Die Vorhaltefinanzierung wird eine komplexe Maschine mit vielen Rädchen. Unser Autor macht hier einen Vorschlag, wie die Berechnung der Pauschalen und die Verteilung zwischen den Bundesländern ablaufen könnten.
Die Reform der Krankenhauslandschaft ist mit der Verabschiedung des Krankenhaustransparenzgesetzes im deutschen Bundestag in die Phase der konkreten Umsetzung eingetreten. Mit der Einführung von Leistungsgruppen und Versorgungsleveln wurden erste Grundlagen auch für die Krankenhausplanung der Bundesländer implementiert. Die Bedeutung der Vorhaltefinanzierung kann in einem Umfeld aus rückläufigen stationären Fallzahlen und wachsendem Fachkräftemangel kaum hoch genug eingeschätzt werden. Eine Reform der Krankenhausfinanzierung muss in dieser Situation zwingend die Abkehr von den bisherigen Zahlungsprozessen und den bestehenden Anreizmechanismen wagen. Der vorliegende Arbeitsstand (2. Arbeitsentwurf vom 27. September 2023) zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) orientiert sich eng an den bereits vorab konsentierten Eckpunkten aus den Bund-Länder-Verhandlungen, wird jedoch den vorab deklarierten Zielsetzungen nicht gerecht. Das zeigt sich besonders bei dem zentralen Element der Reform, der Vorhaltefinanzierung.
Bei der Implementierung einer Vorhaltefinanzierung in Ergänzung zum bestehenden DRG-System sind fünf Punkte hervorzuheben. Erstens die Ermittlung und Ausgliederung des Vorhaltevolumens auf Bundesebene, zweitens die Zuweisung des Vorhaltevolumens auf die Bundesländer und die Krankenhausstandorte, drittens die Auszahlung der Vorhaltefinanzierung an die Krankenhäuser, viertens Vorgaben zur Fortschreibung des Vorhaltevolumens und fünftens Regelungen zur Anpassung der Vorhaltefinanzierung auf Basis von Strukturveränderungen.
Anreize zeigen wenig Wirkung
Der vorliegende Arbeitsstand zum KHVVG liefert zu diesen Punkten bisher nur grobe Richtlinien und delegiert die weitere Ausgestaltung weitgehend an das Institut für das Entgeltwesen im Krankenhaus (InEK) oder die Selbstverwaltungspartner auf der Ortsebene. Die Ausgliederung des Vorhaltevolumens je Bundesland und Leistungsgruppe erfolgt durch das InEK anhand eines einheitlichen Prozentanteils der DRGs nach Abzug von variablen Sachkosten und unter Anrechnung des Pflegebudgets. Die Verteilung auf die Krankenhausstandorte wird direkt durch das InEK kalkuliert und auf Basis von aktuellen Case-Mix-Anteilen abgeleitet. Die Auszahlung soll im Rahmen der fallbezogenen Rechnungsstellung mit entsprechenden Erlösausgleichen und einem Liquiditätsmechanismus erfolgen. Das Vorhaltebudget soll erstmals nach zwei, anschließend alle drei Jahre neu kalkuliert werden. Dabei wird das aktuelle Case-Mix-Volumen zugrunde gelegt. Fallzahlenschwankungen im Rahmen eines Korridors von plus oder minus 20 Prozent sollen unberücksichtigt bleiben. Bei Ausscheiden einzelner Krankenhausstandorte wird das Vorhaltebudget der Leistungsgruppe je Bundesland auf Basis der neuen Case-Mix-Anteile nachkalkuliert.
