennoch eine Zukunft?
Wir sind davon überzeugt, dass das System ohne uns nicht funktionieren würde. Mit einem Verbot der Leiharbeit rechne ich nicht. Trotzdem schwebt diese Forderung wie ein Damoklesschwert über uns. Ich fürchte, dass man vieles über einen Kamm schert, anstatt sich konkreten Problemen zu widmen. Leiharbeit hat schließlich unterschiedlichste Ausprägung im Gesundheitswesen. Als Feuerlöscher hat sie ihre Berechtigung und hilft Kliniken sehr schnell, Vakanzen zu füllen und so beispielsweise einen OP weiterzubetreiben, statt ihn zu schließen.
Sie kennen die Vorwürfe gegen Zeitarbeitsfirmen: Man wirbt Personal mit hohen Gehältern ab, der Mitarbeiter kommt am nächsten Tag ins gleiche Krankenhaus und auf die gleiche Station, macht den gleichen Job – aber für deutlich mehr Geld. Ist das in Ordnung?
Diese schwarzen Schafe gibt es natürlich, und diese Vorwürfe sind berechtigt. Es gibt Leiharbeit, die nicht gut ist, die das System nicht besser macht. Das ist aber nicht unser Anspruch. Wir wollen Lastspitzen abdecken. Größe ist hier ein wichtiger Faktor.
Befürworten Sie eine stärkere Regulierung der Leiharbeit im Gesundheitswesen?
Ja. Weil wir so sicherstellen können, dass die gute Form weiter erhalten bleibt und die schlechte Form in ihre Schranken verwiesen wird. Die Höchstdauer von 18 Monaten beispielsweise wäre durchaus diskussionswürdig. Ein weiteres Beispiel ist das Drehtürverbot. Es kann nicht sein, dass eine Person eine Klinik verlässt und am nächsten Tag als Leiharbeiterin den gleichen Job weitermacht.
Wie lange reizt Doctari die maximale Ausleihedauer von 18 Monaten aus?
Das ist nicht die Regel. Die durchschnittliche Einsatzdauer von Pflegekräften liegt bei uns bei eineinhalb Monaten. Einige unserer Pflegekräfte berichten uns auch, dass sie die Hälfte ihrer Tätigkeit mit der bestellten Tätigkeit verbringen, die andere Hälfte aber damit, andere Pflegende zu schulen. Unsere Pflegekräfte haben viele Einrichtungen gesehen und bringen daher sehr viel Wissen mit, das sie in andere Kliniken hineintragen. Das ist ein wenig wie die die Walz im Mittelalter. Nach den Gesellenprüfungen mussten Handwerker dort nach einer gewissen Zeit den Heimatort verlassen und an anderen Orten arbeiten, um sich neues Wissen anzueignen. Durch die Zeitarbeit haben wir das heute in einem gewissen Maße auch erreicht.
Aus den Krankenhäusern hört man aber, dass sich die Qualität der Arbeit durch Leiharbeiter eher verschlechtert. Wie passt das zusammen?
Hier würde ich eher in die Gegenrichtung argumentieren. Wir fragen bei jedem unserer Aufträge nach, wie zufrieden unsere Kunden mit der Einsatzkraft waren. Diese engmaschige Qualitätskontrolle gibt es im normalen Klinikalltag nicht. Wenn wir Defizite feststellen, suchen wir das Gespräch mit der Klinik, aber auch mit der Pflegekraft oder dem Arzt. Natürlich trennen wir uns auch von ihnen, wenn wir merken, dass es nicht passt.
Wie oft kommt so etwas vor?
Es ist nicht die Regel, aber auch nicht die totale Ausnahme. Wenn wir jemanden rekrutieren, legen wir ja auch Qualitätsstandards an.
Sie werben auf Ihrer Website mit hohen Gehältern, bis zu 6.000 Euro ohne Zuschläge. Warum müssen Leiharbeiter so viel mehr verdienen?
Leiharbeiter müssen, wenn sie wie bei uns überregional tätig sind, viel flexibler sein. Sie wissen heute nicht, wo sie nächste Woche sein werden. Das verlangt unseren Arbeitskräften viel ab. Diese Flexibilität bringt aber natürlich auch Vorteile mit sich, etwa wenn man eine Auszeit nehmen möchte. Es ist aber auch ein anderes Berufsbild und ein anderes Lebensmodell. Nicht jeder ist dafür gemacht.
Wer sind typische Menschen, die in der Zeitarbeit arbeiten wollen?
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