Karl Lauterbach hat eine Krankenhausreform angekündigt. Erleben wir jetzt ein Happy End von Unterfinanzierung, Fehlallokationen und Fachkräftemangel? Nach allem, was man bisher weiß, sicher nicht. Das Gemurkse und Durchwursteln wird weitergehen, zugleich werden die Grundprobleme bleiben oder sich verstärken. Lauterbach hat eine hochkarätige Kommission einberufen, in der zwar keine beteiligten Fachverbände, aber immerhin mehrere Experten sitzen, die schon lange auf eine Reduzierung der Krankenhäuser in Deutschland drängen. Davon ist in den Plänen aber nicht die Rede.
Ambulantisierung ist sinnvoll und überfällig
Die Reform soll stattdessen die Gesundheitswirtschaft „entökonomisieren“ und die Ambulantisierung fördern. Letzteres ist sinnvoll und überfällig. Hier wäre auch eine Chance gewesen, diese aus der Zeit gefallenen Sektorengrenzen mit abzuschaffen. Einstampfen will der Minister hingegen die Fallpauschalen, an deren Einführung er bekanntlich vor etwa 20 Jahren selbst beteiligt war. Ein weiterer Rollback der SPD, um ihre einstigen Reformen wieder zu beseitigen und sich dem linken Zeitgeist anzudienen.
Tatsächlich hat das DRG-System in seiner deutschen Ausformung massive Schwächen, von der Benachteiligung bestimmter Fachrichtungen bis zum bürokratischen Aufwand durch detailverliebte Kompliziertheit. Es aber komplett zu ersetzen, wird neue Probleme schaffen. Werden künftig alle Kliniken über Vorhaltekosten finanziert, entfällt jeglicher Anreiz wirtschaftlichen Handelns. Im Gegenteil: Es wird attraktiv sein, die eigenen Mitarbeiter zu entlasten – durch massive Reduktion der Behandlungsfälle. Verdi wird diese Entwicklung mit seinem Streben nach Entlastungstarifverträgen verstärken.
Impulse zur Digitalisierung und Entbürokratisierung fehlen
Damit bewegen wir uns in Richtung englischer Verhältnisse. Trotz hoher Bettenzahl kann es ähnlich wie beim NHS zu Engpässen, Wartezeiten und Rationierungen der Behandlungen kommen. Verstärkt wird das durch den Fachkräftemangel, zum großen Teil ein Verteilungsproblem von zu vielen Einrichtungen, der sich weiter verschärfen und zusätzlich ungünstig auf das Behandlungsangebot auswirken wird. Bei den Fallpauschalen zahlt sich medizinische Behandlungsqualität aus, denn gute Ergebnisse ohne Komplikationen und mit geringen Liegezeiten verbessern die Erlöse. Bei der Vorhaltekostenerstattung fehlt diese Wirkung.
Ebenso fehlen notwendige Impulse zur Digitalisierung und Entbürokratisierung. Bekanntlich werden die Investitionen von den zuständigen Ländern ebenfalls unterfinanziert. Bislang konnten das viele Kliniken durch Gewinne bei den Erlösen kompensieren. Wenn das nicht mehr möglich ist, sind Kliniken ausschließlich auf die mitunter nach Kassenlage oder politischer Gunst erteilten Investitionsförderungen angewiesen. Kaum vorstellbar, dass diese Gelegenheit, unliebsame Träger abzustrafen, von den Landesregierungen nicht genutzt werden wird.
GKV-Finanzierung stürzt von einem Defizit ins nächste
Überschattet werden diese düsteren Aussichten von der desaströsen GKV-Finanzierung. Die stürzt von einem Defizit ins nächste. Wenn die realen Kosten unterfinanzierter Bereiche wie Pädiatrie, Geburtshilfe und Notfallmedizin durch Vorhaltepauschalen erstattet werden, steigen die Ausgaben weiter an. Ohne jeglichen Anreiz für Effizienz, Sparsamkeit oder Produktivität explodieren letztlich die Krankenkassenbeiträge – mit allen bekannten Folgen für die Lohnnebenkosten, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die gesamte deutsche Wirtschaft.
Die Reform wird also sämtliche schlechten Aspekte verbinden. Aus Gesundheitswirtschaft wird Staatswirtschaft. Zukunftssicher wird die medizinische Versorgung in Deutschland so sicher nicht.