Viele der bekannten Probleme in der Krankenhausversorgung resultieren aus der Finanzierung über diagnosebezogene Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG). Denn diese orientieren sich ausschließlich an der Leistungserbringung, an Preisen und Erlösen. Eine bedarfsdeckende, krankenhausindividuelle Finanzierung ist über das Fallpauschalensystem nicht möglich. Daraus resultieren zahlreiche Formen von Unter-, Über- und Fehlversorgung: Ökonomischer Wettbewerb zwischen Krankenhäusern führt dazu, dass zwischen lukrativen Patientinnen und Patienten und solchen, mit denen kein Gewinn zu machen ist, unterschieden wird. Viele Patientinnen und Patienten fragen sich, ob eine Behandlung aus ökonomischen Gründen erfolgt oder unterlassen wird. Stationen werden geschlossen, wenn sie sich nicht lohnen, obwohl sie gebraucht werden. Der vom Kostendruck erzeugte Personalmangel gefährdet die Gesundheit der Patientinnen und Patienten wie der Beschäftigten.
Fallpauschalen sind auch keineswegs effektiv. Die angestrebte Kostenentlastung blieb aus. Stattdessen verursachen sie hohe Folgekosten: Die zusätzlichen Verwaltungsausgaben in Krankenhäusern und Krankenkassen sowie die Anreize zur Erbringung zusätzlicher Leistungen führen jährlich zu Kosten in Milliardenhöhe. Das DRG-System benötigt eine Vielzahl von kostenintensiven Dienstleistungen: Controlling, Unternehmensberatung, Kodierassistentinnen und -assistenten, Kodierärztinnen und -ärzte und vieles mehr. Zu den unerwünschten Wirkungen zählen weiterhin die Anreize zur Mengenausweitung, in deren Folge wiederum problematische Maßnahmen zur Eindämmung der Mengenausweitung getroffen werden müssen, wie etwa der Mehrleistungsabschlag oder der Fixkostendegressionsabschlag.
Das alles ist bekannt und sorgt regelmäßig für Schlagzeilen und Skandale. Politisch hat bisher trotzdem kein Umdenken stattgefunden. Das Krankenhausstrukturgesetz der Bundesregierung ändert an der Not der Krankenhäuser nichts. Mit dutzenden Regelungen wird versucht, die unterschiedlichsten problematischen Auswüchse des DRG-Systems einzufangen. Aber das Herumdoktern an den Symptomen ist ein Kampf gegen Windmühlen. Es bedarf einer grundlegenden Neuausrichtung der Krankenhauspolitik, die ich anhand von vier zentralen Punkten skizzieren möchte.
Gemeinwohl statt Profit und Wettbewerb
Eine grundsätzliche Fehlentwicklung – und Triebkraft der Ökonomisierung – ist die Möglichkeit, mit Krankenhäusern Gewinne (und Verluste) zu erzielen. Der Zweck eines Krankenhauses ist aber nicht die Gewinnmaximierung, sondern die Versorgung der Bevölkerung mit notwendigen stationären Leistungen. Krankenhäuser sind Teil des Sozialstaats. Die Finanzierung der Krankenhäuser durch Krankenkassen (Kosten des laufenden Betriebs) und Länder (Investitionen) muss genauso an diesem Grundsatz ausgerichtet werden wie die Krankenhausplanung. Diesem Zweck der Krankenhäuser stehen derzeit die Orientierung an Markt und Wettbewerb und damit einhergehende betriebswirtschaftliche Strategien der Krankenhäuser entgegen.
Krankenhäuser gehören in die öffentliche Hand: Weitere Privatisierungen müssen verhindert und bereits privatisierte Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in nicht-profitorientierte Trägerschaft überführt werden. Es muss gesetzlich ausgeschlossen werden, dass Krankenhäuser mit dem Ziel der Gewinnmaximierung und Kapitalrendite betrieben werden. Entstehende Überschüsse müssen wieder ins Gesundheitswesen zurückfließen, vor allem in eine verbesserte Personalbemessung und zur besseren Versorgung der Patientinnen und Patienten.
Demokratische und sektorenübergreifende Planung
Ob ein Krankenhaus Gewinne oder Verluste macht, hat mit der Bedarfsnotwendigkeit des Krankenhauses nichts zu tun und darf kein Grund für den Betrieb oder die Schließung von Abteilungen sein. Die Krankenhausplanung wird so ad absurdum geführt und die bedarfsnotwendige Versorgung gefährdet. Nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) haben alle Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen wurden, einen Anspruch auf finanzielle Förderung und Ausstattung. Rechtlich sind Plankrankenhäuser per Definition notwendige Krankenhäuser und müssen wirtschaftlich gesichert werden.
