Strukturvorgaben dominieren das deutsche Gesundheitssystem. Doch kein Patient wird allein durch strukturelle Vorgaben gesund. Entscheidend ist der Behandlungserfolg. Höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel, fordern unsere Autorin und Autoren: weg von Bürokratie, hin zu messbarer Ergebnisqualität und echter Patientenorientierung.
In der politischen Steuerung des Gesundheitswesens nimmt die Strukturqualität einen zentralen Stellenwert ein. Kriterien wie Bettenzahlen, Personalschlüssel oder technische Ausstattung lassen sich zwar definieren, regulieren und kontrollieren, erzeugen dabei jedoch einen zu hohen bürokratischen Aufwand. Außerdem sagen sie wenig darüber aus, was für Patientinnen und Patienten am meisten zählt: die tatsächliche Behandlungsqualität.
Die problematische Konsequenz sind gesetzlich erfüllte Vorgaben, aber keine garantierte Versorgungsqualität. Damit droht das Gesundheitssystem an seinem eigenen Regulierungsaufwand zu erlahmen, während echte Systemveränderungen ausbleiben. Es gibt einen erhöhten Verwaltungsaufwand, jedoch ohne erkennbaren Nutzen für die Versorgung. Dabei sind sich doch die Verantwortlichen einig, dass die überbordende Bürokratie abgebaut werden muss.
Eine patientenzentrierte Versorgung braucht Ergebnisqualität. Sie beantwortet zentrale Fragen zur Wirkung einer Behandlung auf Gesundheit, Teilhabe und Lebensqualität. Ergebnisqualität schafft Orientierung – für Patientinnen und Patienten, für Leistungserbringer sowie für die Systemsteuerung. Vor allem aber ist die messbare Überwachung der Ergebnisqualität die Grundlage zu deren Verbesserung. Ergebnisindikatoren ermöglichen differenzierte Analysen und eine bedarfsgerechte Steuerung medizinischer und pflegerischer Leistungen.
Dabei geht es um mehr als nur Mortalitäts- oder Komplikationsraten. Die seit vielen Jahren von mehr als 500 Kliniken praktizierte IQM-Methodik zeigt beispielsweise, dass sich die Ergebnisqualität anhand bestehender Routinedaten valide, kontinuierlich und ohne zusätzliche Dokumentationslast messen lässt. In Deutschland nutzen über 1.200 Krankenhäuser die von IQM entwickelten German Inpatient Quality Indicators (G-IQI). In der Schweiz werden diese in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) in die Swiss Inpatient Quality Indicators (CH-IQI) überführt. Diese breite Anwendung zeigt: Die Ergebnisqualität ist etabliert und umsetzbar.
Patientenperspektive endlich berücksichtigen
Ein zukunftsfähiges Qualitätsverständnis schließt die Perspektive der Patientinnen und Patienten mit ein. Beispiele hierfür sind Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) und Patient-Reported Experience Measures (PREMs). Diese Instrumente sind zentrale Bausteine des Value-Based-Healthcare-(VBHC-)Ansatzes und ermöglichen es, mit vorhandenen Ressourcen die bestmöglichen Ergebnisse aus Sicht der Patientinnen und Patienten zu erzielen – PROMs wirken auf mehreren Ebenen:
Initiative Qualitätsmedizin (IQM)
Die Initiative Qualitätsmedizin (IQM) ist ein Zusammenschluss von über 450 Krankenhäusern in Deutschland, der Schweiz und Slowenien mit dem Ziel, die Behandlungsqualität durch Transparenz, Routinedatenanalyse und Peer Reviews zu verbessern. In Deutschland decken die IQM-Häuser eigenen Angaben zufolge rund 40 Prozent der stationären Patientinnen und Patienten ab.
- Auf der Mikroebene unterstützen sie das Behandlungsteam dabei, Therapien individueller zu gestalten.
- Auf der Mesoebene helfen sie Einrichtungen, interne Prozesse gezielt zu verbessern.
- Auf der Makroebene schaffen sie eine valide Grundlage für sektorübergreifende Vergleiche und fördern Benchmarking sowie Innovation.
