Das momentane wirtschaftliche Schwächeln werde das Universitätsklinikum Jena (UKJ) in nicht allzu ferner Zeit überwunden haben, sagt Dr. Brunhilde Seidel-Kwem, Kaufmännische Vorständin des Hauses. Bald verlässt sie die UKJ – das sagt sie über die Rolle der Uniklinika in der Reform, die Thüringer Krankenhausplanung und das politische Klima.
Frau Seidel-Kwem, Sie stehen seit fast 13 Jahren an der Spitze des Universitätsklinikums Jena – teilen Sie die Ansicht vieler, JETZT seien die schwersten Jahre für Kliniken?
Absolut. Aber das ist nicht der Krankenhausreform geschuldet, sondern größtenteils eine Pandemiefolge, die vorhandene Probleme offengelegt und beschleunigt hat. Es war eine Zäsur mit Folgewirkungen: diese Limitierung der Behandlungskapazitäten, auch durch strengere Vorgaben zur Personalbemessung im Pflegedienst in unserem Entlastungstarifvertrag, die Notwendigkeit, Behandlungsprioritäten zu setzen, um die Belastung für Mitarbeiter in Grenzen halten, der Verlust an Patienten ... Das ist alles noch nicht vollständig verarbeitet. Und die geringere Zahl an Patienten gleicht sich ja nicht ohne Weiteres wieder aus – wir mussten also umstrukturieren, mehr Leistungen ambulant anbieten. Diese Umstrukturierung hat stattgefunden und wird uns nicht verlassen, doch das Vergütungssystem hat darauf nicht reagiert. Um es mal vereinfacht zu sagen: Patient weg, 100 Prozent Erlöse weg, aber vielleicht nur zehn Prozent der Kosten. Die ambulante Vergütung wiegt das nicht auf. Ein weiterer Punkt ist die Entwicklung der Energiekosten und der Inflation, die nicht kompensiert wird durch Veränderungen bei den Fallpauschalen. Insofern bin ich davon überzeugt, ja: Es hat für Krankenhäuser generell noch nie eine so schwierige finanzielle Situation gegeben wie jetzt.
Zum ersten Mal überhaupt wird auch die Uniklinik Jena das Geschäftsjahr im roten Bereich abschließen. Wie steuern Sie gegen?
Ein ganz zentrales Thema ist für uns, das Spektrum der ambulanten und teilstationären Versorgung weiter zu fördern und zu erweitern. Ich bin der Ansicht, Patienten sollte man so effizient und schnell behandeln wie möglich – und wenn dies ambulant geht, sollte man es machen. Unsere Hochschulambulanzen haben hohe Wachstumsraten. Wir sind für alle Formen der ambulanten und teilstationären Behandlung, die man sich in den Fachgebieten denken kann, zugelassen. Zudem sind wir offen für die erweiterten Möglichkeiten des ambulanten Operierens und der tagesstationären Behandlung.
Das zweite zentrale Thema ist die Kooperation mit anderen Kliniken: Als einziges Krankenhaus in der Stadt Jena haben wir auch einen Grundversorgungsauftrag, den wir gern annehmen. Dennoch ist unsere Aufgabe die der Supramaximalversorgung. Über unsere verschiedenen Zentren und Netzwerke wollen wir unsere Kooperations- und Koordinationsfunktion nutzen und ausbauen und damit andere Leistungserbringer unterstützen. Davon erwarten wir uns aber auch, dass Patienten mit hochkomplexen Erkrankungen zu uns kommen. Wenn Sie uns in drei Jahren noch mal fragen, dann werden wir unsere wirtschaftlichen Schwierigkeiten vermutlich schon überwunden haben, aber unser Portfolio wird ein anderes sein. Weil ambulante Behandlungen sehr viel stärker Platz greifen werden und das Thema Kooperation mit anderen Krankenhäusern, die wiederum ihre Versorgungsaufträge erfüllen, zentral ist.
Eine noch stärker koordinierende Rolle der Supramaximalversorger wie Unikliniken in der Versorgung sieht auch die Krankenhausreform vor. Während der Pandemie funktionierte das gut, heißt es. Wie sieht das jetzt ganz praktisch in Thüringen aus?
Wir wollen die guten Erfahrungen aus der Pandemie nutzen, zum Beispiel im Bereich Intensivmedizin. Ging es damals um die Versorgung von Covid-Patienten, ist es jetzt eine Aufgabe, sich in einem telemedizinischen Netzwerk auch andere Gruppen von intensivmedizinischen Patienten anzuschauen und darüber zu beraten. Wir haben nicht die Idee eines Zentralismus, also dass jeder Patient zu uns kommen soll. Wir haben die Idee, dass jedes Krankenhaus seinen Versorgungsauftrag bestmöglich erfüllt und wir dies unterstützen. Dafür stehen wir zur Verfügung. Unsere Aufgabe ist der Know-how-Transfer.
Sind die anderen Kliniken dafür offen?
Ich erwarte mir in vielen Punkten ein entspannteres Verhältnis, wenn wir mit der Krankenhausreform durch sind. Ich beschreibe die bisherige Situation gern als: die Jagd nach dem letzten Relativgewicht. Es sollte nicht so bleiben, dass Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung quasi gezwungen sind, hochkomplexe Fälle zu behandeln, damit die Vergütung stimmt. Ich hoffe sehr, dass die Neukonfiguration der Versorgungsaufträge über die Leistungsgruppen dazu führt, dass Kliniken per se in eine vernünftige Versorgungsstufe kommen und ausreichend Fallzahlen haben, um Qualität zu bieten. Es darf nicht nur berücksichtigt werden, was einer darf, sondern es müssen auch hinreichend große Häuser bestehen, damit diese wirtschaftlich stabil arbeiten können. Dann lassen wir dieses „ich jage nach dem letzten Relativgewicht“ hoffentlich hinter uns.
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