Kliniken können Opfer von Fake News werden, sie können aber auch Haltung zeigen und diese öffentlich verteidigen. Wie viel gesellschaftspolitische Haltung verträgt ein Arbeitgeber – fragt unser Autor, Kommunikationsexperte bei den Sana Kliniken. Auch durch Nichtagieren nimmt der Arbeitgeber in vielen Haltungsfragen eine Position ein, Beispiel Bayern München.
„Schon gesehen? Ist da was dran oder alles nur Humbug?“ Ein befreundeter Zauberer simste mir im Februar 2021 den Screenshot eines Facebook-Beitrags, der es in sich hatte. „Wer möchte einen Arbeitsplatz? Grund: Zeitnah nach ‚Impfung‘ des Personals sind inzwischen rund 50 Personen gestorben.“ Bitte, was? Wer behauptet denn so einen Bockmist? Allen damals bereits mit AstraZeneca oder BioNTech/Pfizer geimpften Kolleg:innen ging es wunderbar. Die Verbreiterin des Posts, eine Heilpraktikerin aus Berlin, führte als Quelle „keine Zeitung, keinen Nachrichtensender“ auf, sondern die „Mitarbeiterangehörige eines Kollegen“ ihres Mannes. Die Klinikleitung habe alle „zum Stillschweigen verdonnert. Jobverlust droht, wenn man gesund genug war, um die Impfung zu überleben.“
Das war so ziemlich der größte Bullshit, den ich seit Langem las. Ich informierte unsere Geschäftsführung; wir meldeten den Beitrag als „Fehlinformation“ beim Internetriesen, informierten unsere Mitarbeiter:innen und forderten die Dame zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Welt am Sonntag griff den Facebook-Post auf und ordnete die Woche als „Hochkonjunktur für justiziable Lügen und Hetze“ ein, also „eine Woche wie jede andere auch“.
"Wer Haltung zeigt, sollte diese auch öffentlich verteidigen."
Wer Rückgrat hat, beweist Haltung. Das gilt auch und vor allem für Unternehmen und Institutionen. Doch die öffentliche Einordnung des Umgangs mit einer kommunikativen Sondersituation unterscheidet sich oft von der Selbstwahrnehmung. Wer Haltung zeigt, sollte diese auch öffentlich verteidigen. Nicht erst, wenn es an der Reputationsfront brennt. Mich erreichten viele E-Mails aufgebrachter Leute, die uns eine „moderne Form der Euthanasie“ vorwarfen, „Dunkelzifferprognosen“ wagten, uns vor das „höchste Gericht“ ziehen wollten und verstörende Bilder posteten, die angeblich durch Impfungen hervorgerufene Gesichtslähmungen zeigten. Sie teilten den Mist „unzensiert“ fleißig über Telegram (47.900 Aufrufe innerhalb von 24 Stunden), Facebook und in Whatsapp-Gruppen weiter – inklusive meiner Beantwortung einer journalistischen Anfrage und meinen Kontaktdaten. Die Leitung glühte, ich legte das Handy stummgeschaltet zur Seite und machte einen großen Fehler: Ich suchte im Internet nach weiteren Beiträgen, um zu verstehen, wie der typische Impfgegner und Querdenker tickt.
Frei zugängliche Facebook-Gruppen versprachen „Aufklärung jenseits des Mainstreams“, um die Leute von den „stattfindenden Machenschaften einer globalen Elite zu überzeugen“. Da ging es hoch her, über „Freimaurer, Zionismus, Illuminati, Überwachungsstaat, Rockefeller, Rothschilds, Chemtrails und die New World Order“.
[...]
Sie wollen den Artikel vollständig lesen und sind schon Abonnent?
Einloggen und weiterlesen
Sie sind noch kein Abonnent?
Jetzt Abo abschließen und unbegrenzt f&w und BibliomedManager.de nutzen