Gleichzeitig zeigt die Praxis in IQM- Pilotprojekten, dass die Umsetzung von PROMs und PREMs anspruchsvoll ist – insbesondere unter den Rahmenbedingungen aktueller Reformvorgaben wie dem Krankenhaustransparenzgesetz. Dennoch ist ihre Einführung unverzichtbar. Politik und Selbstverwaltung sollten diese Innovationen gezielt fördern, damit sie ihre Wirkung entfalten können. Ergebnisqualität ohne Patientenperspektive bleibt unvollständig.
Die IQM blickt auf fast zwei Jahrzehnte Erfahrung in der systematischen Nutzung von Routinedaten zur Qualitätsmessung zurück. Der Einsatz dieser Daten – ohne Zusatzaufwand für die Krankenhäuser – ermöglicht eine faktenbasierte Bewertung der Versorgung. Dies steht im Gegensatz zu vielen bestehenden Dokumentationspflichten, die als bürokratisch, redundant und wenig nutzenstiftend empfunden werden. Die IQM-Methodik verzichtet auf zusätzliche Dokumentationspflichten und setzt stattdessen auf Effizienz. Ein zentrales Element ist das Peer-Review-Verfahren: Auffälligkeiten in der Ergebnisqualität werden im kollegialen Dialog analysiert, jedoch nicht sanktioniert. Es fördert eine nachhaltige Qualitätsentwicklung und stärkt die Eigenverantwortung der Krankenhäuser.
Damit die Ergebnisqualität wirksam zur Steuerung des Gesundheitssystems beitragen kann, sind verlässliche politische Rahmenbedingungen notwendig. Die Ergebnisqualitätsmessung muss als zentrales Steuerungsinstrument gesetzlich verankert werden, ebenso wichtig sind validierte Indikatoren.
Zudem ist auch die sektorenübergreifende Nutzung vorhandener Routinedaten und die Förderung etablierter Verfahren wie Peer Reviews unverzichtbar.
Die Ambulantisierung ist ein erklärtes Ziel der aktuellen Reform und birgt Potenzial für Effizienzgewinne. Durch die Verlagerung vormals stationär erbrachter Leistungen in den ambulanten Bereich können die Gesundheitsausgaben reduziert werden. Diese Effizienzsteigerung darf jedoch nicht zulasten der Versorgungsqualität oder gar der Patientensicherheit gehen.
Daher muss auch in der ambulanten Medizin ein systematisches und fortlaufendes Monitoring der Versorgungsqualität ein zentrales Element zur Sicherstellung einer hohen Versorgungsqualität etabliert werden. Dazu gehören die Sicherstellung personeller Ressourcen und erforderlicher Sachmittel sowie die Beachtung aktueller wissenschaftlicher Standards mit Einhaltung geltender Leitlinien und transparenter Indikationsstellung als partizipative Entscheidungsfindung (Shared Decision Making). Auch die Evaluation der Behandlungsergebnisse anhand objektiver klinischer Daten sowie patientenseitig gemeldeter Outcomes und Erfahrungen (Patient-Reported Outcomes und Experiences) sollte zur Erfassung der Versorgungsqualität erfolgen.
Auch finanziell eine Frage der Fairness
Qualität muss sich lohnen, auch finanziell. Wer nachweislich gute Ergebnisse erzielt, sollte dafür auch Anerkennung erfahren. Das bisherige DRG-System belohnt die Menge und nicht die Qualität. Dabei kann auf vielfältige Erfahrungen aus dem Ausland zurückgegriffen werden. In ein differenziertes und idealerweise lernförderndes Vergütungsmodell muss die erreichte Ergebnisqualität einfließen, ohne Fehlanreize zu setzen. Dies kann zur Stabilität der Beiträge und zur Effizienz der gesetzlichen Krankenversicherung beitragen.
Für eine Integration der Ergebnisqualität sind Veränderungen notwendig. Die Erfahrungen der Reformen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass es ohne Anreizsysteme kaum Veränderungen im deutschen Gesundheitssystem gibt. Ein Wettbewerb um Qualität kann hier ein Ansatz zur kontinuierlichen Verbesserung sein. Für eine bessere Versorgung braucht es Veränderungen: relevante Outcome-Indikatoren, gesetzliche Vorgaben und ein Umdenken hin zu ergebnisorientierter Steuerung. Krankenhäuser, die heute schon messen, brauchen keine neuen Pflichten, sondern politische Anerkennung, Verlässlichkeit und Unterstützung. Dazu braucht es Mut, Investitionen und die Bereitschaft, überkommene Denk- und Steuerungsmuster hinter sich zu lassen.