Patientenpartizipation, Interoperabilität und Datenschutz waren die Kernthemen bei der diesjährigen Krankenhauszukunftskonferenz (KhZK) des Bundesverbands Medizintechnologie (BVMed). Experten aus Kliniken sowie der Industrie stellten smarte Lösungen und digitale Prozesse in der klinischen Versorgung fachübergreifendend vor und diskutierten sie.
Langer Weg zum Smart Hospital
Im Panel „Smarte Lösungen zur nachhaltigen Versorgung“ startete Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum Essen, mit einer Keynote Speech zum „Smart Hospital“. Datenwissenschaften und -analysen seien hierfür unverzichtbar, so Werner. Daten könnten Diagnostik und Patientenversorgung verbessern. Der Faktor Mensch spiele dabei die entscheidende Rolle. „Wir brauchen dafür ein neues Mindset. Man muss einen Digitalisierungswillen erzeugen und den Fokus auf die Menschen legen – die Patienten und Mitarbeitenden sind das Wichtigste“, appellierte Werner.
Sylvia Thun, Direktorin des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung (BIH), betonte, wie wichtig Datennutzung für eine digitale Zukunft der Krankenhäuser und das Gesundheitswesen sei. „Die Daten dürfen niemals der Industrie gehören, sie gehören den Menschen." Sie stellte das Evaluationsmodell Digitalradar vor und präsentierte erste Ergebnisse zum digitalen Reifegrad deutscher Krankenhäuser. Das Projekt sei die bisher international ausführlichste Datenerhebung zum digitalen Reifegrad von Krankenhäusern. Im Schnitt seien die Kliniken auf einen Score von 33,3 Punkten von 100 zu erreichenden gekommen. Krankenhäuser, die im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) Fördermittel erhalten, sind verpflichtet, an der Reifegradmessung teilzunehmen.
Für Markus Holzbrecher-Morys von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sei „der Weg der KHZG-Umsetzung noch lang“. Er sprach sich für eine Fortsetzung der Fördermittel auch nach 2025 für Betriebskosten aus, da die langfristige Finanzierung der Digitalisierungsprojekte in den Kliniken nicht gesichert sei. Ebenso sei die Patientenpartizipation in der Projektumsetzung wichtig, erklärte Holzbrecher-Morys. Neue Prozesse sollten aus Patientenperspektive gedacht werden. „Wir brauchen Begeisterung.“ Patienten müssten den Mehrwert in ePA, eRezept und DiGAs erkennen. „Wir müssen den Patienten zuhören, wie sie sich fühlen und ob sie zufrieden sind. Das sind Outcomes“, fügte Markus Wiegmann vom Medizinproduktehersteller Stryker hinzu. Er kritisierte den Mangel an Interoperabilität.
Uwe Heckert von Philips betonte dazu den hohen Bedarf an sektorenübergreifenden Schnittstellen. „Bei aller Digitalisierung und Euphorie im Rahmen des KHZG – wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zu viele neue Inseln schaffen. Es geht nicht immer darum, maximal zu digitalisieren“, so Heckert.
Neue Strategien und innovativer Nutzen im elektronischen Handel zeigte Holger Schneider von Digitice in einer Keynote Speech zur „eCommerce in Zeiten von Amazon, Facebook und Co.“. Zehn der 15 größten Krankenhäuser in Deutschland nutzen laut Schneider inzwischen Amazon Business. Vor allem eine Nutzen-Kosten-Abwägung, eine Plattform- und Marketingstrategie sowie eine Wettbewerbsanalyse sollten mitgedacht werden.
Datenschutz als Innovationstreiber
Neue Technologien wie Telemedizin oder Robotik im breiten Spektrum von Organisation und Versorgung präsentierten Moritz Küpper von Recare Deutschland, Johannes Fuchs von Robortise und Songül Secer von Asklepios im Panel „Wertschöpfung und Qualität“. Während Küpper Softwareentwicklungen im Entlassmanagement von Recare vorstellte und Fuchs den Blick auf die Roboterentwicklung warf, nahm Secer, die Leiterin des Telemedizinzentrums bei Asklepios, die Zuhörer mit in ihre Praxiserfahrungen. Viel Handlungsbedarf offenbarte sich bezüglich der Sektorentrennung der ambulanten Versorgung und den Krankenhäusern in der Telemedizin sowie in der Dateneinspeisung und -zugänglichkeit.