Die Finanzierung der stationären Leistungen über DRG kann dies als wettbewerbliches System nicht leisten. Stattdessen entscheidet derzeit der ökonomische Erfolg eines Krankenhauses über seine Existenz und die Ausgestaltung seiner Abteilungen und Stationen. Eine auskömmliche Finanzierung bedarfsgerechter, qualitativ hochwertiger Krankenhäuser ist mit DRG-Fallpauschalen nicht zu erreichen.
Bundesweit muss die Ermittlung des Bedarfs an stationärer Versorgung auf eine wissenschaftliche Basis gestellt werden. Die Bedarfsplanung sollte kleinräumig organisiert sein mit dem Ziel, ein Optimum an medizinischer, therapeutischer und pflegerischer Versorgung vor Ort zu ermitteln. Die strikte Unterscheidung zwischen den Sektoren – ambulant, stationär und pflegerisch – bei Planung und Versorgung soll sukzessiv zu Gunsten einer sektorenübergreifenden Bedarfsplanung überwunden werden. Für eine patientenorientierte Versorgung sind neue, das Krankenhaus ersetzende Therapieangebote im ambulanten Bereich nötig, aber auch die stärkere Einbeziehung der Krankenhäuser in das ambulante Leistungsgeschehen. Dem Landeskrankenhausplan kann dabei die Aufgabe der Rahmenplanung zukommen, die weitere Ausgestaltung muss demokratisiert werden und kann weitestgehend auf die regionale Ebene verlagert werden. Beispielsweise können die Beteiligten vor Ort durch Gesundheitskonferenzen einbezogen werden.
Investieren!
Trotz der Verpflichtung der Bundesländer zur Übernahme der Investitionskosten in Krankenhäusern sind in den vergangenen Jahrzehnten die Investitionen der Länder ständig zurückgegangen. In vielen Krankenhäusern ist ein immenser Investitionsstau entstanden, bundesweit fehlen jährlich rund 3,3 Milliarde Euro an Investitionsmitteln. Dieser Stau kann mittelfristig nicht mehr allein von den Bundesländern behoben werden. Der Bund muss sich an zukünftigen Mehraufwendungen der Länder beteiligen.
Eine öffentlich organisierte, angemessen finanzierte und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung bedeutet auch, die Länder in die Lage zu versetzen, eine flächendeckende Krankenhausinfrastruktur zu sichern und für Neuanschaffungen, An- und Umbauten sowie Modernisierungen die erforderlichen Mittel bereitzustellen. Eine Vermögenssteuer, deren Einnahmen in die Länderhaushalte fließen, ist hierfür ein geeignetes Instrument.
Mehr Personal
Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass es einen massiven Personalmangel in den Krankenhäusern gibt. Die Pflegekräfte begehren bereits auf, die Gewerkschaft Verdi bereitet eine Bewegung für Entlastung und mehr Personal vor. Das Pflegestellen-Förderprogramm und Personaluntergrenzen sind leider nur weiße Salbe, aber keine wirksamen Instrumente zur Bekämpfung des Pflegenotstands. Deswegen muss schnellstmöglich eine bundesgesetzliche, für alle Krankenhäuser verbindliche Personalbemessung eingeführt werden. Dabei ist zu gewährleisten, dass im Vergleich zu heute die Zahl der Pflegekräfte erheblich gesteigert wird. Die notwendigen Kosten für das Personal müssen über die Kostenträger der Betriebskosten erstattet werden.
Es ist Zeit für eine solide und verlässliche Krankenhauspolitik, die sich am Gemeinwohl orientiert und den ökonomischen Druck von den Krankenhäusern nimmt. Die Krankenhausversorgung muss den Patientinnen und Patienten bestmöglich dienen und den Beschäftigten anständig bezahlte und nicht krank machende Arbeitsplätze ermöglichen.
- „Mehr Personal, höhere Investitionen“ – von Maria Klein-Schmeink, Bündnis 90 / Die Grünen
- „Sektorenübergreifend planen“ – von Maria Michalk, CDU/CSU-Bundestagsfraktion
- "Umbau statt Abbau" - von Hilde Mattheis, SPD-Bundestagsfraktion