Auf dieser Basis ist bereits heute absehbar, dass die ursprünglich deklarierten Ziele der Reform nicht erreicht werden, weil die Anreize keine Wirkung entfalten können. Die Ursache liegt in einer weiterhin engen Anbindung an das bestehende Finanzierungssystem und die damit verbundenen Mengenanreize. Aus dem vorliegenden Arbeitsstand ergeben sich gleich mehrere Fehlanreize. So besteht im Vorfeld der erstmaligen Kalkulation der Vorhaltefinanzierung für die gesamte Krankenhauslandschaft ein erheblicher Anreiz, das bestehende Case-Mix-Volumen auszuweiten. Die zeitgleiche Einführung der Hybrid-DRGs wirkt an dieser Stelle dämpfend, löst jedoch die Anreizprobleme im Gesamtsystem nur eingeschränkt. Die erstmalige Zuweisung der Vorhaltebudgets auf Basis des aktuellen Case-Mix-Volumens führt zu einer Budgetneutralität auf Basis der bis dahin realisierten Case-Mix-Entwicklung. Die Auszahlung der Vorhaltefinanzierung über die fallbezogene Rechnungsstellung schafft die identischen Steuerungsanreize für das Fallaufkommen im Verlauf des Kalenderjahres. Der vorgesehene Liquiditätssicherungsmechanismus vermag diesen Effekt geringfügig zu reduzieren. Im Extremfall wird der Anreiz zur Fallmengenreduzierung jedoch erst nach vollständiger Auszahlung des Vorhaltebudgets wirksam. Dabei bleibt die Steuerungslogik des Krankenhausmanagements auf die Mengensteuerung in den Fachabteilungen fokussiert. Die Zweitrundeneffekte durch die Zu- beziehungsweise Abschläge verstärken die Anreizprobleme zusätzlich. Eine regelhafte Neukalkulation der Vorhaltefinanzierung auf Basis der dann aktuellen Case-Mix-Anteile erhält den Leistungsanreiz der Krankenhäuser. Dies gilt insbesondere für fallzahlenschwache Leistungsgruppen, in denen eine Überschreitung des Fallzahlenkorridors leicht realisierbar ist. Für liquiditätsstarke Krankenhausträger ist auf dieser Basis eine Wachstumsstrategie mit einer Perspektive von drei Jahren denkbar. Außerdem stehen die Bundesländer untereinander im Wettbewerb um einen kontinuierlichen Aufwuchs des Vorhalte-Case-Mix-Volumens. Die Anreize zur planerischen Anpassung der Versorgungsaufträge durch die Bundesländer entfallen nahezu komplett durch die regelhafte Nachberechnung der Vorhaltebudgets auf Basis der Case-Mix-Entwicklung. Darüber hinaus fehlt eine finanzielle Wirkung auf planerische Kapazitätsentscheidungen völlig.
In unserem föderalen Gesundheitssystem sind die unterschiedlichen und teilweise konträren Interessenlagen der beteiligten Entscheidungsträger nachvollziehbar und verfassungsgemäß bewusst getrennt verankert. Eine systemische Verknüpfung von Krankenhausplanung und -finanzierung stellt in dem bestehenden rechtlichen Rahmen eine außerordentlich anspruchsvolle Weiterentwicklung dar. Es erscheint daher sinnvoll, einige grundlegende Aspekte als Nebenbedingungen anzuerkennen. Dazu gehört die Vermeidung von Anpassungsbedarfen im Morbi-RSA genauso wie der Verbleib der jeweiligen Budgethoheit entsprechend der dualen Finanzierungsregelungen. Auf dieser Basis muss auch die Wirksamkeit von Planungsentscheidungen auf die Erlösperspektive der Krankenhäuser erhalten bleiben und gleichzeitig das Budgetrisiko der Planungsentscheidungen für die Krankenkassen begrenzt werden. Eine budgetneutrale Einführung der neuen Krankenhausfinanzierung scheint zudem als politischer Konsens in Zeiten mit ohnehin großen finanziellen Herausforderungen aufseiten der Krankenhäuser konsentiert.
Parameter für die Vorhaltepauschale
Ein Kompromissmodell muss für die oben genannten Gestaltungsdimensionen eine Antwort liefern, die zugleich die unterschiedlichen Interessen der politischen Akteure berücksichtigt. Dennoch muss es weiterhin der Anspruch aller bleiben, eine wirksame Reform der Krankenhausvergütung zu ermöglichen. Aufbauend auf den bestehenden Arbeitsentwürfen aus dem Ministerium kommt dabei dem InEK insbesondere bei der initialen Ausgliederung des Vorhaltebudgets eine zentrale Rolle zu. Eine pauschalierte Ausgliederung auf Ebene der DRG – so wie sie in den Eckpunkten konsentiert und im ersten Arbeitsentwurf konkretisiert wurde – ist weitgehend unstrittig. Eine kalkulatorische Ermittlung dürfte zu viel Zeit und Aufwand benötigen, ohne dass dadurch nennenswerte Verbesserungen der Anreizsysteme erzielt werden können. In einem Kompromissmodell dient diese Ausgliederung ohnehin nur einer annäherungsweisen Ermittlung eines Vorhaltegesamtvolumens als kalkulatorische Ausgangsbasis im Jahr der Implementierung. Eine sachgerechte Detaillierung könnte dabei durch differenzierte Prozentanteile zwischen den Leistungsgruppen entsprechend des jeweiligen Umfangs der Strukturanforderungen erreicht werden. Die initiale Verteilung der Vorhaltefinanzierung zwischen den Ländern erfolgt dann auf Basis eines durchschnittlichen CaseMix-Volumens der vergangenen Jahre. Auf diese Weise kann der initiale Mengenanreiz reduziert und gegebenenfalls sogar ein Mittelwert aus den Fallmengen vor der Coronapandemie und der CaseMix-Entwicklung seit der Coronapandemie hergeleitet werden.