Küpper wünschte sich, dass die Gesundheitsversorger künftig enger zusammenrücken und miteinander agieren. Sinn und Zweck sei mehr Transparenz für Patienten zu schaffen und sie über ihre zustehenden Leistungen zu informieren. Den Datenschutz sehe er dabei weniger als Bremse der Digitalisierung, sondern vielmehr als Innovationstreiber.
Die durchgängige Nutzung von eStandards diskutierten Bianca Cassens vom Universitätsklinikum Münster, Thomas Drebing von Dedalus HealthCare, Joost Fastenrath von B.Braun, Jens Kalecinski von Prospitalia und Markus Manheller von PFM Medical im Panel „Beschaffung und eCommerce“. Und einen Blick auf Dänemarks nachhaltige Planung von Krankenhausbauten warfen Anne Katrine Greisen, Healthcare Denmark, Lars Ganzhorn Knudsen, Aarthus University Hospital und Torben Kulasingam, Rambøll, im Panel „Ein Blick ins Ausland“.
"Nicht zu freilebig mit unseren Daten umgehen"
Wie eine sicherere Gesundheitsversorgung im digitalen Umfeld möglich sein könnte, diskutierten im Panel „Daten und Sicherheit“ Roland Wiring, Fachanwalt für Medizinrecht, Jan Arfwedson, Aurasec, und Osiris Roost, M.Doc. Wiring stellte für die KHZG-Umsetzung vier rechtliche Kernthemen vor, die Kliniken abarbeiten sollten: Medizinprodukterecht, Datenschutz und Datensicherheit, Regulatorik und SGB V sowie Vertragsgestaltung (Projektvertrag und Softwareentwicklungsvertrag).
IT-Sicherheitsexperte Arfwedson erklärte, wie die gesetzlichen Vorgaben zur IT-Sicherheit zu erfüllen sind, da 15 Prozent der beantragten KHZG-Förderung hierfür zu investieren sind. Grundsätzlich werde häufig die eigene Resilienz zu hoch eingeschätzt, so der IT-Sicherheitsexperte. Der Investitionsbedarf von Kliniken in der Informationssicherheit bewege sich teilweise im zweistelligen Millionenbereich. „Durch die Umsetzung des Branchenspezifischen Sicherheitsstandards (B3S) für die medizinische Versorgung entstehen für ein Krankenhaus initiale Mehrkosten in Höhe von circa 1,5 bis 2 Millionen Euro“, so Arfwedson. „Im laufenden Betrieb eines Informationsmanagements in einem Krankenhaus werden, insbesondere aufgrund des erhöhten Personlbedarfs, Mehrkosten in Höhre von circa 500.000 bis 600.000 Euro pro Jahr entstehen."
Roost blickte in die Sicherheitsanforderungen an die digitale Kommunikation in Krankenhäusern: heterogene Systemlandschaften, heterogene Datensets, heterogene Datenlandschaft, hohe Sicherheit, einfache Usability sowie hohe Privatsphäre. Daneben stellte er Apple Healthcare und Google Health vor. Er bewertete die Digitalisierung als Generationenfrage. Ältere zweifelten sehr, Jüngere stünden technischen Neuerungen sehr offen gegenüber. Arfwedson wies darauf hin, Kinder und Jugendliche mehr in der Datennutzung zu sensibilisieren. „Wir müssen sehen, dass wir als Deutsche die Anforderungen an die Informationssicherheit nicht zu kompliziert gestalten und die Digitalisierung unterdrücken.“
„Wir sollten nicht zu freilebig mit unseren Daten umgehen. Es ist ein berechtigter Datenschutz“, verdeutlichte Wiring. Die Rechtssicherheit sei jederzeit mitzudenken. Ein funktionierendes Schwachstellenmanagement in der IT-Sicherheit sei unverzichtbar. „Sie ist die beste Versicherung“, so Roost. Die Systeme sollten gründlich getestet werden. „So lassen sich Schwachstellen finden und das Risiko reduzieren.“
Die KhZK richtet sich an alle Partner in der Gesundheitsversorgung, die ein Interesse an der Optimierung der Beschaffungs- und Versorgungsprozesse haben: Klinikmanagement, Leiter:innen und Mitarbeiter:innen aus Einkauf, Logistik und IT, Einkaufskooperationen, Klinikverbände, IT-Dienstleister, Krankenkassen, Politik, Industrie- und Handelsunternehmen sowie Fachmedien.