KI verändert die Psychotherapie. Zwischen digitaler Innovation und ethischer Verantwortung entsteht ein neues Versorgungsmodell.
In der Debatte um den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im medizinisch-therapeutischen Umfeld drängen sich unmittelbar Fragen der Ethik, des Datenschutzes und der Evidenz auf. Während sich die Fachwelt damit auseinandersetzt, wie der Einsatz von KI sinnvoll gestaltet werden kann, zeigt die oft zitierte normative Macht des Faktischen: KI ist schon längst für Hilfesuchende eine relevante Anlaufstelle geworden: Eine Patientin erläutert in ihrem Therapiegespräch, dass sie mit ChatGPT bereits regelmäßig arbeitet, und fragt ihren Therapeuten vorsichtig, ob denn die Inhalte des Chats verlässlich seien. Junge Ärzte üben Gesprächsführung mit dem Tool im Sinne von „Sei bitte ein depressiver Patient!“ – inklusive Feedback. Und Jugendliche suchen in KI einen besten Freund, wenn sie sich einsam fühlen.
KI-Tools geben im Markt der Psychotherapie und Psychiatrie dabei eine Pace vor, die die Dynamik immer weiter treibt. Digitalisierung bietet schon jetzt zig Möglichkeiten, die psychische Gesundheit zu fördern und Patienten auf ihrem Weg einer erfolgreichen psychischen Rekonvaleszenz besser zu begleiten. Apps zur Stimmungserfassung, Onlinetherapieplattformen, Virtual-Reality-Anwendungen, Videokonsultationen sowie digitale Tagebücher ermöglichen innovative Behandlungskonzepte und teilweise eine kontinuierliche Begleitung über die stationäre Behandlung hinaus.
In der Prävention können KI-gestützte Tools bereits Frühwarnzeichen erkennen und rechtzeitig intervenieren. In der Nachsorge helfen digitale Angebote, die therapeutische Beziehung aufrechtzuerhalten, Selbstwirksamkeit zu stärken und Rückfallraten zu senken – besonders bei chronischen Erkrankungen wie Depressionen oder Schizophrenie.
Ein KI-Strategie fehlt noch
Doch noch fehlt es an einer klaren gesundheitspolitischen Strategie, an funktionierender Regulierung, ethischen Standards sowie an der Finanzierung. Klug eingesetzt, kann die Umsetzung applikationsgeführter Prozesse nicht nur die Qualität der Patientenversorgung erhöhen, sondern erzeugt auch die nötigen Daten, um eine KI zu steuern und völlig neue Dimensionen in der psychiatrischen Behandlung sowie Psychotherapie zu erreichen. Auch in der Administration ergeben sich Chancen, umfangreiche bürokratische Aufgaben ressourcenschonender zu bewältigen. In diesem Transformationsprozess ist die Begleitung der Mitarbeitenden essenziell. Ärzte, Therapeuten sowie Pflegekräfte benötigen nicht nur technisches Know-how, sondern vor allem Sicherheit und Selbstvertrauen im Umgang mit digitalen Anwendungen. Erst aus der Akzeptanz der KI kann ein Mehrwert entstehen.
Eine intensive Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken sowie die Umsetzung in konkrete Strategien im Sinne des Versorgungsauftrags sind zwingend notwendig. Es wird sich zeigen, ob die Begegnung zwischen menschlichen Akteuren mit Empathie, Erfahrungswissen und Vertrauen der KI langfristig überlegen ist. Wünschenswert wäre ein Szenario, in dem Technik eine neue Seite therapeutischer Wirklichkeit bildet, die ohne die andere Seite – der Mensch-zu-Mensch-Kommunikation und der menschlichen Supervision über die KI – nur halb so gut wäre.