Digitalisierung in Bayern

Patientenportal mit Vorbildfunktion

  • Best Practice
  • Technologie
  • 21.12.2023

f&w

Ausgabe 1/2024

Seite 90

Die KHZG-Milliarden sollen die Digitalisierung im Gesundheitswesen anschieben. In Bayern nutzt eine Genossenschaft diese Gelder auch, um die Vernetzung von Kliniken anzuschieben – mit einem außergewöhnlichen Kooperationsprojekt. 

Viele Kliniken bauen derzeit ein Patientenportal – und das hat einen simplen Grund. Die Portale sind Fördertatbestand des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG), hinter dem ein Geldtopf mit 4,3 Milliarden Euro steht. Allein für Patientenportale gingen bis zum Jahresende 1.130 Anträge ein. Doch während viele Häuser das Geld für ein maßgeschneidertes Portal verbauen, sorgt ein Projekt in Bayern für Aufsehen. 110 bayerische Kliniken haben sich zusammengetan, um ein gemeinsames Patientenportal aus der Taufe zu heben. Mit im Boot sitzt die riesige München Klinik ebenso wie kleinere Träger und Häuser. Mittlerweile sind sowohl private, öffentliche und kirchliche Krankenhäuser dabei.

Die Idee für dieses Gemeinschaftsprojekt kam von der Klinikkompetenz Bayern (KKB), einem Verbund kommunaler Kliniken. Forciert hatte das Thema aber auch die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG), die bereits 2020 den Geschäftsbereich „Digitalisierung und Politik“ gegründet hatte. Ziel der BKG war es, das Bayerische Krankenhausgesetz so zu ändern, dass digitale Zusammenarbeit der Kliniken überhaupt möglich wurde. 2022 änderte der damalige Gesundheitsminister Klaus Holetschek das Gesetz entsprechend. Parallel loteten BKG und KKB die rechtlichen Voraussetzungen für das Kooperationsmodell aus – vor allem um den Vorgaben des KHZG Rechnung zu tragen. „So entstand die Idee für eine Genossenschaft, die das Patientenportal und auch weitere IT-Projekte koordinieren kann. Im Frühjahr 2023 gründete sich die Klinik-IT Genossenschaft (KIG), die seit Oktober 2023 auch förmlich im Genossenschaftsregister eingetragen ist“, erläutert BKG-Chef Roland Engehausen. Die 110 Häuser, die das Portal bekommen werden, gehören zu insgesamt 56 Krankenhausträgern, von denen derzeit über 40 Mitglied der KIG sind. Die übrigen folgen, sobald die rechtlichen Details vor Ort geklärt sind. Eigentümer der KIG sind die Trägergesellschaften.

Projekt im zweistelligen Millionenwert

Das Projekt „Patientenportal“ setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen, die die KIG separat beauftragt. Technikpartner ist Siemens Healthineers. Die Ausschreibung für den Rechenzentrumsbetrieb läuft noch. Der Auftragswert für das Patientenportal, die Interoperabilitätsplattform und den Rechenzentrumsbetrieb liege im zweistelligen Millionenbereich, erklärt KIG-Vorstand Martin Gösele. „Die Leistungen werden als Service von professionellen Dienstleistern eingekauft“, erläutert Gösele. Die KIG selbst sei kein externer Dienstleister, betont er, sie übernehme in dem Projekt die Rolle des Technologie- und Projektmanagements. Die Funktionen des Patientenportals sind in erster Linie an den Kriterien des Fördertatbestands 2 des KHZG ausgerichtet. Die Patienten können medizinische Unterlagen einsehen, vor einem Klinikaufenthalt Daten und Dokumente bereitstellen oder Informationen über ihren Klinikaufenthalt erhalten. „Vor allem aber können sie auch mit dem Krankenhaus interagieren, per Chat und Videosprechstunde, oder auch online verfügbare Termine einsehen und buchen“, sagt Gösele. Des Weiteren würden die Patienten nach der Entlassung oder Überleitung digital unterstützt. Wie die Anbindung des Portals in den einzelnen Häusern abläuft, darüber stimmen sich Fachabteilungen der Mitgliedskliniken derzeit ab.

Plattform als Chance für Start-ups

Technisch soll es ein gemeinsames Rechenzentrum, aber eine föderierte Datenhaltung geben. Das bedeutet, dass die Daten zunächst immer beim Krankenhaus bleiben und nicht ohne Anlass zentral gespeichert werden. Selbst wenn sie im gemeinsamen Rechenzentrum liegen, sind sie immer noch nach sogenannten Mandanten getrennt, also immer separat für ein Krankenhaus abgelegt. Die Lösung sei nicht von einem Hersteller abhängig, betont Gösele. „Alle Anbieter sind eingeladen, sich an diese Interoperabilitätsplattform anzubinden, sowohl Spezialsysteme als auch etablierte KIS-Systeme. Aber wir bieten auch Start-ups Chancen an, mit Speziallösungen zu überzeugen und einer Vielzahl von Kliniken einen Mehrwert zu bieten, ohne große eigene Rechenzentrumsstrukturen aufbauen zu müssen.“

   

Wunsch für die Zukunft: Portal über Sektoren hinweg

„Aus meiner Sicht ist diese Zusammenarbeit sowohl strukturell (KIG) als auch inhaltlich ein enorm großer Schritt Vorbildfunktion“, unterstreicht Robert Engehausen, der auch Fachausschussvorsitzender für Dateninformation in der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) ist. Das Projekt könne einen dynamischen Prozess auslösen, „indem einerseits diese Verbundlösung in Bayern wächst und sich anderseits andere Kooperationsverbünde entwickeln“. Ziel müsse außerdem sein, digitale Projekte, wo es geht, gemeinsam – und sektorübergreifend – anzugehen. So würde sich der Nutzen für Patienten auch deutlich erhöhen.

Im Frühjahr sollen die ersten Krankenhäuser, die sogenannten „Pilothäuser“ live gehen. Im ersten Halbjahr 2024 sollen die ersten Patienten mit ihrem Krankenhaus über das Patientenportal interagieren. Alle teilnehmenden Krankenhäuser werden dann Anfang 2025 angeschlossen sein, verspricht Gösele.

Sanktionen des KHZG

Den Krankenhäusern droht ab dem Januar 2025 ein Sanktionsabschlag in Höhe von bis zu 2 Prozent, sofern nicht sämtliche in § 19 der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung genannten digitalen Dienste zur Nutzung bereitgestellt sind:

  • Fördertatbestand 2: Patientenportale für Aufnahme-, Behandlungs- und Entlassmanagement
  • Fördertatbestand 3: digitale Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen
  • Fördertatbestand 4: digitale Entscheidungs- unterstützungssysteme
  • Fördertatbestand 5: digitales Medikations- management
  • Fördertatbestand 6: Systeme zur digitalen Anforderung von Leistungen

Maßgeblich für die Festlegung der konkreten Höhe eines Abschlags sind die Anzahl der bereitgestellten Dienste und die Nutzung der digitalen Dienste an einem Krankenhausstandort. Bis 2026 reicht der Nachweis der Verfügbarkeit als Beauftragung und ab 2027 ist die tatsächliche Nutzung der digitalen Dienste bei der Sanktionsprüfung zu berücksichtigen.

Autor

f&w führen und wirtschaften im Krankenhaus

Die Fachzeitschrift für das Management im Krankenhaus

Erscheinungsweise: monatlich

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