Hört man sich unter den Befürwortern von Karl Lauterbachs (SPD) Klinikreform um, fällt oft dieser Satz: „Hätte er sich mit Laumann geeinigt, dann wäre die Reform jetzt schon durch.“ Zwei Männer mit großem Reformeifer, viel Fachwissen und ähnlichen Interessen finden keinen Konsens – das ist die Tragik dieser Legislatur aus gesundheitspolitischer Sicht. Vor knapp zwei Jahren haben sich beide noch mit gefälligen Worten der Wertschätzung bedacht. Heute stichelt Lauterbach bei jeder Gelegenheit gegen die NRW-Planungsreform – und NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sät im Gegenzug mit Lust Zweifel an Lauterbachs Finanzierungsreform. Die übrigen 15 Bundesländer haben sich weitgehend hinter Laumann versammelt. Viele können sich vorstellen, die NRW-Planungsreform im eigenen Land umzusetzen. Allein das ist bemerkenswert.
Karl Lauterbach hat sich für den Zwist eine clevere Kommunikationsstrategie zurechtgelegt. Er betet bei jeder Gelegenheit die Mängel des Systems herunter – mit durchaus schlagenden Argumenten: Es gibt zu viele Krankenhäuser, Gelegenheitsversorgung in Kliniken ist gefährlich und die Lebenserwartung in Deutschland ist generell viel zu niedrig. Geht es jedoch um die Auswirkung seiner Reform, findet der Minister nur schwammige Worte. Die Länder lässt er mit gespielter Kompromissbereitschaft ins Leere laufen. Den Kliniken verspricht er unisono Rettung – ohne konkret zu werden oder bedarfsgerechte Strukturen zu skizzieren. Bürgern und dem Klinikpersonal verkündet der Minister die „Entökonomisierung“.
Sucht man im Internet, findet sich dieser Begriff ausschließlich im Kosmos von Karl Lauterbach. Doch was meint er damit? Vermutlich die Abkehr von den DRG, den Rauswurf der Investoren aus dem MVZ-Markt und die Endbudgetierung für niedergelassene Ärzte. Doch all das löst Lauterbach nicht ein – seine „Entökonomisierung“ ist reiner Populismus. Insofern wirkte es wie eine Befreiung, als Lauterbachs Staatssekretär Edgar Franke (SPD) auf dem Krankenhausgipfel Anfang September in Berlin eingestand: „Es wird keine Entökonomisierung geben!“ Es dauerte jedoch keine halbe Stunde, ehe sein Chef auf derselben Bühne wieder jenes Lied von der Entökonomisierung anstimmte. Denn im öffentlichen Diskurs verfängt dieses Versprechen.
Die Kliniken stecken derweil in der Schockstarre. Durch gesunkene Fallzahlen, Personalnot und steigende Kosten purzelt ein Haus nach dem anderen ins Defizit. Gleichzeitig findet eine – auch aus wirtschaftlicher Sicht überfällige – Ambulantisierung von Leistungen kaum statt. Dazu trägt die angekündigte Vorhaltepauschale bei, weil sie auf Basis der stationären Leistung berechnet werden soll. Ob die Pauschale überhaupt kommt, zeigt sich in den nächsten Wochen.
Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) von Lauterbach könnte nach der Verabschiedung im Bundestag am 18. Oktober vom Bundesrat in den Vermittlungsausschuss geschickt werden. Dort könnte es mit Zweidrittelmehrheit abgeräumt werden oder – was wahrscheinlicher ist – es tritt verzögert irgendwann im Jahr 2024 in Kraft. Im Nachgang zum KHVVG müssten Bund und Länder dann drei Rechtsverordnungen zu Mindestzahlen, Transformationsfonds und Leistungsgruppen aushandeln. Das ist Kärrnerarbeit mit hohem Konfliktpotenzial. Der parlamentarische Showdown würde dann auf Ministerialebene seine Fortsetzung finden.