Berliner Kommentar

Lauterbachs falsche Diagnose

  • Politik
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  • 27.02.2023

f&w

Ausgabe 3/2023

Seite 219

Jürgen Klöckner

Eine Therapie kann nur gelingen, wenn die Diagnose zutrifft. Minister Karl Lauterbach diagnostiziert dem Gesundheitswesen zu viel Ökonomie. Die These passt in den Zeitgeist. Aber sie trifft nicht zu. Lauterbach operiert auf der Grundlage einer falschen Diagnose. Sie ist ein Grund für die prekäre Lage der Kliniken, aber ganz sicher nicht die Hauptursache. Die Fallpauschale, so Lauterbach, zwinge Krankenhäuser in ein Hamsterrad, sich mit immer mehr Behandlungen finanziell über Wasser zu halten. Dabei sollten nur medizinische Gründe einen Eingriff rechtfertigen.

Das stimmt. Aber Lauterbach unterschlägt, dass die Fallpauschale einmal dazu gedacht war, lediglich die laufenden Betriebskosten eines Krankenhauses zu decken – und nicht alle Ausgaben. Dafür muss die Fallpauschale aber schon seit Jahren herhalten und auch einen Teil der Klinikinvestitionen decken, die eigentlich Aufgabe der Länder ist. Über die Jahre hat sich die Investitionslücke auf insgesamt mehr als 50 Milliarden Euro summiert, wie es aus dem Krankenhaus Rating Report des RWI Leibniz-Instituts aus dem Jahr 2020 hervorgeht. Die Kliniken müssen das fehlende Geld mit dem Skalpell wieder reinholen, um halbwegs rentabel zu arbeiten.

Lauterbach kann sich noch lange an der Ökonomisierung abarbeiten – ohne die Länder wird sich an der prekären Lage der Kliniken nichts ändern. Die Fall- will er zwar zugunsten einer Vorhaltepauschale zurückdrängen, sie soll allerdings weiterhin das Gros ausmachen. Bleiben die Länder knauserig, bleiben auch die Kliniken gezwungen, über möglichst viele Fälle die fehlenden Investitionen quer zu subventionieren, Vorhaltepauschale hin oder her.

Ohne die Länder ändert sich nichts

Es bleibt Lauterbachs Geheimnis, wie er die Länder zum Zahlen bewegen will. Auf Freiwilligkeit kann er nicht bauen, das haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt. Gleichzeitig ist sein Durchgriff begrenzt, denn der Bundesminister ist auf die Zustimmung der Länder für sein Gesetz angewiesen. Eine Reform, die die Kompetenzen der Länder an Investitionen knüpft, würde hier keine Mehrheit finden. Dabei wäre eine Finanzierung aus einer Hand, etwa durch die Krankenkassen, vermutlich der bessere Weg.

Aus der Finanzierung der Reform macht Lauterbach ohnehin ein großes Geheimnis. Das zeigt sich auch beim Strukturfonds. Daraus sollen die Kosten für die Zusammenlegung oder die Neugründung von Standorten getragen werden, die für die Reform ohne Frage nötig sind. Es geht um Milliarden, manche sagen sogar 100 Milliarden, eine gewaltige Summe, die wie ein großes Aber im Raum schwebt, wenn Lauterbach über seine Revolution der Krankenhauslandschaft spricht.

Im Bundesfinanzministerium ist man jetzt schon genervt über die immer neuen Ausgabenwünsche des Sozialdemokraten, etwa für die maroden gesetzlichen Krankenkassen (GKV) oder die Pflege. Die Klinikreform aber spielt in einer ganz anderen Liga, in der Doppel-Wumms-Liga nämlich. Und den können und wollen sich die Haushälter sicher kein zweites Mal leisten, vor allem nicht für ein Projekt, das eigentlich Ländersache ist.

Im Worst Case muss Lauterbach mit dem Geld haushalten, das da ist. Das ist eine ganze Menge mit rund 80 Milliarden Euro pro Jahr, die aus dem Topf der GKV in die Kliniken fließen. Die Revolution kann dann nur mit mehr – und nicht mit weniger – Ökonomie gelingen.

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