Die Zuweisung der Vorhaltebudgets an die Kliniken erfolgt zukünftig auf der Basis von konkreten Planungsentscheidungen der Länder in der Einheit anteiliger Versorgungsaufträge je Leistungsgruppe. Im Startjahr kann die Ausweisung fiktiv auf die Anteile des Case-Mix-Volumens der vergangenen Jahre festgesetzt werden.
Die Auszahlung des Vorhaltebudgets erfolgt im Rahmen der fallbezogenen Rechnungsstellung durch die Krankenhäuser an einen zentralen Vorhaltefonds. Dieser zahlt das kalkulierte Vorhaltebudget in vier gleichen Teilen an die Krankenhausstandorte aus. Zur Liquiditätssicherung ist hier ein Vorschuss aus Bundesmitteln zu verankern. Nur so kann die Auszahlung auch unabhängig vom tatsächlichen Fallaufkommen jeweils zum Beginn eines Quartals gewährleistet werden. Theoretisch kann dieser Vorschuss nach einem Jahr zurückgezahlt werden.
Die Fortschreibung der Vorhaltebudgets je Leistungsgruppe und Bundesland erfolgt auf Basis von bundeseinheitlichen morbiditäts- und populationsorientierten Parametern durch Verhandlung zwischen den Selbstverwaltungspartnern. Dafür ist ein wissenschaftliches Gutachten zur Empfehlung von geeigneten Kalkulationsparametern zu beauftragen. Die Berücksichtigung von Leistungsverschiebungen zwischen den Leistungsgruppen ist sicherzustellen. Auf diese Weise wird das Vorhaltebudget manipulationssicher und vermeidet neue Fehlanreize, sofern und soweit die Berechnungsparameter ohne die Abrechnungsdaten der Krankenhäuser auskommen. Denkbar sind Parameter zur Bevölkerungsentwicklung, Altersstruktur, Bevölkerungsdichte sowie zu technologischen Fortschritten beziehungsweise Ambulantisierungsparameter. Um auf Ebene der Bundesländer Anreize zu einem sachgerechten Konzentrationsprozess zu erhalten, sollte eine Abschmelzung des Vorhaltevolumens im Fokus stehen. Gleichzeitig ist jedoch anhand von geeigneten Parametern auch die Krankenhausstruktur der Bundesländer zu berücksichtigen, um ein Abschmelzen des Vorhaltevolumens unterhalb eines kritischen Wertes zur Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Versorgung zu vermeiden.
Die Bundesländer weisen in diesem Modell jedem Standort verbindliche Anteile am leistungsgruppenbezogenen Versorgungsauftrag zu. Neben der Zuweisung der Leistungsgruppen wird auf diese Weise ein Kapazitätsfaktor eingeführt, der gut kalkulierbar und kaum manipulationsanfällig ist. Bei planerischen Veränderungen wird das Vorhaltebudget entsprechend der anteiligen Verschiebungen neu verteilt.
Mit diesen konzeptionellen Ergänzungen können die ursprünglichen Ziele der Finanzierungsreform sachgerecht realisiert werden, ohne neue Fehlanreize zu schaffen. Dabei bleibt der bestehende Wettbewerb zwischen den Krankenkassen unberührt. Die zusätzlichen bürokratischen Aufwendungen zur Errichtung der neuen Zahlungswege über den Vorhaltefonds werden durch eine dauerhafte Entlastung bei der Kalkulation der Vorhaltebudgets auf Ebene des InEK kompensiert. Gerade das Zusammenspiel aus mengenunabhängiger Fortschreibung der Vorhaltebudgets und einer fallunabhängigen Auszahlung des Budgets ist für eine nachhaltig tragfähige Krankenhausfinanzierung von großer Bedeutung.
Diese Kompromissverschläge ergeben sich aus den öffentlich publizierten und bekannten Konzeptvorschlägen verschiedener Akteure. Sie sollen dazu beitragen, die bestehenden Interessenkonflikte im Sinne einer nachhaltig tragfähigen Finanzierungsreform aufzulösen. Eigentlich sollten alle Akteure der stationären Versorgung in Deutschland ein Interesse daran haben, so schnell wie möglich in ein neues Finanzierungssystem einzusteigen, das den ruinösen Wettbewerb um Fachkräfte und Patienten zugunsten einer hochwertigen Versorgung und einer tragfähigen Daseinsvorsorge auflösen kann.